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Thema: Einige Grundbegriffe des SYSTEMA

  1. #1
    Andreas Weitzel Gast

    Standard Einige Grundbegriffe des SYSTEMA

    Hallo,

    hier sind einige der Grudbegriffen der Russischen Kampfkunst SYSTEMA.

    Die Atmung:

    Die richtige Atmung ist die wichtigste Voraussetzung dafür, daß der Körper und die Psyche eines Menschen optimal funktionieren.

    Man atmet durch die Nase ein, um zu gewährleisten, daß die eingeatmete Luft die richtige Temperatur und Feuchtigkeit hat. Und man atmet durch den Mund aus, um die Überhitzung zu vermeiden.

    Man atmet gleichmäßig, so daß das Einatmen und das Ausatmen gleich lang sind, und ununterbrochen, um den Mangel an Sauerstoff zu vermeiden. Wenn die Sauerstoffzufuhr zu dem Gehirn und dem Herz immer wieder unterbrochen wird, kommt es zu Angstgefühlen (psychische Verkrampfungen), die körperliche Verkrampfungen auslösen (z.B. viel zu sehr angespannte Muskulatur). Diese Kettenreaktion führt schließlich dazu, daß man sich ganz der Panik verfällt, oder daß man ausrastet. Beides bedeutet den Verlust der Kontrolle über sich selbst und der Situation.

    Die Atmung soll immer an die körperliche/psychische Belastung angepasst werden. Je größer die Belastung ist, desto kürzer und intensiver ist die Atmung. Dabei soll sie mit der Bewegung übereinstimmen und sie sogar leiten. Dies bedeutet, daß die Atmung immer vorausgeht, und die Bewegung ihr folgt. Man soll mit dem ganzen Körper atmen, d.h. daß man in den ganzen Körper einatmen und aus dem ganzen Körper ausatmen soll. Auf diese Art und Weise sorgen wir für die Ganzheit des Körpers und der Bewegung.

    Außerdem kann man mit einer solchen Atmung (verbunden mit bestimmt An- und Entspannungen der Muskulatur) Verletzungen bzw. Verspannungen an dem eigenen Körper feststellen, sie beseitigen bzw. heilen, die Körpertemperatur, den Bluthochdruck und den Herzschlag/Puls regulieren und steuern.

    Mit Atemübungen kann man außerdem Herz-/Kreislaufkrankheiten, sowie Krankheiten des Nervensystems heilen. Genauso werden damit Knochen, Gelenke, Sehnen und Muskeln "repariert".

    Im Kampf ist die richtige Atmung die Grundlage für eine ruhige und ausgegliechene Psyche und kontrollierte, lockere, fließende und ununterbrochene Bewegungen. Sie erlaubt uns, Schläge und Tritte mit minimalem Krafteinsatz und maximaler Wirkung auszuführen, sowie die Wirkung der gegnerischen Treffer zu "neutralisieren" oder aus Hebel-/Würgegriffen unbeschadet und schnell herauszukommen.

    Die richtige Atmung ist somit die wichtigste Voraussetung für die Funktionsfähigkeit unseres Körpers und unserer Psyche.


    Die Form:

    Damit meint man die Körperhaltung, die Bewegungskultur und Körperbeherrschung.

    Zur Körperhaltung: Das Zauberwort hier ist GLEICHGEWICHT. Am wichtigsten ist, daß der Rücken stets gerade bleibt. Der Kopf wird nicht nach unten gesenkt, sondern gerade gehalten. Die Schulter- und die Hüftenlinie sind stets horizontal und parallel zum Boden. Die Wirbelsäulenlinie ist dagegen immer vertikal und senkrecht zum Boden. Die Muskeln sind immer entspannt und locker. Die Knie sind leicht angewinkelt. Die Füße stehen vorzugsweise schulterbreit und auf der gesamten Fußsohle.

    Die Bewegungskultur beinhaltet viele Aspekte. Am wichtigsten ist wieder das Gleichgewicht. Man achtet immer darauf, daß die Bewegung mit der Atmung übereinstimmt (siehe Atmung). Alle Bewegungen sind ununterbrochen, gleichmäßig, fließend, ruhig, entspannt, locker.

    Die Schritte sind kurz, um nicht aus der Form zu fallen. Die Füße sollen dabei möglichst unter dem Körper bleiben. Wenn man Schritte macht, bewegt sich jeder Fuß selbständig und wird nicht nachgezogen. Dabei bewegt sich der gesamte Körper als ein Ganzes. Bei den Schritten ist immer darauf zu achten, daß die Fußsohlen möglichst viel Kontakt mit dem Boden haben. Wenn man z.B. geht, läuft oder rollt, soll das Gefühl und der Eindruck entstehn, daß das eine einzige Bewegung ist. Die Bewegungen werden niemals ruckartig ausgeführt.

