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Thema: Vitamine - Prophylaxe ???

  1. #1
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    Standard Vitamine - Prophylaxe ???

    Der Anfang beschreibt erstmal die Arten von Studien um zu erklären warum prospektive Studien Aussagefähiger sind, die Studien zu den Absätzen sind in Nummern dahinter angegeben und finden sich unten in den Quellen:

    Um Zusammenhänge zwischen Krebs und Ernährung zu untersuchen, werden verschiedene Studientypen herangezogen, die sich in ihrer Aussagekraft erheblich unterscheiden. Die wichtigsten epidemiologischen Studien sind Fall-Kontroll-, prospektive Kohorten- und Interventionsstudien:

    Fall-Kontroll-Studien vergleichen Krebskranke mit Gesunden oder mit Patienten, die nicht an Krebs leiden. Man befragt sie nach ihren Lebensgewohnheiten und nach der medizinischen Vorgeschichte und sucht nach Unterschieden, die das Krankheitsgeschehen erklären könnten. Diese Studien haben zahlreiche methodische Schwächen. So werden die Teilnehmer meist nach ihrer Diagnose (retrospektiv) befragt. Bei diesem Vorgehen schätzen Brustkrebspatientinnen z.B. ihre Kalorienaufnahme bis zu 45% höher ein, als wenn sie vor der Diagnose befragt werden (37).
    Prospektive Kohortenstudien haben mehr Aussagekraft, weil sie begleiten und nicht erst im Nachhinein die Hypothese formulieren: Man befragt eine große Anzahl von Menschen über ihre Ess- und Lebensgewohnheiten, beobachtet sie über viele Jahre und vergleicht dann ihre Krankheiten bzw. die Todesursachen. Dennoch liefern auch prospektive Studien nur Korrelationen und keine Belege für ursächliche Zusammenhänge.
    In Interventionsstudien werden Substanzen, die man für Krebsschutzstoffe hält, am Menschen ausprobiert. Dieser Studientyp erlaubt eine Aussage darüber, ob der getestete Stoff in der verabreichten Dosis die gewünschte Wirkung entfaltet. Problematisch ist, dies auf Lebensmittel zu übertragen, die viel komplexer zusammengesetzt sind und in denen die fraglichen Substanzen meist in viel niedrigeren Mengen vorliegen.
    Die folgende Bewertung stützt sich - soweit vorhanden - auf Interventions- und prospektive Kohortenstudien, die signifikante Ergebnisse erbrachten. Ein Studienergebnis ist dann statistisch signifikant, wenn der Vertrauensbereich den Wert 1 ausschließt. Nur in diesem Fall handelt es sich mit 95%iger Wahrscheinlichkeit nicht um einen Zufallstreffer. Ein Beispiel: Ein relatives Risiko beträgt 0,7 und ist somit um 30% gesunken. Wird der Vertrauensbereich jedoch mit 0,4 - 1,2 angegeben, ist das Ergebnis dennoch nicht signifikant. In der epidemiologischen Literatur wird dies oft nicht beachtet.

