Warum blenden Menschen Ihr vorhandenes Wissen und Ihre logische Denkfähigkeit teilweise komplett aus, wenn sie Über SV/Nahkampf nachdenken oder das bewerten?
Was macht, dass es als ein so komplett anderes Feld wahrgenommen wird, als andere Lebensbereiche?
Warum kann ein Mensch ganz klar abschätzen, wie man ein Musikinstrument oder eine Sprache lernt, aber hat völlig seltsame und verquere Vorstellungen davon, wie man kämpfen lernt?
Ein bisschen klang das Thema in dem Thread zu den "Tödlichen Techniken" an und ich wollte es gerne noch etwas genereller diskutieren. Weil mir das ein totales Rätsel ist und ich mich frage, was man da so machen kann.
Ein weiteres Beispiel: das Thema "Schmerz". Da hat man einerseits das eine Erleben im Alltag (Leute leben, reden und Handeln mit Schmerzen, zB bei Unfällen, ärztlichen Behandlungen, Tatoos usw.) und dann in der Selbstverteidigung wird es auf einmal mit ganz anderen Augen gesehen. Warum?
Warum blenden Menschen Ihr vorhandenes Wissen und Ihre logische Denkfähigkeit teilweise komplett aus, wenn sie Über SV/Nahkampf nachdenken oder das bewerten?
Was macht, dass es als ein so komplett anderes Feld wahrgenommen wird, als andere Lebensbereiche?
Warum kann ein Mensch ganz klar abschätzen, wie man ein Musikinstrument oder eine Sprache lernt, aber hat völlig seltsame und verquere Vorstellungen davon, wie man kämpfen lernt?
Warum ...?
Weil das Wissen und die Logik bei "echter Selbstverteidigung" nur eine eingeschränkte Rolle spielen. Es ist ziemlich schwierig , eine derartige Extremsituation zu üben und überhaupt logisch anzugehen. Es gibt sicher Menschen, die sind kampftechnisch brillant ausgebildet, aber in einem realen Kampf sind sie unfähig zu handeln. Andere haben keine Ahnung von Kampftechnik, sind im Ernstfall aber in 0,5 Sekunden auf 100 und machen alles platt. Mein Lieblingsbeispiel dazu ist der Fußballer Bastian Schweinsteiger im WM-Finale 2014. Wenn man ihn gegen Ende des Spiels anschaut, dann weiss man, dass man in diesem Moment keinen Ärger mit ihm haben wollte.
Mein Patenonkel war 10 Jahre bei der Fremdenlegion und hat den ganzen Dreck in Indochina (inkl. Dien Bien Puh) überlebt. Erst als ich mich intensiv mit der Geschichte beschäftigt hatte und erfuhr, was er alles durchgemacht hatte, verstand ich, weshalb ihn bis zu seinem Tod vor ein paar Jahren nichts, aber auch gar nichts mehr aus der Ruhe bringen konnte. Er gehörte auch zu den Menschen, die sich auch schon selbst auf dem Feld ohne Narkose selbst genäht hatten, d.h. er wusste was Schmerzen sein können.
So etwas zu "üben" - mental und körperlich - ist eben ziemlich schwierig.
06-06-2019, 12:53
* Silverback
Zitat:
Zitat von Pyriander
Warum blenden Menschen Ihr vorhandenes Wissen und Ihre logische Denkfähigkeit teilweise komplett aus, wenn sie Über SV/Nahkampf nachdenken oder das bewerten?
Was macht, dass es als ein so komplett anderes Feld wahrgenommen wird, als andere Lebensbereiche?
Warum kann ein Mensch ganz klar abschätzen, wie man ein Musikinstrument oder eine Sprache lernt, aber hat völlig seltsame und verquere Vorstellungen davon, wie man kämpfen lernt?...
@ "andere Lebensbereiche": Das würde ich schon etwas differenzieren.
Beispiel "Musikinstrument" oder "Sprache" lernen: IMHO denken da die meisten Leute schon, dass sie da (etwas) mitreden können, weil IMHO die allermeisten da Kindheits-/ Schulerfahrungen haben. Das ist beim Kämpfen i.d.R. anders, da fehlen in unserer "zivilisierten Welt" heute doch größtenteils entsprechende Grunderfahrungen. Und dementsprechend seltsam/ verquer sind halt auch die Vorstellungen, wie man Kämpfen so lernt (was sich ja eben (s. der andere Thread) viele "Scharlatane" zunutze machen).
Just my 2 first cents.
06-06-2019, 12:58
Little Green Dragon
Zitat:
Zitat von Pyriander
Warum kann ein Mensch ganz klar abschätzen, wie man ein Musikinstrument oder eine Sprache lernt, aber hat völlig seltsame und verquere Vorstellungen davon, wie man kämpfen lernt?