    Beim Rollen und Fallen ist stets darauf zu achten, daß man absolut leise bleibt. Dies zwingt einen, die Rollen sehr entspannt und weich auszuführen, und sichert, daß man sich beim Fallen nicht verletzt.

    Falsch ist, wenn man versucht, etwas (z.B. Schlagen, Treten, Werfen etc.) mit Kraft auszuführen. Kraft und Schnelligkeit sind Fähigkeiten, die sehr schnell verloren gehen können, z.B. durch Krankheit, Verletzung, Verwundung, Erschöpfung usw. Daher wird empfohlen, zu lernen, wie man seine Bewegungen ohne diese Fähigkeiten effektiv ausführt (was natürlich nicht heißt, daß man sie nicht trainieren soll). Bei jeder Bewegung soll man möglichst wenig Muskeln einsetzen; das heißt, daß alle Bewegungen äußerst ökonomisch und sparsam sein sollen.

    Zur Körperbeherrschung: Nicht der Körper soll bestimmen, was wir tun, sondern umgekehrt. Als Erstes lernt man, die An- und Entspannung der Muskeln bewußt zu steuern. Das heißt, daß man fähig sein soll, die Reihenfolge und die Geschwindigkeit der An-/Entspannung zu bestimmen. Diese Fähigkeit kann man soweit entwickeln, daß man dies sogar innerhalb von einem einzelnen Muskeln machen kann.

    Diese Fähigkeit baut man in der Bewegung aus, so daß der Körper sich in jede Richtung bewegen (auch auf dem Boden) und diese auch jederzeit ändern kann. Ohne das Gleichgewicht und die Qualität der Bewegung zu verlieren. Der Körper muß fähig sein, sich als ein Ganzes zu bewegen. Gleichzeitig muß sich jedes einzelne Körperteil selbständig bewegen können.

    Alle Bewegungen werden so ausgeführt, daß man weder sich selbst, noch den Gegner belastet bzw. unter Druck setzt.


    Der Zustand:

    Darunter verstehen wir unseren psychischen, mentalen, geistigen und seelischen Zustand. Bleiben wir doch zunächst bei der Psyche. Für sie gelten eigentlich die selben Regeln, wie für den Körper. Unsere Psyche muß stets entspannt, locker, ruhig bleiben. Wir müssen sie jederzeit kontrollieren können. Wenn die Psyche sich verkrampft, indem wir Angst, Zorn, Wut, Panik, Kummer o.ä. verspüren, verkrampft sich gleichzeitig der Körper. Die Muskeln werden angespannt. Unsere Bewegungen werden steif, grob oder hektisch, chaotisch. Das passiert meistens dann, wenn die Atmung falsch ist (siehe Atmung).

    Auf der anderen Seite wird unsere Psyche von Bewegungen beeinflußt, die wir ausführen. Wenn man seine Bewegungen immer wieder unterbricht, Muskeln unnötig anspannt, sich immer von einer Position zu der anderen bewegt, anstatt zu "fließen", wirkt sich das negativ auf die Psyche. Man wird nervöser, härter, hektischer, manchmal brutaler. Und dann geht das Ganze von vorne los. Man denkt so, wie man sich bewegt. Man bewegt sich so, wie man denkt.

    Man soll darauf achten, daß sowohl der Körper, als auch die Psyche sich im Gleichgewicht befinden. Man darf sich in Extremsituationen nicht von Emotionen leiten lassen, sondern soll stets einen kühlen Kopf bewahren und überlegt handeln.

    Auch darf man NIE die Grenze der menschlichen Vernunft überschreiten, indem man einen anderen Menschen (sei es auch einen Angreifer) unnötig verletzt oder gar tötet. Jeder soll die Verantwortung für seine Taten übernehmen und tragen. Umso mehr soll man sich dieser Verantwortung bewußt sein, wenn man das Wissen darüber besitzt, wie man einen Menschen effizienter verletzen kann.


    Faustkampf:

    1) Körperhaltung: Aufrechte Körperhaltung mit geradem Rücken; das Kinn wird gerade gehalten; Schulter und Hüften sind waagrecht; die Wirbelsäule senkrecht; entspannte Muskulatur; Füße stehen schulterbreit; Knie leicht gebeugt; das Gewicht ist auf beiden Füßen gleichmäßig verteilt; Hände entweder unten, seitlich vom Körper oder vor dem Körper (Brustkorb)...

    2) Schrittarbeit: Lockere, entspannte Schritte; die ganze Fußsohle hat festen Kontakt mit dem Boden; jeder Fuß macht seinen eigenen Schritt (Füße werden nicht nachgezogen)...

