Nein, ki no nagare ist eine Übungsform.
Das "Prinzip der Widerstandslosigkeit ist etwas real anwendbares.
Das mit der Übungsform bzw. Methode zu verwechseln, ist wie ich glaube die Hauptquelle vieler Missverständnisse.
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Es ist doch bei jedem historischen Text so, daß man ihm nicht nahe kommt, wenn man den eigenen Kontext benutzt, um ihn zu verstehen? Es ist doch immer so, daß man einen historischen Text nur aus seinem Kontext heraus verstehen kann. Der "Wortlaut" ist dabei nicht entscheidend, sondern was ich mit diesem Worlaut verbinde: Es macht einen fundamentalen Unterschied, ob ich die Worte Ueshibas mit dem mir geläufigen Alltagsverständnis zu verstehen versuche. Oder ob ich zu ihrem Verständnis - zum Beispiel - Texte der daoistischen inneren Alchemie zugrunde lege. Ich fand es frappierend, wie sich die scheinbar hermetische Sprache Ueshibas dann aufschließt und seine Sätze übbar werden.
So finden sich zum Beispiel Himmel und Erde, Feuer und Wasser allesamt in meinem alltäglichen Sprachgebrauch. Ueshibas Definition von aiki als Kreuz aus Himmel und Erde, sowie Feuer und Wasser entspringt aber einem ganz anderen Sprachspiel. Das Gleiche gilt auch für den "Sieg über das eigene Selbst". Das klingt in unseren Ohren wohl den meisten rein psychologisch. In der daoistischen Gedankenwelt hat das aber zudem auch konkrete körperliche Aspekte.
Ich habe ja schon manchmal angemerkt, daß du auf Aussagen oder auch Videos von Lehrern zurückgreifst, deren Üben und Kontext du nicht selber kennst und so dein eigenes Verständnis hinein interpretierst.Zitat:
Deswegen muss ich wohl eingestehen, dass es keinen Sinn macht, mich auf solche Aussagen und Zitate zu beziehen. ...
"Man erblickt nur, was man schon weiß und versteht." Johann Wolfgang von Goethe (Gespräche, Gesellschaft bei Goethe, 24. April 1819)
Bist du sicher, dass das konkreter, bzw. einfacher zu verstehen ist?Zitat:
Immerhin wird in dem selben Interview Kisshomaru deutlich konkreter: ...
- "I can move the enemy freely at will." Übst du das, einen Angreifer ganz nach deinem Wille sich bewegen zu lassen? Diese Aussage ist ein fast wörtliches Zitat einer Aussage von Ueshiba Morihei, der sagt, daß man die Kontrolle über den Angreifer übernimmt und ihn dann nach dem eigenen Willen frei bewegen kann. Wie macht man das der Ansicht nach?
- "... a staff or a wooden sword, it becomes as much a part of you as an arm or a leg. Therefore, in aikido what you are holding ceases to become a mere object." Übst du das, einen Stab oder ein Schwert zu einem Teil deines Körpers zu machen? Auch das ist eine Wiederholung einer Aussage von Ueshiba Morihei, der gesagt hat, daß Stab oder Schwert lebendig werden. Wie macht man das deiner Ansicht nach?
- "The opponent is left totally powerless, or rather, the opponent’s power is led in the direction you want to take him." Wie übst du das in einer statischen Situation? Auch das ist eine Zitat von Worten seines Vaters. Der hat damit einen Effekt beschrieben, den man statisch und idealtypisch ohne äußerliche Bewegung üben kann. Und auch Ueshbia Kisshomaru selbst hat das, was er hier beschreibt, u.a. statisch geübt. Er spricht hier nicht von ausweichen, durchlassen, umlenken. Sondern, der Angreifer wird vollkommen Kraft-los. Bzw. seine Kraft wird in eine Richtung gelenkt, die ich bestimme. Wie macht man das deiner Ansicht nach?
Auch aus meiner Sicht ist diese Aussage, die wohl die allermeisten der heute Übenden so teilen würden, ein fundamentales - vielleicht das fundamentale - Mißverständnis dessen, was aiki bedeutet.Zitat:
Für mich persönlich, ist das "keinen Widerstand leisten" eher ein für mich hilfreiches Bild der Übungsform Ki-no-nagare, ...
Denn gemeint ist, diese Widerstandslosigkeit in sich selber, innerhalb des eigenen Körpers zu erzeugen. Das ist ein Aspekt dessen, was mit masakatsu agatsu gemeint ist. Und diese Widerstandslosigkeit entsteht, wenn man auf der schwebenden Himmelsbrücke steht und Himmel und Erde verbindet.
