Hier mal ein sehr schöner Artikel eines Intensivmediziners:
Lage auf Intensivstationen: „Die Klagen der Spitzenmediziner sind getrost zu ignorieren“
Faktenbasierte Abrechnung eines Krankenhausarztes
Zitat:
Knapp 1200 der 2000 Krankenhäuser in Deutschland haben weniger als 200 Betten. Diese haben max. 10 Intensivbetten, zumeist aber 6-8 Intensivbetten, die Krankenhäuser mit weniger als 100 Betten max. 3 Betten auf Intensivstation (und dies sind schon 690 Krankenhäuser (Quelle s.o.). Im Median haben wir 12 Intensivbetten pro Krankenhaus. Bei letzteren bedeutet ein COVID-19 Fall also schon eine Auslastung von 33%, in der DIVI-Darstellung die zweitdunkelste Darstellung. Bei 2 Patienten eines Hauses mit 200 Betten und 8 Intensivbetten bedeuten bereits 2 Patienten auf der Intensivstation eine Auslastung von 25%, also ebenso ein dunkles Blau. Hinzu kommt, dass in den kleineren Häusern am Wochenende bei internistischen Patienten keine Visite durchgeführt wird und alle auch nur etwas „problematischen“ Fälle daher gleich auf die Intensivstation verlegt werden, damit hier wenigstens ein Arzt nach den Patienten sehen kann.
Zitat:
Anhand des DIVI-Tagesreports vom 17.4. verfügen wir über 23.739 Intensivbetten. Dies sind weniger als 2019, also vor der COVID-19-Pandemie, und ich frage mich, wo sind dann auch die ganzen neu geschaffenen Betten geblieben, für die die Krankenhäuser die € 50.000 pro geschaffenem Bett erhalten haben. Wurden die Prämien gezahlt und dann wurden die Betten wieder abgebaut, weil es kein Pflegepersonal dafür gibt? Waren dies Scheinbetten? Fragt der Bundesrechnungshof mal nach?
Zitat:
Die HELIOS-Kliniken wollten eigentlich zum 31. März 2020 das Krankenhaus Bochum-Linden schließen. Dann kam Corona und sie verschoben die Schließung bis zum 30.09.2020. Begründung offiziell: Die Corona-Krise. Dies ist auch nicht falsch, aber nicht, weil ein Krankenhaus mit 181 Betten erheblich zur Bewältigung der COVID-19-Situation beitragen hätte können. Die vorgehaltenen Abteilungen („Es verfügt über die vier somatischen Fachabteilungen Anästhesie, Chirurgie, Innere Medizin und Augenheilkunde (Belegabteilung) sowie eine Kinder- und Jugendpsychiatrie. Schwerpunkte des St. Josefs-Hospital sind die Gefäßmedizin (Gefäßchirurgie und Angiologie im Gefäßzentrum Ruhr), die gastroenterologische Versorgung (Magen-Darm-Krankheiten, Darmzentrum West) und die Fußchirurgie.“) (Quelle hier) konnten da auch fachlich nicht viel zu beitragen. Aber: Pro Bett, welches nicht belegt war, bekamen die Krankenhäuser in 2020 eine Freihaltepauschale von 560 Euro am Tag. Wenn ich in einem Krankenhaus keine geplanten Patienten mehr aufnehme, ist die Belegung automatisch deutlich geringer als in 2019 und solche Krankenhäuser konnten sich an dieser Freihaltepauschale für viele Monate gesundstoßen. Nicht zu Unrecht beklagten sich bereits im Mai 2020 viele Ärztevertreter und die Politik, dass sich gerade die kleinen Krankenhäuser an der aktuellen Situation durch die großzügigen Zahlungen der Politik ungerechtfertigt bereichern. Ich kenne sogar Krankenhäuser, in denen es den Ärzten im vergangenen Jahr untersagt wurde, elektive Patienten aufzunehmen, da mit der Corona-Pauschale mehr Geld verdient wird, als wenn in dem Bett Patienten liegen, die behandelt werden.
Zitat:
Anscheinend agieren viele Kliniken aus dem Status „Regelbetrieb“ heraus. Dies wird aus einem aktuellen Blog erkennbar. Hier heißt es, dass viele Kliniken anhand der aktuellen Behandlungszahlen aus diesem Regelbetrieb kaum noch in der Lage seien, COVID-19 Patienten aufzunehmen. Regelbetrieb? Das Land ist seit einem Jahr im Ausnahmezustand. Die Intensivmediziner gehen aber noch von einem Regelbetrieb aus. Die Wirtschaft in diesem Land muss runterfahren, alle fordern Homeoffice, die Wirtschaft ächzt, aber die Intensivmediziner gehen noch von einem Regelbetrieb aus? Verstehe ich nicht. Im Mittel, so heißt es in diesem Blog, hat die deutsche Intensivmedizin 12 Betten pro Intensivstation. „Wenn ich auch nur ein einziges Bett freihalte, dann bin ich bei 8%“, so heißt es hier. Unterstützt meine obige Aussage, dass die graphische Darstellung irreführend ist. Es wird aus diesem Blog aber auch deutlich, dass es einfach zu wenige Intensivbetten bei uns gibt. Auch ohne COVID-19.