    Vitamin C: aktiviert Krebsauslöser
    Hsieh, SE et al: The effect of Vitamin C on N-acetyltransferase activity in Klebsiella pneumoniae.
    Food and Chemical Toxicology 1997/35/S.1151-1157
    Vitamin C soll vor Krebs schützen, indem es z.B. die Nitrosaminbildung verhindert. Versuche mit dem Darmkeim Klebsiella zeigten nun, daß auch das Gegenteil der Fall sein kann: Vitamin C erhöht die Aktivität der bakteriellen N-Acetyltransferase stark. Das Enzym verwandelt mit der Nahrung aufgenommene Arylamine in aktive Krebsauslöser.
    DNA-Schäden durch Vitamin C
    Podmore, ID et al: Vitamin C exhibits pro-oxidant properties. Nature 1998/392/S.559
    Was EU.L.E.n-Spiegel-Leser schon lange wissen (1995/H.2/S.1-8), wird durch immer mehr Studien belegt: Antioxidative Vitamine können ebenso gut prooxidativ wirken. Ein Team von der britischen Universität Leicester verabreichte 30 gesunden Versuchspersonen 6 Wochen lang täglich ein halbes Gramm Vitamin C. Auf der Suche nach DNA-Schäden in den Lymphozyten zeigte sich ein paradoxer Effekt: Während ein Marker für oxidative Schäden (8-oxo-Guanin) signifikant sank, nahm ein anderer (8-oxo-Adenin) signifikant zu.
    Angesichts der gängigen Praxis, auch hochdosierte Vitamin-C-Präparate als gesunde Antioxidantien zu bewerben und zu verkaufen, warnen die Autoren vor den prooxidativen Effekten: Die fein abgestimmte Balance der körpereigenen Abwehrfunktionen kann gestört werden, was oxidative Schäden fördert und Krankheiten Vorschub leistet.
    Anmerkung: Eine schlüssige Erklärung steht aus. Möglicherweise kommt es durch die Vitaminzulage zu einer Verschiebung der oxidativen Schutzmechanismen. Plausibler ist jedoch, daß Vitamin C je nach Redoxpotential beim einen Reaktionspartner antioxidativ und beim anderen prooxidativ wirkt.
    Prof. Berthold Gaßmann, Präsidiumsmitglied der DGE, echauffierte sich darüber, daß die veröffentlichten Befunde noch nicht bis ins letzte Detail erklärt sind und daß die "gesundheitliche Relevanz" der Beobachtungen "nicht einmal ansatzweise" diskutiert würde. Man wisse zwar um die prooxidativen Effekte von Vitamin C, doch sei der Presserummel um diese Befunde "verantwortungslos" (Ernährungs-Umschau 1998/45/S.155). Als die Finnland-Studie veröffentlicht wurde (EU.L.E.n-Spiegel 1995/H.2/S.1-6) schwieg die DGE, obwohl die "gesundheitliche Relevanz" evident war: ß-Carotinsupplemente führen bei Rauchern zu mehr Todesopfern als Rauchen allein. Zum gleichen Ergebnis kam die prospektive CARET-Studie, und mittlerweile warnt auch das BgVV Raucher vor Carotin.
    Ob jung, ob alt: kein Nutzen durch Q10
    Laaksonen, R et al: Ubiquinone supplementation and exercise capacity in trained young and older men. European Journal of Applied Physiology 1995/72/S.95-100
    Da Coenzym Q10 vor allem älteren Menschen als Leistungsförderer empfohlen wird, verglich das finnische Forscherteam die Effekte einer jeweils 6wöchigen Supplementation mit 120 mg Q10 oder Placebo auf jüngere (< 40 J.) und ältere (> 60 J.) gut trainierte Sportler. Durch die Supplemente stiegen zwar die Q10-Spiegel im Blut, die Gewebekonzentrationen ließen sich jedoch nicht beeinflussen. Ebensowenig stieg die Ausdauerleistung während des aeroben Trainings. Im Gegenteil, Junge wie Alte hielten ohne Q10 sogar länger durch.
    Anmerkung: Interessanterweise hatten die älteren Männer stets mehr Q10 im Blut. Demnach stimmen die Werbeaussagen nicht, wonach die Q10-Spiegel ab 40 sinken und Supplemente nötig sind.
    Die gängigsten Regeln
    Ratschläge zur Krebsprävention beinhalten meistens die folgenden Ernährungsempfehlungen:
    • mehr Obst und Gemüse essen
    • mehr ballaststoffreiche Lebensmittel, insbesondere Vollkornprodukte essen
    • weniger salziges und "rotes" Fleisch essen
    • Fettzufuhr auf weniger als 30 Energie% senken
    • Übergewicht vermeiden bzw. abbauen
    • keinen oder wenig Alkohol trinken
    Manche Organisationen wie die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) legen darüber hinaus besonderen Wert auf eine ausreichende Zufuhr der antioxidativen Vitamine C, E und ß-Carotin, um "präventive Plasmakonzentrationen" sicherzustellen (31). Doch wie gut sind solche Ernährungsregeln belegt?
    Vitamine: die Antioxidantien-Hypothese
    Vielleicht wirken aber jene Stoffe protektiv, die in pflanzlichen Lebensmitteln in wechselnden Mengen enthalten sind und die schon lange als "gesund" gelten: die Vitamine. Grundannahme der Antioxidantien-Hypothese ist, dass Krebs aufgrund von "oxidativem Stress" durch freie Radikale entsteht. Freie Radikale sind aggressive Moleküle, die Zellmembranen und die Erbsubstanz (DNS) schädigen können. Antioxidantien, allen voran die Vitamine C und E sowie die Vitamin-Vorstufe ß-Carotin, sollen die aggressiven Radikale abfangen und so vor Krebs schützen.