Das ist etwas anderes, als ki no nagare.
Ein großer Teil der Aikidoka wird immer die freie Interpretation solcher Aussagen bevorzugen, weil es für sie den Aspekt der individuellen Entwicklungsmlglichkeit darstellt. Aikido ist dann beliebig interpretierbar, erweiterbar oder formbar.
Due Suche nach dem wahren Kern wird als engstirnig und konservativ angesehen...
Oder einfach als sonderbar
Ja doch. Das ist ja immerhin ein Interview mit 2 Zeitungs- oder Zeitschriften-Reportern. Und in diesem Teil des Interviews geht es darum, wie die Grundlagen des Aikido Anfängern unterrichtet werden.
Da ich den Eindruck habe, dass hier Zitate aus dem Zusammenhang gerissen wurden, hier der ganze Absatz aus dem Interview:
Es ist doch in vielen Sportarten so, dass für einen guten Sportler sein Sportgerät (subjektiv) zu einem Teil seiner selbst wird. Das gilt zum Beispiel für Tennisspieler, Golfspieler, Bogenschützen, Surfer, Gleitschirmpiloten. Für jemanden, der in Japan eine Schwertschule besucht, würde ich das als selbstverständlich voraussetzen. Mit Jo und Bokken habe ich selber allerdings dazu viel zu wenig (eigentlich fast keine) Erfahrung.Zitat:
Zitat von Kisshomaru Ueshiba
Hier redet Kisshomaru doch wohl eindeutig von einer dynamischen Situation, die mit einem Faust- oder Handkantenschlag (Yokumenuchi?) eingeleitet wird. Die Beschreibung der Iriminage-Technik klingt für mich wie etwas, was ich als Iriminage Omote kenne. Die Angriffsbewegung des Uke wird weitergeleitet und das Zusammenspiel als Ki-Fluss bezeichnet. Das ist für mich keine Esoterik, sondern einfache Physik: actio = reactio. Wenn das (in anderen Diskussion so genannte) "Blending" und Weiterleiten gelingt, dann wird der Angreifer in diesem Sinn bezüglich des Partners "kraftlos". Der letzte Satz beginnend mit "if you clash with you opponent’s power.." unterstützt meiner Meinung diese einfache Interpretation.
Es mag ja sein, dass das auch statisch möglich ist und dass Kisshomaru das auch beherrschte, aber das ist nicht das Thema in diesem Absatz.
Auch wenn ich mich wiederhole: ich kann mich auf Seiten wie https://www.aikidosangenkai.org/blog...bridge-heaven/ nachlesen, was es mit der Floating Bridge of Heaven auf sich hat, aber verstehen im Sinne es mit meinem Aikido-Üben und Unterricht zu verbinden, das ist für mich (zur Zeit?) nicht möglich.
Zitat:
The opponent is left totally powerless, or rather, the opponent’s power is led in the direction you want to take him.
@Aiki50+:Zitat:
Und in diesem Teil des Interviews geht es darum, wie die Grundlagen des Aikido Anfängern unterrichtet werden.
Also du meinst, das ist etwas, was Anfängern unterrichtet wird.
Dann solltest du es können.
Kannst du es? Kannst du einen Angreifer so bewegen, das
er "totally powerless" ist?
Mir scheint, im Jahr drauf.
Das mongolische Abenteuer, bei dem er die von Dir erwähnte Fähigkeit entdeckte, war 1924, da war er 41.
Das mit dem Traum finde ich nicht (war in einem analogen Medium ohne Volltextsuche, vielleicht ist meine Erinnerung auch falsch) aber hier wird von einer Erleuchtungserfahrung berichtet, die sich ereignete, als er schon die Erfahrung gemacht hatte, dass er die Absicht des Gegners spüren oder sehen konnte:
Im Alter von 42 Jahren erlebte er eine profunde Erleuchtungserfahrung, die ihn als Budóka unbesiegbar machte.
