Zitat von
beniwitt
Ich hab mir das mal kurz angeschaut jetzt. Das was Geldsetzer/Hong in Grundlagen der chin. Philosophie schreiben würde ich schon sehr kritisch sehen (kritisch! ich kann das schon differenziert betrachten. Nicht dass mir jetzt gleich unterstellt wird ich würde sagen das ist alles Quatsch was die sagen).
Vorne weg vielleicht ganz allgmein. Ich denke alle sind sich einig, dass wuwei nicht einfach nur nichts tun bedeutet, sondern ein tun im Sinne des Dao meint. Das wiederum im Kontext verstanden, dass es eben kein egoistisches tun ist. Geldsetzer/Hong haben das ja an dem Gegensatz Kongzi=Vertreter des Menschendao/Kultur und Laozi=Vertreter des Himmelsdao/Natur aufgespannt.
Hier wären wir dann schon am zweiten Punkt. Wuwei sollte immer im Kontext von Ziran verstanden werden. Ziran bedeutet wortwörtlich 'das was durch sich selbst so ist'. Im weiteren Sinne dann als Natur übersetzt. Z.B. die Sonne geht jeden Morgen auf und Abends unter und nicht eben mal so wie sie gerade Lust hat. Beim MEnschen kommt eben die Komponente des 'Ego' mit rein, welches sich über die Natur bis zu einem gewissen Punkt erheben kann und sie durcheinander bringen kann. Youwei, tun, steht bei Laozi eben im Kontext des von Menschenhand, kulturschaffenden Tuns, welches die Natur in Unordnung bringt. Wuwei meint ein Verhalten!, welches im Einklang mit Ziran/Natur steht und nicht der Natur irgendwelche Ideen überstülpt die sich der Mensch im Kopf ausgedacht hat.
Darauf aufbauend, hat wuwei ursprünglich nichts mit Kampfkunst zu tun gehabt, sondern es waren spätere Kampfkünstler, die sich dieses Konzept zunutze gemacht haben. Hier muss man auch wieder differenzieren: fürs Training? oder als Konzept für den Kampf? Persönlich finde ich eignet es sich durchaus als Konzept um bestimmte Aspekte des Trainings zu beschreiben, aber auch nur bedingt. Als Konzept für den Kampf wohl eher nur bedingt. Denn Kampf bedeutet fast immer, wenn man jetzt nicht einfach dem Kampf aus dem Weg geht, letztendlich jemanden "brechen", oder "gebrochen zu werden". Das hat mit wuwei dann einfach nichts mehr zu tun.
Jetzt zu meiner Kritik an Geldsetzer/Hong. Sie übersetzen 'wu' mit 'Nichts' und 'you' mit 'Sein' und wuwei mit 'das Nichts wirkt' und youwei mit 'das Sein wirkt'. Entscheidend ist nach ihrem Verständnis das nicht Handeln!!!, buwei, des Menschen (also eigentlich genau das, was viele als Missverständnis des Begriffes wuwei kritisieren. Wie und ob das so ist mag ich jetzt ist im Detail hier nicht auseinander nehmen). Denn dadurch kommen wuwei und youwei der Natur wieder in ein Gleichgewicht. Zitat: "Wo aber der Mensch nicht handelt sondern ruht, da wirkt und schafft die Natur - Ziran - aus ihren eigenen Antagonismen von Sein und Nichts (you bzw. wu Anm. v. m.), und je nachdem was da vorherrscht, ergibt sich youwei -das Sein wirkt - oder wuwei - das Nichts wirkt......" (vgl. S.107 Reclamausgabe).
Ich hab jetzt keine Zeit und Lust die ganze Problematik hier kritisch fein sauber darzustellen. Aber es gibt zwei Hauptprobleme. Einmal wird der Begriff wu und you, bzw. wuwei und youwei als feststehender Begriff behandelt. Das war er im Daodejing noch nicht, sondern ist erst im Laufe der Zeit dazu gemacht worden. Es entsteht der Eindruck, dass wu bzw. wuwei und you bzw, youwei als fester Begriff so gelesen und verstanden wird. Im Daodejing ist die Verwendung besagter Wörter aber sehr weit gefächert und nicht mit der sehr einengenden Interpretation von Geldsetzer/Hong zu vereinbaren.