Weil man anders als beim "kämpfen" die anderen erworbenen Fähigkeiten problemlos praktisch ausprobieren kann. Wenn Dir jemand verspricht Dich an einem Wochenende zum Superpianisten auszubilden kann man am folgenden Montag dann das Resultat dann ohne Gefahr ausprobieren - für die Carnegie Hall wird es in aller Regel nicht reichen.
Bei "SV" geht das nicht so einfach - mal ganz davon ab, dass die allerwenigstens von denen die "SV" trainieren hier in DE auch tatsächlich mal in eine ernsthaft gefährliche Situation kommen in der man dann das Erlernte auch wirklich ohne jeder Zurückhaltung anwenden könnte. Und wenn dann noch der "Ja hätte ich jetzt voll durchgezogen, dann..."-Faktor mit ins Spiel kommt ist die Nummer dann eh in der Regel schon gelaufen.
Und ohne jetzt die olle "KS vs. SV" Diskussion wieder lostreten zu wollen, wenn es um das Thema Schmerz geht:
Beim ersten ernsthaften (WK)Sparring wird man kassieren und rollt sich ggf. zusammen. Dann stellt man entweder fest, dass das nichts für einen ist oder man gewöhnt sich mit der Zeit dran und stellt fest: "Hey so schlimm ist das alles gar nicht...".
In der SV dagegen wird nach wie vor oft nur "so getan als ob" (klar man kann und will sich ja nicht permanent gegenseitig die Knochen brechen) und auch gerade der selbst erfahrene Schmerz ist sehr oft dann doch stark reduziert. Schließlich wird ja auch von der Zielgruppe primär erwartet, dass man vollkommen unbeschadet mit den super Techniken aus jeder Auseinandersetzung raus kommt.
Wenn Du einen SV Kurs bewerben würdest:
"Ja es tut weh, ja Du wirst Schmerzen haben und ja auch dann musst Du in der Lage sein weiter zu machen um überhaupt einen Chance zu haben da einigermaßen heile wieder rauszukommen..."
Ich prophezeie mal, die Teilnehmeranzahl wird doch recht überschaubar ausfallen. ;)
Im Endeffekt ist es ein Teufelskreis mit einer Mischung aus Erwartungshaltung der Zielgruppe (auch der schwache Nerd möchte glauben er könne mal was reißen) und der (wirtschaftlichen) Notwendigkeit der Anbieter und ihrer Werbeversprechen hier diese Zielgruppe dann auch zu bedienen. Und da wie angesprochen die allerwenigstens je mal in die Verlegenheit kommen ihr "Können" auf den Prüfstand stellen zu müssen (und selbst wenn sie dabei dann versagen ist ja immer irgendwas anderes Schuld) dreht sich das Rad halt immer weiter.
P.S.:
In Deinen 15 Jahren hier solltest Du doch aber zumindest eine Sache schon verinnerlicht haben - Fingerjab und Eiertritt wirkt immer und zu 100% :D:D
06-06-2019, 13:08
Cam67
Denke mal da spielt Unsicherheit eine große Rolle. vor Allem wenn bestimmte Techniken als DER Bringer , als DAS ultimative Tool beschrieben werden. ....
sehr oft fehlt da die wirkliche Erfahrung mit ernsten SV-Situationen , es bleibt also alles nur ein Kopfding , eine Vorstellung , wie wäre wenn.... das Aufwerten von festen VERTRAUTEN Techniken , bringt einen gewissen Sicherheits-Schein . ... etwas wo man sich festhalten kann. ... bis zur Überprüfung .
Genau hier kommt der Bruch ... sieht man auch immer wieder , wenn nach Überprüfung gefragt wird oder , wenn man wissen möchte wie oft denn die ultimative Technik schon erfolgreich in WIRKLICH ernsthaften Situationen eingesetzt wurde ..... kann mich nicht errinnern das da schonmal eine konkrete Antwort kam.
die Leute wo ich weiss , die haben schon genug ernste Situationen hinter sich , antworten fast schon stereotyp , auf die Frage , was machst du wenn das oder das , mit ..... keine Ahnung ...... mach mal. greif mal an ........
die wissen einfach wie , chaotisch , wie unberechenbar das ganze Thema SV ist .
die haben zwar auch ihre bevorzugten Techniken , aber denken eben nicht in diesen Techniken . die denken eher in ein Verhalten , eine vertraute Vorgehensweise . was sich mehr auf Bewegen , Distanzen und v.a. Einstellung (Pittbull, keine Kompromisse ..) bezieht und nicht auf etwas Ultimatives .
06-06-2019, 13:17
kanken
Wie hier ja schon mehrfach geschrieben wurde:
Es fehlt an realen Erfahrungen von Gewalt. Man stellt sich halt VOR wie Gewalt wohl aussieht, was passiert etc. und trainiert für seine Vorstellung von Gewalt. Es fehlt den Meisten (zum Glück) an real erlebter, massiver, Gewalt.
06-06-2019, 13:23
Pansapiens
Zitat:
Zitat von Pyriander
EDIT: jetzt bin ich scon 15 Jahre hier im Forum, aber immer noch zu blöd(?) zum einbetten. Wie geht es aktuell gerade?