ich nehme mal an, das ist die hier beschriebene:
Im Frühling 1925 traf Morihei einen Marineoffizier, der auch Kendó-Meister war. Er nahm eine Herausforderung des Offiziers an und besiegte ihn, ohne eigentlich mit ihm gekämpft zu haben, da er jeweils vorher fühlen konnte, wohin das Holzschwert des Offiziers als nächstes schlagen würde. Unmittelbar nach dieser Begegnung badete er in einer Quelle, wobei er eine vollständige Klarheit von Körper und Geist verspürte. Plötzlich hatte er das Gefühl in goldenem Licht zu baden, das sich vom Himmel über ihn ergoss. Es war eine einzigartige Erfahrung für ihn, eine Art Offenbarung, und er fühlte sich wiedergeboren, als ob sein Körper und Geist aus Gold waren. Zur gleichen Zeit wurde ihm die Einheit des Universums mit dem eigenen Selbst klar, und er verstand der Reihe nach die anderen philosophischen Prinzipien, auf denen das Aikidó basiert.
http://www.shindojo.de/index.php/en/...orihei-ueshiba
Da das "totally powerless" mit "the opponent’s power is led in the direction you want to take him" verdeutlicht wird, scheint mir das nun keine Geheimtechnik zu sein, die Außenstehende bei Aikido nicht vermuten würden.
"Power" kann ja auch Macht heißen, und ich habe mich tatsächlich schon mal in einer Übung mit einem Aikidoka am Boden machtlos gefühlt, angesichts der Tatsache, dass er meine Aufstehbemühungen einfach so umleitete, dass ich in einer anderen Position am Boden landete.
Und ja, man kann auch in einem äußerlich "statisch" anmutenden Setting Kräfte umleiten und den anderen damit "machtlos" machen ohne jegliche Ahnung von Daoismus, Shintoismus, Buddhismus oder Aikido.
Das Prinzip kann man in bestimmten Settings auch Anfängern vermitteln.
Die Fortsetzung des Zitats hört sich für mich wie das Vermeiden von "Kraft gegen Kraft" und "die Kraft des Gegners verwenden" an.
Zitat:
So the more power the opponent has, the easier it is for you. On the other hand, if you clash with you opponent’s power you can never hope to win against a very strong person.
Man kann vieles innerhalb bestimmter Settings vermitteln Ki no nagare ist eben auch so ein "Setting".
Aber das ist nicht das, was gemeint ist.
Es ist nichts, worüber man in mythischen Metaphern reden würde, oder eine Beziehung zur kosmischen Ordnung herstellen würde, und es wäre auch nichts, was einen in Kampfkunstkreisen zu etwas besonderm machen würde.
Ich kenne das Interview. Mir war der Kontext der Zitate bewußt, als ich meine Erwiderung verfaßt habe.
Aber du schreibst darüber.Zitat:
Auch wenn ich mich wiederhole: ich kann mich auf Seiten wie https://www.aikidosangenkai.org/blog...bridge-heaven/ nachlesen, was es mit der Floating Bridge of Heaven auf sich hat, aber verstehen im Sinne es mit meinem Aikido-Üben und Unterricht zu verbinden, das ist für mich (zur Zeit?) nicht möglich.
Und triffst z.B. Feststellungen wie: "Es ist doch in vielen Sportarten so, dass für einen guten Sportler sein Sportgerät (subjektiv) zu einem Teil seiner selbst wird." Du hast oben geschrieben, dass die Linien, von denen ich sprach, in deinem Üben nicht vorkommen. Dennoch ist deine Behauptung hier, dass es in vielen Sportarten so ist, dass diese Linien über den Körper hinaus in das Sportgerät hinein und durch das Gerät hindurch weitergeführt werden und das Gerät so in das System dem Körpers integriert wird. So daß sich z.B. eine Spirale innerhalb eines Arms in dem Holz eines Schwertes oder offenbar auch dem Metall eines Schlägers fortsetzt. Und zwar ohne dass es eine äußerlich wahrnehmbare Bewegung gäbe.
Du kennst es nicht aus deinem Üben. Ein Verstehen ist dir - zur Zeit - nicht möglich. - Aber du diskutierst darüber und triffst Aussagen dazu.
Ich finde es schwierig bis unmöglich, darauf qualifiziert einzugehen. Es tut mir leid, dass meine Beiträge daher oft so konfrontativ geraten.
Mir erscheint diese Feststellung zutreffend. Menschen haben die Fähigkeit, ein "Gefühl" für Werkzeuge zu entwickeln, bis hin zu großen Maschinen wie Autos etc.
Wo spricht Aki50+ von Linien?
Wo spricht Ueshiba in dem Interview von Linien?
Letzterer spricht davon, dass man eine Technik, die er Anfängern lehrt auch mit einem Schwert oder Holzschert ausführen kann, wobei das Schwert als Verlängerung des Körpers
verwendet / erlebt wird.
natürlich kann man einen toten Gegenstand statisch in eine Torsionsspannung versetzen.