    Carotin fördert Lungenkrebs
    Vor allem das ß-Carotin hatte es den Krebsforschern angetan: Es kommt in vielen Obst- und Gemüsesorten vor und galt als völlig ungefährlich. Tatsächlich gab es Hinweise darauf, dass es vor Lungenkrebs schützt: In einigen Studien waren niedrige ß-Carotin-spiegel im Blut mit höheren Krebsraten einhergegangen (57, 128). Auch Labor- und Tierexperimente (4, 49) sowie einige Fall-Kontroll-Studien (z.B. 23, 30, 81) lieferten viel versprechende Ergebnisse. Die prospektiven Studien zeigten immerhin einen Trend zu sinkenden Krebsraten, der jedoch nur selten signifikant war (75, 84, 101, 124, 125, 131). In diesen Studien wurde allerdings nicht etwa die ß-Carotinzufuhr gemessen, sondern der Obst- und Gemüseverzehr erfragt. Daraus berechnete man die mutmaßlich gegessene ß-Carotinmenge. Da es für ß-Carotin lange keine Analysendaten gab (13, 150), kann man sich leicht vorstellen, von welcher Qualität die Studienergebnisse sind.
    Dennoch machte man die Probe auf´s Exempel und begann, in Interventionsstudien ß-Carotin in Pillenform an Risikogruppen wie Raucher zu verabreichen, um sie vor Lungenkrebs und frühem Tod zu schützen. Die drei sehr sorgfältig durchgeführten, doppelblinden Untersuchungen fielen jedoch katastrophal aus:
    • In der sogenannten Finnland-Studie mit 30.000 Rauchern (134) kam es zu signifikant mehr Lungenkrebs, wenn die Teilnehmer täglich 20 mg ß-Carotin eingenommen hatten: Die Lungenkrebsrate stieg um 18%, die Gesamtsterblichkeit um 8%.
    • Bei der CARET-Studie (103) wurden 30 mg ß-Carotin täglich an rund 18.000 Raucher und Asbestarbeiter verabreicht. Da auch hier die Anzahl der Lungenkrebsfälle (17%) und die Lungenkrebs-Sterblichkeit (46%) signifikant stiegen, brach man die Studie vorzeitig ab.
    • An der Physicians Health Study (60) nahmen 22.000 Ärzte teil, von denen nur 11% rauchten. Sie alle erhielten jeden zweiten Tag 50 mg ß-Carotin oder Placebo. Nach 12 Jahren fand sich keinerlei Auswirkung, weder auf das Krankheitsgeschehen, noch auf die Gesamtsterblichkeit.
    Die Interventionsstudien zeigen deutlich, dass ß-Carotin-Supplemente Risikogruppen wie Rauchern schaden und anderen nichts nützen. Einer der Autoren der Physicians Health Study bemerkt enttäuscht, dass die Studienergebnisse "jede noch verbliebene Hoffnung darauf, dass ß-Carotin-Supplemente, zumindest für Erwachsene, ein effektives Mittel seien, um das Risiko für Krebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen zu senken, im Keim ersticken". Die Resultate "senden eine klare Botschaft an die Öffentlichkeit, und die zig Millionen Dollar, die jedes Jahr für ß-Carotin-Supplemente ausgegeben werden, sollten nützlicheren Zwecken zufließen" (103).