Du klickst auf das Icon für "Video einfügen" und folgst den Anweisungen
Ein weiteres Beispiel: das Thema "Schmerz". Da hat man einerseits das eine Erleben im Alltag (Leute leben, reden und Handeln mit Schmerzen, zB bei Unfällen, ärztlichen Behandlungen, Tatoos usw.) und dann in der Selbstverteidigung wird es auf einmal mit ganz anderen Augen gesehen. Warum?
Es gibt Schmerzen unterschiedlicher Intensität und die steht nicht immer im Verhältnis zur Schädigung.
06-06-2019, 13:27
Eskrima-Düsseldorf
Zitat:
Zitat von Little Green Dragon
Wenn Du einen SV Kurs bewerben würdest:
"Ja es tut weh, ja Du wirst Schmerzen haben und ja auch dann musst Du in der Lage sein weiter zu machen um überhaupt einen Chance zu haben da einigermaßen heile wieder rauszukommen..."
Das merken die bei mir im ersten Probetraining ;) wahrscheinlich ist deshalb so leer?
06-06-2019, 13:36
kelte
Zitat:
Zitat von Pyriander
Ein weiteres Beispiel: das Thema "Schmerz". Da hat man einerseits das eine Erleben im Alltag (Leute leben, reden und Handeln mit Schmerzen, zB bei Unfällen, ärztlichen Behandlungen, Tatoos usw.) und dann in der Selbstverteidigung wird es auf einmal mit ganz anderen Augen gesehen. Warum?
Weil es nicht um dem Schmerz als solchen geht, sondern seinem Ursprung/Kontext.
Es macht einen Unterschied, ob ich mich einer schmerzhaften Therapie unterziehe, um besser leben zu können oder jemand anderen die Visage poliere, damit sich mein Ego bestätigt fühlt.
Zitat:
Zitat von Pyriander
Warum kann ein Mensch ganz klar abschätzen, wie man ein Musikinstrument oder eine Sprache lernt, aber hat völlig seltsame und verquere Vorstellungen davon, wie man kämpfen lernt?
Weil körperliche Kämpfe im Alltag nicht akzeptiert sind und damit nur die Wenigsten damit Erfahrungen haben.
Wenn man mal ne Weile darüber nachdenkt ist das eigentlich eine sehr, sehr positive Entwicklung, dass die Leute heute nicht wissen (müssen), wie man anderen Leuten die Knochen bricht oder effektiv den Schädel einschlägt.
06-06-2019, 13:38
kelte
Zitat:
Zitat von kanken
Es fehlt an realen Erfahrungen von Gewalt.
Hattest du das Problem nicht vor Jahren schon erkannt und deshalb Schüler mit anderen "geistig Verwandten" mit Ketten und Knüppeln verdroschen?
Also nicht, weil euch das Spaß gemacht hätte, sondern damit die Schüler eine neue, geistige Bewusstseinsebene erreichen?
06-06-2019, 13:44
Cam67
Zitat:
Zitat von kelte
Weil es nicht um dem Schmerz als solchen geht, sondern seinem Ursprung/Kontext.
Es macht einen Unterschied, ob ich mich einer schmerzhaften Therapie unterziehe, um besser leben zu können oder jemand anderen die Visage poliere, damit sich mein Ego bestätigt fühlt.
Es ist mal wieder bezeichnend und das nicht positiv , das das erste was bei Schmerzkonfrontation dir einfällt , "Visage polieren" ist. ..... Und als zweites "ego bestätigen"
Dir wurde ja schonmal eine Kur liebevoll ans Herz gelegt. Ich reihe mich da ein .
Bitte suche Hilfe.
06-06-2019, 13:54
kanken
Zitat:
Zitat von kelte
sondern damit die Schüler eine neue, geistige Bewusstseinsebene erreichen?
Wirkliche Veränderung wollen die Wenigsten und selbst in den "realistischen" SV Stilen geht es doch in erster Linie erst einmal darum, die Menschen zu unterhalten.
Was bringt es schon einem verkrampften Mitvierziger beim ersten Training in eine Pratze zu schlagen?
Wenn er wirklich was verändern wollte, müsste er seine versteifte und verstaubte Bewegungsfähigkeit verbessern und sowas verbrauch ohne Ende Zeit.
Kämpfen zu lernen, ist wie eine Sprache zu lernen und das tut man am besten in einem jungen Alter, oder spüäter mit viel Zeit und einem systematischen Ansatz.
In einer Fastfood Gesellschaft ist aber keine Zeit für langes Training und so bleibt es egal ob realistisch oder esoterisch, meistens bei Unterhaltung für Erwachsene.......
06-06-2019, 14:11
Kohleklopfer
Also Kinder merket, laut Onkel kelte ist SV im RL nur dazu gut um das eigene Ego zu pushen und anderen die Fresse zu polieren....