Für alle Freunde der gepflegten Abendunterhaltung möchte ich nicht versäumen, anhand eines weiteren Beispiels zu bekräftigen, daß in den "Judobüchern" deutschsprachiger Autoren viel Unsinn steht ...
So lesen wir in dem Büchlein “Wir machen Judo” von U. Klocke:
Judo ist ein Sport, der vor knapp 100 Jahren in Japan von einem Studenten namens Jigoro Kano entwickelt wurde.
(S. 6)
Nöö ... nicht direkt.
Also das mit dem Sport wurde ja schon lang und breit diskutiert.

Es bleibt aber eine Tatsache, daß Kanô im Jahre 1882 kein Student mehr war. Er graduierte bereits 1881.
Eine unwichtige Kleinigkeit? Ich sehe das anders ...
Nachdem ich in einem anderen Forum genau darüber gemotzt hatte, las man in der neuesten Ausgabe: "... von einem jungen Gelehrten namens Jigoro Kanô entwickelt ..."

Leider wurde der Rest der Aussage beibehalten.
Er überlegte sich eine Zweikampfsportart, die einerseits für die Kämpfer ungefährlich und ihnen andererseits Spaß bereiten sollte.
(S. 6)
Mal abgesehen von der fehlerhaften Grammatik - auch diese Aussage ist einfach Unsinn und negiert völlig, was Kanô selbst über den Sinn und das Ziel des Jûdô schrieb (und er schrieb darüber sehr ausführlich!)
In Wettkämpfen zeigt es sich immer wieder, daß erfolgreiche Kämpfer ihre Siege mit nur wenigen Techniken erringen. Ein, zwei, selten noch drei Würfe beherrschen sie so gut, daß sie nahezu jeden damit werfen können.
(S. 13)
Das sind so Aussagen, die für mich im ohrfeigenswerten Bereich angesiedelt sind, tut mir leid.

Auf dem Cover des Büchleins steht nämlich: "Offizielles Lehrmaterial des DJB".
Und Übungsleiter und Kinder/Jugendliche, welche sich dieses Büchlein zu Gemüte führen, sind dann (was in einem Buch geschrieben steht, MUSS ja wahr sein, noch dazu wenn's das "offizielle Lehrmaterial des DJB" ist) felsenfest davon überzeugt, daß Jûdô vor allem darin besteht, sich "ein, zwei, selten noch drei Würfe" anzueignen - und daß das dann für alle Zeiten genügt.
Und aus solchen Kindern werden später wohl Übungsleiter, die wiederum nach jenem Büchlein unterrichten ...
Ich hoffe, ihr versteht, was mich daran stört.
Bedenklich auch, daß der Autor solche Erkenntnisse verbreitet:
Kann man sich mit Judo eigentlich auch verteidigen? Wir glauben, wie die meisten Judolehrer, daß Judo ein Sport und keine Selbstverteidigung ist!
(S. 9)
Ich habe mich mit dem Autor mal unterhalten - er sagt von sich selbst, daß er "von SV keine Ahnung" habe (dafür gibt es 11 Zeugen!)
Der Mann trägt den 7. Dan, nebenbei ...
Man lese nun, was der Gründer über sein eigenes Kampfsystem schreibt ...
(Tip: Mind over Muscle - "Jûdô as Martial Art".)
Irgendwie hat auch der Autor mitbekommen, daß da mal etwas anderes war als der Sport, wie er heute ausgeübt wird:
Ursprünglich hat sich Judo zwar aus der Selbstverteidigung Ju-Jitsu entwickelt. Jigoro Kano, der Gründer des Judo, aber hat die Gefährlichkeit vieler Techniken erkannt und sie deswegen aus seinem Judo-System (Go-Kyo) herausgenommen. Zwar wirst Du in Filmen immer wieder Judo als Selbstverteidigung sehen - aber das klappt eben meistens nur im Kino.
(S. 9)
Nun ist das "Jûdô-System" nicht identisch mit der Gokyo ...
Und was das "Herausnehmen" von "gefährlichen Techniken" angeht, warte icih noch immer auf Beispiele. Die der Autor nicht bringt.
Es ist ... gewöhnungsbedürftig, daß der Autor erklärt, Kanô habe aus der Gokyo die "gefährlichen Techniken herausgenommen".
Die Gokyo ist die Grundschule der Wurftechniken, nicht mehr und nicht weniger. Man kann also in der Gokyo bspw. keine Atemi-Waza erwarten ...
Ich sehe im obenstehend zitierten Text den Versuch einer Rechtfertigung.
Sportjudo eignet sich in der Tat nicht oder nicht besonders gut für den effektiven Selbstschutz (Ausnahmen bestätigen die Regel).
Ich zitiere noch einmal die Kernaussage:
Kann man sich mit Judo eigentlich auch verteidigen?
Wir glauben, wie die meisten Judolehrer,
daß Judo ein Sport und keine Selbstverteidigung ist!
Ein Glaubensbekenntnis anstelle fundierter Fakten ...
Sowas macht mich wütend.
Zudem finden sich auch grobe fachliche Fehler (bezogen auf die Wurftechniken) in jenem Büchlein.
Sodann bin ich doch etwas ungehalten darüber, in den vom O-Goshi ausgehenden "Wurfverkettungen" wiederholt den Ushiro-Goshi als Kontertechnik vorzufinden. Und das in einem Büchlein, welches "vor allem für Kinder" konzipiert wurde ... (Aussage des Autors)
Nun finden wir genau zum Thema "Kontern mit Ushiro-Goshi" einen sehr interessanten Hinweis bei Mifune.
Dort lesen wir zum Ushiro-Goshi:
"This technique is
not possible on these forms:
floating hip throw (uki-goshi); large hip throw (o-goshi); ...
In short, it is not effective on hip techniques with the hand thrust under the armpit."
(K. Mifune: The Canon of Judo, S. 85)
Was sollen wir nun dazu sagen ...? Da hat offenbar jemand das Buch von Mifune nicht gelesen ...
Ich sage es noch einmal: manche Autoren deutschsprachiger "Judobücher" erheben ihre arg limitierten Kenntnisse zum (alleinigen) Maßstab, und dagegen verwahre ich mich.
Ich habe etwas dagegen, daß durch derlei Büchlein ein Bild des Jûdô zementiert wird, welches den Tatsachen nun einmal nicht entspricht.
Ich denke, daß es legitim ist, auf solche gravierenden Fehler wie die in jenem Büchlein zu findenden hinzuweisen.
FG
Rambat