Z.B. wenn mit einem Schraubenzieher versucht, eine festsitzende Schraube zu lösen.
Das heißt nicht, dass sich irgendwelche tatsächlich vorhandenen anatomischen Strukturen sich in den Schraubenzieher wüchsen, oder es mehr als einen mechanischen Austausch zwischen Körper und Werkzeug gäbe.
Es würde mich überraschen, wenn irgendein Aikidoka Schmerzen empfindet, wenn man eine Stecknadel in sein Holzschwert steckt (ohne dass ihm das über weitere Sinne vermittelt würde), die Stelle anfängt zu bluten oder dass Holzschwert auf eine andere Art "lebendig" oder "Teil es Körpers" würde, als dass das Gehirn lernt, Bewegungen mit ihm entsprechend zu koordinieren oder es in das Körperschema integriert:
Tatsächlich gibt es Hinweise darauf, dass Werkzeuge ins Körperschema integriert werden – unser Gehirn nimmt sie dann so wahr, als wären sie Gliedmaßen. So zeigte ein Team um Atsushi Iriki von der Universität Tokio in Experimenten mit Makaken, dass schon nach fünfminütigem Werkzeuggebrauch ein bestimmter Nervenzelltyp seine Aktivität ändert. Diese so genannten bimodalen Nervenzellen feuern normalerweise, wenn wir Berührungen an der Hand spüren oder visuelle Reize in unmittelbarer Nähe der Hand wahrnehmen. Iriki und seine Kollegen trainierten die Affen darauf, Futter mit einer Harke zu sich heranzuziehen. Sobald die Tiere das eine Zeit lang gemacht hatten, reagierten ihre bimodalen Nervenzellen auf visuelle Reize, die nahe der Harke erschienen. Offenbar wurde das Gerät vom Gehirn als verlängerte Hand interpretiert.
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https://www.spektrum.de/news/du-gehoerst-zu-mir/1154915
Für die allgemeine Aussage, dass das Gehirn die grundlegende Fähigkeit hat, Werkzeuge so in das Körperschema zu integrieren, dass diese in bestimmten Aspekten wie ein Teil des eigenen Körpers wahrgenommen werden, muss man nicht jede einzelnes Werkzeug selbst in dieser Art und Weise erfahren haben oder überhaupt benutzen können.
Hallo,
:D
Wie findet Ihr diese Aussage aus dem Blog von Carine
Ist O Sensei wirklich der Vater des modernen Aikido?
Wenn nicht, welchen Lehren folgt Ihr?
Ja. Das ist aber etwas anderes als das Phänomen, von dem ich geprochen habe.
hierund hier
Ja. Das ist aber nicht das Phänomen, von dem ich oben gesprochen habe.
In der Tat läßt sicih das Bild / die Vorstellung, durch die man den eigene Körper steuert, auch in die Waffe hinein "auszudehnen" und sie auf diese Weise zu einem "Teil des Körpers" zu machen und "lebendig" werden zu lassen.Zitat:
Das heißt nicht, dass sich irgendwelche tatsächlich vorhandenen anatomischen Strukturen sich in den Schraubenzieher wüchsen, oder es mehr als einen mechanischen Austausch zwischen Körper und Werkzeug gäbe.
Ich denke neurologisch brtrachtet dürfte das aber kein Unterschied sein zu dem Phänomen, dass das Gehirn so etwas wie "Landkarten" produziert, und z.B. die Begrenzung eines Fahrzeugs an das man sich gewöhnt hat, als zum Körper gehörig erlebt wird, eine Ausdehnung der Sinneswarnehmung.
Was man dann damit macht, oder ob körperliche Vorgänge sich dann auch auf ein Gerät übertragen, ist vielleicht doch nicht völlig was anderes.
Sicher wird man aber innere Körpermechanik nicht auf ein Auto übertragen können, in dem man sitzt...
Ob ein Gerät als ein "verlängertes Sensorium" erlebt wird oder als eine "Verlängerung von Vektoren" mit deren Hilfe z.B. Kraft übertragen wird, ist meiner Erfahrung nach etwas grundlegend anderes, als Intent/Bild/Vorstellung über den eigenen Körper hinaus in ein Gerät hinein auszudehnen.
Hast du bei Dan die Waffenarbeit mitgemacht? Oder hast du bei einem fortgeschrittenen Inaba-Schüler erlebt, wie das, was bei "cork screw" heißt, in das Schwert hinein übetragen wird?