    Wie konnte das passieren?
    Die Bildung von Radikalen ist ein für den Körper lebenswichtiger Vorgang. Er nutzt sie z.B. zur Energiegewinnung und zur Krankheitsabwehr. Um Schaden zu verhüten, laufen die betreffenden Redox-Reaktionen kontrolliert und stufenweise ab. Gibt man von außen einzelne Antioxidantien zu, läuft dieses fein abgestimmte System Gefahr, aus den Fugen zu geraten: Ein Teil der körpereigenen Redox-Systeme wird reduziert, der andere Teil oxidiert, wobei freie Radikale in großer Menge entstehen (62).
    Antioxidantien werden seit Jahrzehnten Lebensmitteln und Kunststoffen zugesetzt, um deren Haltbarkeit zu verlängern. Damit sie in den unterschiedlichsten Medien als "Radikalfänger" wirksam werden können, müssen stets die gleichen Bedingungen erfüllt sein (EU.L.E.N-SPIEGEL 1995/H.2/.1-6):
    • Erstens muss vorher ausgetestet werden, welche Antioxidantien gegen welche radikalischen Reaktionen wirksam sind. Nicht nur Arzneimittel, auch Antioxidantien wirken spezifisch.
    • Zweitens muss das Antioxidans in niedriger Dosierung zugesetzt werden. In Megadosen wirken Antioxidantien stets prooxidativ, d.h. sie beschleunigen radikalische Reaktionen.
    • Drittens muss das Medium frei von Sauerstoff und Eisen sein. Um geringste Eisenspuren zu binden, ist der gleichzeitige Zusatz von Synergisten erforderlich. Anderenfalls wird die Radikalbildung abermals gefördert und das Material bzw. das Gewebe geschädigt.
    Blut ist reich an Eisen, und in der Lunge kommen große Mengen Sauerstoff dazu - für ß-Carotin offenbar ideale Bedingungen, um Radikale zu bilden und das ohnehin angegriffene Lungengewebe von Rauchern zu schädigen (61, 62, 102).
    So lassen sich auch die niedrigen Plasma-Spiegel bei Rauchern einordnen: Da Raucher ihre Lungen ohnehin oxidativem Streß aussetzen und ß-Carotin hier zusätzliche Schäden anrichten kann, senkt der Körper zu seinem Schutz die ß-Carotinmenge im Blut ab. Das würde erklären, dass Raucher niedrige ß-Carotinspiegel brauchen und warum Carotin-Supplemente bei ihnen Lungenkrebs fördern (137).

    Vitamin C: kein Schutz vor Krebs
    Vitamin C soll vor allen möglichen Krebsarten schützen. Wer nach epidemiologischen Belegen für diese Hypothese sucht, wird jedoch kaum fündig. Zum Thema Lungenkrebs fanden nur drei (84, 75, 130) von sechs prospektiven Kohortenstudien ein signifikant vermindertes Risiko, davon eine nur bei Nichtrauchern (75) und eine nur bei Frauen (130). In fünf von sechs Studien ließ sich demnach bei männlichen Rauchern kein Zusammenhang herstellen.
    Aufgrund seiner antioxidativen Eigenschaften und seiner Fähigkeit, die Bildung von Nitrosaminen zu unterbinden, soll Vitamin C auch vor Magenkrebs schützen. Hierzu liegen nur zwei prospektive Studien vor: Eine fand keinen Zusammenhang (26), das Ergebnis der anderen ist nicht signifikant (155).

    Vitamin E: Nutzen fraglich
    Zu Vitamin E und Krebs liegt nur eine Interventionsstudie vor (134). Deren einziges signifikantes Ergebnis ist ein vermindertes relatives Risiko bei Prostatatumoren in einem frühen Stadium. Allerdings nahm die Gesamtsterblichkeit in dieser Studie nicht ab: Zwar sank das Risiko, einem Prostatatumor zu erliegen, dafür starben mehr Teilnehmer an hämorrhagischen Hirninfarkten, weil das Vitamin E die Blutungsneigung erhöht.
    Außerdem scheinen Krebszellen in der Lage zu sein, das Gleichgewicht zwischen oxidativen und antioxidativen Substanzen in ihrer Umgebung zu ihren Gunsten zu verschieben. So fand man besonders bei Patientinnen mit aggressiven Brusttumoren erhöhte Vitamin-E-Spiegel und weniger Oxidationsprodukte als bei Gesunden (46). Damit würde ein eventueller antioxidativer Effekt nur dem Tumor zugute kommen.