Dann ist die Übersetzung mit Nichts und Sein an sich schon sehr Problematisch. Leere wie Kanken das zitiert hatte haben sie nicht geschrieben, das hätte das Problem noch etwas eindeutiger gemacht. Denn der Buddhismus später hat sich in seiner Übersetzungsarbeit natürlich stark am Daoistischen Vokabular bedient und da einiges geniales aber auch einiges Chaos mit reingebracht. Das 'Unbedingte' (asamskrita) wurde mit wuwei übersetzt und das 'Bedingte' (samskrita) mit youwei übersetzt. asamskrita taucht auch oft in Kombination mit asamskrita shunyata auf, die unbedingte Leere, daher erst der spontane Gedanke Geldsetzer/Hong haben sich da zu sehr von buddhistischen Interpretationen leiten lassen wuwei und youwei zu verstehen. Da Kanken das aber falsch zitierte und sie von Nichts und Sein reden ist dieser Verdacht zwar nicht ganz aus dem Weg geräumt, aber nicht mehr so ganz eindeutig.
Wenn man die Worte im Daodejing aber im Kontext versteht muss man sich nicht so sehr verbiegen sondern meistens (eigentlich immer) ist die Bedeutung recht eindeutig. Wu hat oft die Bedeutung 'ohne', während bu 'nicht' bedeutet. Wuwei bedeutet also 'ohne tun' während buwei 'nicht tun' bedeutet. Buwei meint also tatsächlich ein nicht Handeln im Sinne von Tatenlos zu sein, während wuwei ein tun ohne extra zutun meint. Buwei ist also eine direkte Aufforderung das Tun zu unterlassen, während wuwei ein Aufforderung ist eine bestimmte Art von Tun zu unterlassen, also ein Tun, dass ohne das Tun ist das wider die Natur geht, aber alles Tun im Sinne der Natur einschliesst.
Substantiviert kann man es analog wiedergeben. Es ist nicht der Kontrast 'Nichts' und 'Sein', sondern von 'Ohne' und 'Haben'. You ist also alles was irgendwie konkret ist, also etwas hat, während Wu nicht einfach Nichts ist, sondern eben etwas meint was Ohne ist. Es ist, aber es ist ohne alles das was You ist. Und damit ist es nicht Nichts. In diesem Kontext muss es verstanden werden. Was das Ohne jetzt letztendlich ist muss man offen lassen. Das hat auch das Daodejing. Und das Wort Ohne bringt diese konkrete Offenheit auch sehr schön zum Ausdruck. Im I. Kapitel des Daodejing werden Wu und You dann beschrieben als zwei Seiten einer Sache und einen Ursprunges, der aber im Dunkeln liegt und durch das alles wunderbare in Erscheinung tritt.Ich möchte jetzt nicht soweit gehen, aber es würde viel Näher liegen Wu mit dem Sein an sich in Verbindung zu bringen als mit You mit Sein. Wu mit Nichts zu übersetzten wird dem Kontext des Daodejing Meiner Meinung nach einfach nicht gerecht.
Hab Geldsetzer/Hong jetzt nur bezüglich der Wuwei Problematik gelesen. Von dieser Perspektive aus betrachtet würde ich das Werk aber eher mit Vorsicht genießen und es vielleicht eher als Zusatz zu anderen Einführungswerken lesen und nicht als Standardwerk lesen.
Grüße
Beni
Ach ja, zur Diplomarbeit. Versteh jetzt ihren methodischen Ansatz nicht wirklich, aber mir scheint die Arbeit schon eher eine ziemlich subjektive Wiedergabe ihres eigenen Verständnisses und Erfahrung von Yiquan zu sein. Mit einer wirklichen Auseinandersetzung was Yiquan ist oder sein kann hat es meiner Meinung nach nicht viel zu tun (oder dann nur sehr mangelhaft). Es entzieht sich auch meinem Verständnis wo der wissenschaftliche Wert einer solchen Arbeit liegt? Vielleicht kann da nochmal jemand Licht ins Dunkel bringen?