Zitat:
Was erwartet man von einem Sensei?
Der Sensei ist eine Figur, deren Bild Eingang in den westlichen Sprachgebrauch und das westliche Vorstellungsvermögen gefunden hat - auf eine verzerrte, unrealistische Art.
Wir kennen das Wort Sensei durch Filme und Geschichten über Japan, vor allem durch solche über die japanischen Kampfkünste.
Außerdem haben wir von all diesen Dingen eine ganz bestimmte Vorstellung. Wir vermischen Mr. Miyagi aus dem Film Karate Kid mit unserer oberflächlichen Wahrnehmung der unerschütterlichen und schweigsamen Persönlichkeit des Schauspielers Toshiro Mifune.
Dem fügen wir die Schrulligkeit des winzigen Yedi-Meisters Yoda hinzu.
Je nach Bedarf würzen wir das Ganze sodann noch mit den aphoristischen Weisheiten der Shaolin-Meister aus alten Kung Fu-Serien.
Daraus destillieren wir dann den perfekten Sensei - so, wie ihn sich alle vorstellen, die nur einen sehr dürftigen Bezug zur Wirklichkeit haben.
Zitat:
Wie bei so vielen Dingen, die in den Traditionen des alten Japan wurzeln, gibt es auch für den Begriff Sensei kein präzises westliches Äquivalent. Da wir also nichts Vergleichbares im westlichen Sprachgebrauch finden, erliegen wir gern der Versuchung, eigene, wenngleich unangemessene, unsinnige und irreführende Definitionen dafür zu erfinden, wie ein Sensei unserer Meinung nach zu sein hat.
Ebenso groß ist die unvermeidliche Versuchung, den Begriff Sensei zu erklären, indem man definiert, was er nicht ist.
Der Sensei ist kein Trainer.
Das verwirrt manche Leute - vor allem jene, welche die Aspekte der körperlichen Ausbildung im Bûdô für nichts anderes als exotische Formen sportlicher Ertüchtigung und sportlichen Wettkampfs halten. Und was wäre Sport ohne einen Trainer ...?
Der Sensei ist keine Vaterfigur. Er ist auch kein Guru, kein Priester, kein Orakel. Er ist kein allwissender Weiser, umgeben von mystischem Klimbim - und es ist auch nicht seine Aufgabe, uns durch liebenswerte Manierismen ebenso wie durch seine kurzen, prägnanten Sätze zu bezaubern.
Er ist nicht im Besitz jener einfachen und perfekten, doch oft geheimnisvollen Weisheiten, die er seinen Schülern als Lösung all ihrer Probleme offerieren kann.
Zitat:
Viele Menschen fühlen sich aufgrund ihrer geringen Selbstachtung angezogen von den Disziplinen des japanischen Bûdô. Diese Menschen kommen, weil sie nach Halt suchen. Oder weil sie die Notwendigkeit verspüren, sich der Philosophie und den esoterischen Künsten zu widmen, welche sie in ihrer eigenen Kultur vermissen. Daher werden sie magnetisch angezogen vom scheinbaren Mysterium des Dôjô.
Was sie wirklich brauchen, ist aber offenbar jemand, der tatsächlich oder vermeintlich alle Antworten auf die Fragen des Lebens parat hat: Papa.
:D