    3) Verteidigung: Bei jedem Angriff verläßt man die Angriffslinie; dann läßt man den gegnerischen Schlag einfach vorbei gehen, oder man leitet ihn mit Händen, Unterarmen, Ellenbogen, Schultern oder mit dem Körper weiter; eine beliebte Alternative zum Weiterleiten ist der direkte Angriff zu gegnerischen Extremitäten oder zum gegnerischen Körper...

    4) Schläge: Man schlägt vorwiegend mit der Faust, aber auch mit Handfläche, -rücken und -kante, sowie mit Ellenbogen und Schultern; man schlägt vorzugsweise auf weiche Körperteile (Muskeln); die Schläge sind sehr entspannt und werden mit minimalem Krafteinsatz und einer Kreis- bzw. Ellypsenbewegung ausgeführt; die Faustschläge werden nur mit dem Arm ausgeführt, ohne Einsatz von Schultern, Hüften und Körper; der Arm wird nicht durchgestreckt; bei Faustschlägen bleibt das Handgelenk immer fest und gerade, die Verlängerung der Gerade zwischen der Faust und dem Ellenbogen geht immer am eigenen Körper vorbei, niemals durch den Körper; die Trefferfläche ist die gesammte vordere Faustfläche; die Faustschläge können sowohl oberflächig, als auch tiefwirkend sein...

    Die Muskelkraft spielt dabei keine Rolle. Es ist sogar erwünscht, daß man ohne Kraft schlägt. Die Wirkung wird eben durch die anderen Faktoren erzielt: Lockerheit, entspannte Muskulatur (besonders Schulter), präziser Treffer (die gesamte Faust "saugt" sich an den gegnerischen Körper), direkte Impulsübertragung durch das absolut gerade und feste Handgelenk, Vermeiden des Kraftverlustes beim Rückschlag, perfektes Zusammenspiel zwischen Atmung und Bewegung (Schlag)...


    Kontaktlose Arbeit:

    Fangen wir doch mal mit dem Begriff "kontaktlose Arbeit" an. Für mich gibt es zwei Varianten des kontaktlosen Kampfes:

    1) Das Ziel ist, den anderen nicht zu verletzen. Man führt Schläge und Tritte in der Luft aus, es gibt Kampfrichter und Wettkampfregeln usw. Das ist ein Sport, wie jeder andere (z.B. Eiskunstlauf), in dem man Medaillen und Pokale gewinnt.

    2) Wenn ein erfahrener/geübter/kluger Kämpfer versteht, daß es für ihn gerade eben bequem war, aber plötzlich befindet er sich in einer Stuation, aus der er nur durch "fliegen" (fallen, abrollen etc.) herauskommen kann (sonst wird es noch schlimmer für ihn), und macht eine Bewegung, die für Außenstehende wie ein Sturz nach einem "kontaktlosen Schlag/Tritt/Wurf" ausieht.

    Einem Unerfahrenen/Ungeübten/Unklugen kann man eine kleinere (wenn er zum Lernen kommt) oder auch größere (wenn er kämpfen oder etwas beweisen will) Lektion verpassen.

    Im Systema reden wir von der zweiten Variante.

    Die Leute fallen, weil ihre Schutzreflexe eingeschaltet werden. Da es aber viele Reflexe gibt, kann man sie alle mit einer RICHTIGEN Bewegung gleichzeitig einschalten. Damit werden widersprüchliche Reaktionen erzeugt, und der Mensch "fällt" auseinander. Um es einfacher zu beschreiben: Man läuft in viele Richtungen gleichzeitig.

    Je besser man trainiert ist, desto besser sind die Schutzreflexe. Und je besser die Schutzreflexe sind, desto... Was? Richtig! Desto gefährlicher wird man für sich selbst.

    Es stellt sich hier natürlich die Frage: Woher soll man denn wissen, ob die Bewegung RICHTIG ist? Die Antwort ist einfach: Wenn der Gegner auf den Boden fällt, dann war sie richtig; wenn nicht, dann war sie falsch.

    Es gibt natürlich Situationen, wenn der Gegner oder Trainingspartner etweder unerfahren/ungeübt/unklug oder einfach stur ist. Dann macht man es auch ganz einfach: Man setzt seine Bewegung fort. Wenn die Fortsetzung richtig ist (Treffer), dann geht der Gegner zu Boden. Wenn nicht, wird man von dem Gegner für den Fehler bestraft (Konter etc.).

    Wie man sieht, ist die so genannte "kontaktlose Arbeit" im Systema reine Psychologie.

    Gruß
    Andreas
    Geändert von Andreas Weitzel (09-09-2003 um 13:44 Uhr)

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