    Vorsicht Megadosen
    Weder Vitamin C und E noch ß-Carotin haben die in sie gesetzten Hoffnungen als Krebsschutzstoffe erfüllen können. Im Gegenteil: Megadosen dieser vermeintlichen "Antioxidantien" überfluten den Körper mit Radikalen, insbesondere in Anwesenheit von Eisen. Besonders gefährdet sind Menschen, die zu gut gefüllten Eisenspeichern neigen (61). Zumindest ihnen und allen Rauchern ist daher dringend von Vitaminpillen abzuraten. Wahrscheinlich beruht die vereinzelt beobachtete therapeutische Wirksamkeit von Megadosen auf der massiven Bildung aggressiver Radikale, die z.B. auf Krebszellen zytostatisch wirken.

    Zusammenfassung und Ausblick
    Auf der Suche nach Maßnahmen zur Krebsprävention wird die Ernährung intensiv erforscht. Viele bisher durchgeführte Studien unterliegen nicht nur erheblichen methodischen Mängeln, sie sind schon von ihrer Idee her ungeeignet: Sie gehen davon aus, dass einzelne Parameter, wie etwa der Fettverzehr, einen fest umrissenen Nutzen oder Schaden haben, der sich durch eine Ernährungsumstellung vorteilhaft verändern lässt. Bei dieser Sichtweise bleiben elementare Eigenschaften von Menschen, Lebensmitteln und der Krankheit Krebs unberücksichtigt:
    Die individuellen Risikoprofile der Menschen unterscheiden sich erheblich, schon aufgrund ihrer genetischen Veranlagung, ihres Alters und Geschlechts, der Zahl ihrer Kinder, der Cancerogenbelastung am Arbeitsplatz, der körperlichen Aktivität, der Darmflora und der Enzymausstattung. Man weiß heute, dass cancerogene Stoffe von Mensch zu Mensch unterschiedlich schnell und effektiv aktiviert oder entgiftet werden (70).
    Lebensmittel sind komplexe Systeme, deren Inhaltsstoffe miteinander und mit der Darmflora in Wechselwirkung treten. Zudem ändern sich ihre Eigenschaften durch Verarbeitungsverfahren wie Würzen, Marinieren, Fermentieren, Kochen und Backen. Welchen Einfluss z.B. die Küchentechnik auf unsere Gesundheit hat, ist bis heute nur bruchstückhaft erforscht.
    Krebs ist das Paradebeispiel für eine multikausale Erkrankung, denn es müssen in der Regel zahlreiche Faktoren zusammentreffen, bis ein Tumor entsteht. Die Ernährung kann in diesem "Puzzle" nur ein Teil von vielen sein und sollte nicht überbewertet werden. Zumal unbeschwertes Essen und Trinken auch ein ein gutes Stück Lebensqualität ausmachen.
    Mit dem "western lifestyle" steigt nicht nur die Lebenserwartung, es kommt auch zu charakteristischen Veränderungen im Krankheitsspektrum einer Gesellschaft. Dieser Lebensstil - viel essen, wenig bewegen, kaum Tageslicht - führt offensichtlich bei dem Teil der Bevölkerung, der genetisch vorbelastet ist, zu einer Stoffwechselsituation, die Krebs begünstigt. Vor allem die Bedeutung des in Industrienationen verbreiteten Mangels an Tageslicht sollte dringend erforscht werden.
    Detaillierte Ernährungsempfehlungen zur Krebsprophylaxe können erst dann gegeben werden, wenn epidemiologische oder klinische Studien gezeigt haben, dass der versprochene gesundheitliche Nutzen auch tatsächlich eintritt. Die bisherigen Ergebnisse sind mager: Raucher sollten vor ß-Carotin-Präparaten gewarnt werden und Menschen, die erblich bedingt zu hohen Eisenspeichern neigen, muss dringend von der Einnahme von Vitamin C abgeraten werden. Letztere profitieren möglicherweise auch von einer betont pflanzlichen Ernährung, weil der Körper das darin enthaltene Eisen schlechter verwerten kann.
    Das Beispiel der Phytoöstrogene zeigt, daß es darauf ankommt, wie die Lebensmittel verarbeitet werden und wie sie die Damflora verstoffwechselt. Da manche ballaststoffreichen Lebensmittel erst nach einer Fermentation die tatsächlichen Wirksubstanzen oder jene Vorstufen enthalten, die es der Darmflora ermöglichen, die eigentlichen Schutzstoffe zu erzeugen, tauchen gelegentlich auch Korrelationen mit Ballaststoffen, Obst, Gemüse und Getreide auf.
    Solange gesicherte Erkenntnisse fehlen, sollte die Bevölkerung von allgemeinen Ratschlägen wie "wenig Fett, wenig Salz, wenig Fleisch" besser verschont werden. Zumal sich abzeichnet, dass andere Faktoren wie Bewegung und Licht bessere Ansatzpunkte bieten. Die meisten Ernährungsregeln haben keine wissenschaftlich begründete Basis. Sie bedeuten nicht nur eine unnötige Einschränkung der Lebensqualität und die Vernichtung volkswirtschaftlichen Kapitals, sie können den Menschen auch schaden. Und sei es "nur", dass die Krebsangst steigt, weil ein "verbotenes" oder "ungesundes" Lebensmittel gern gegessen wird.


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  2. #2
    kk-nupp Gast

    Standard

    Sehr interessanter Beitrag.
    Nur einen Kritikpunkt habe ich dabei: Wenn eine Substanz als Radikalfänger definiert ist, hat sie ein entsprechendes Redoxpotential: Sie wird oxidiert, der Reaktionspartner reduziert. Diese Eigenschaft hängt natürlich vom Reaktionspartner ab, Kaliumpermanganat (KMnO4) wird sich kaum noch oxidieren lassen, während Braunstein (MnO2) oxidiert und reduziert werden kann.

    <quote>
    • Erstens muss vorher ausgetestet werden, welche Antioxidantien gegen welche radikalischen Reaktionen wirksam sind. Nicht nur Arzneimittel, auch Antioxidantien wirken spezifisch.
    • Zweitens muss das Antioxidans in niedriger Dosierung zugesetzt werden. In Megadosen wirken Antioxidantien stets prooxidativ, d.h. sie beschleunigen radikalische Reaktionen.
    • Drittens muss das Medium frei von Sauerstoff und Eisen sein. Um geringste Eisenspuren zu binden, ist der gleichzeitige Zusatz von Synergisten erforderlich. Anderenfalls wird die Radikalbildung abermals gefördert und das Material bzw. das Gewebe geschädigt.
    </quote>

    zu erstens: Alleinige Kennzahl zur Beurteilung ist das Redoxpotential. Reaktionspartner lassen sich in vitro einfach identifizieren, und eine Reaktion über Rezeptoren wie bei Arzneimitteln ist mir zumindest nicht bekannt. Natürlich mag das ein oder andere Enzym beteiligt sein, aber dessen Redoxpotential liegt dann zwischen dem der beiden Reaktionspartner. (Bsp. Katalase zur Entsorgung von Peroxiden...)
    zu zweitens: Hanebüchen. Wiederum spielt der Begriff Redoxpotential eine große Rolle. Die Anzahl der Moleküle ändert daran gar nichts. Wenn ich großen "oxidativen" Stress mit großen Mengen Vitamin C bekämpfe, könnte es höchstens sein, daß mein Körper mit dem ganzen oxidierten Vitamin C nicht zurecht kommt. Was aber nicht heißt, daß es nichts genutzt hätte....
    zu drittens: zerschneidet man einen Apfel und beträufelt die Schnittstellen mit Vitamin C (Zitronensaft) , erfolgt für bestimmte Zeit keine Verfärbung, obwohl freie Sauerstoffradikale mit der Oberfläche in Kontakt kommen; und zwar so lange, bis alle Vitamin C-Moleküle verbraucht sind. Sauerstoff und Eisen (II) kommen aber überall im Blut vor, genauso wie in unserer Atemluft und in fast jeder Mahlzeit. Im Zusammenhang mit Eisen von Synergisten zu reden, ist vollständiger Unsinn. Letzten Endes sind weder Eisen-(III) noch theoretische Ascorbinsäureradikale oder -oxidationsprodukte verantwortlich, sondern die Verbindungen, die als Reaktionspartner für die Bildung solcher Spezies verantwortlich sind... Also z.b. "ranziges" Fett oder im allgemeinen sog. "freie Radikale" o.ä.

    Wenn jemand sein Auto gegen die Wand fährt, war wohl nicht nur das Blech scheisse; der Überbringer der schlechten Nachricht ist nicht der Verursacher...

    Aber Moni wird uns sicher auch noch was dazu erzählen..

  3. #3
    sprüngli Gast

    Standard

    *aus der versenkung hol*

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