Hi Katamaus!
Es wäre hilfreich zu Wissen was du mit "taugt das was" meinst.
Bzw. was ist deine Motivation dich mit dem Gorin no Shô auseinanderzusetzen?
Danke für die Rückmeldung. Uff! Schwierig aber natürlich ein höchst valider Einwand. Ich probiere es mal.
Zunächst einmal hätte ich gerne eine möglichst genaue Übersetzung. Warum ich mich damit auseinandersetze? Nun ja, weil ich mich (bisweilen) mit den spirituellen Hintergründen von Kampfkunst beschäftige. Dies nicht unbedingt auf Wissenschafts- oder Japanologie-Niveau, dennoch aber wüsste ich schon gerne recht genau, was dort so geschrieben bzw. gedacht wurde.
Konkretes Beispiel von heute morgen: Ich lese gerade Heiko Bittmanns „Geschichte und Lehre des Karatedo“. In dem Abschnitt über Yagyu Munenoris „Familienüberlieferungen zu den Methoden des Gefechts“ zieht er einen Vergleich zum Gorin no sho und dem Kapitel „Über die drei Arten des Zuvorkommens“. Da wollte ich doch gleich mal nachsehen. Nach einigem Suchen fand ich in der o.g. Ausgabe ein Kapitel „Die drei Initiativen“. Mit meinem schlichten Karateverstand stelle ich mir nun unter „Zuvorkommen“ etwas deutlich anderes vor als unter „Initiative“. Genau genommen kann ich damit intuitiv mehr anfangen. Das kann natürlich auch an einem eingebildeten Verständnis oder einer falschen Interpretation liegen. Das würde ich aber gerne mit mir in meinem Kopf ausmachen.
Dazu kommt, dass auch inhaltlich das Kapitel sehr „kampftechnisch schien“. Da wäre es z.B. interessant zu wissen, ob das von Musashi so gewollt war (man sich also einen tieferen Budo-Hintergrund selber erarbeiten muss, so es ihn denn überhaupt gibt) oder ob das eben die Art der Übersetzung ist und inwiefern der Autor selber über einen derartigen Hintergrund verfügt. (In meiner alten Knaur (?) Ausgabe, die ich vor 20 Jahren mal gelesen hatte, hatte ich allerdings auch den Eindruck, dass das Ganze vordergründig mehr auf technische Aspekte (zumindest verbal) fokussiert.
Nach dem Lesen einiger alter Threads hier zu urteilen, scheint es Übersetzungen zu geben, in die der Übersetzer sein (nach Ansicht Eniger hier fehlerhaftes) Verständnis von Budo, Zen, etc. hat einfließen lassen. Ein solcher Einfluss wird natürlich immer vorhanden sein. Dennoch möchte ich so gut wie möglich ausschließen, dass ich einem schlechten Verständnis aufsitze - was immer das genau ist und ob mich bestätigend oder widerlegend mal dahingestellt. Am besten wäre daher wohl eine kommentierte Ausgabe, die verschiedene Interpretationen aufzeigt. Wenn aber eine solche nicht verfügbar oder zu teuer ist, würde ich gerneeine Ausgabe haben, die hier von der Schwarmintelligenz weitesgehend akzeptiert wird.
Ich hoffe, man versteht ungefähr, was ich meine
PS: Wo wir schon mal dabei sind Für Takuans „Wundersame Aufzeichungen der bewegungslosen Weisheit“ und den o.g. Text von Yagyu Munenori würde ich ebenfalls Tipps dankend entgegennehmen.
Geändert von Katamaus (23-05-2020 um 14:39 Uhr)
Wenn Dein Englisch gut ist: Alexander Bennett hat Musashis "komplette" Werke übersetzt. Der Mann ist nicht nur wissenschaftlich gebildet auf dem Fachgebiet, den diese Werke berühren (Japanische Literatur und Japanische Geschichte) sondern lehrt aktiv im Bereich Japanische Geschichte, Kampfkunst und "budo theory" an der Kansai Universität, Japan. Er ist 7. dan Kyoshi im kendo, 5. dan Iaido und 5. dan Naginata-do. Einziges Manko: er ist kein Schüler der Hyoho Niten ichi-ryu, die sich auf Musashi berufende Schwertschule.
Die Übersetzung ist mit Fußnoten durchkommentiert, die einem die gesellschaftliche und geschichtliche Einordnung der Schilderungen erlauben.
Hey Katamaus, danke für deine ausführliche Antwort!
Erstmal muss ein Missverständnis aufgeräumt werden. Das Gorin no Shô ist jetzt im großen und ganzen kein philosophisches oder spirituelles Werk. Es ist spezifisch ein Buch für die Schüler der Hyoho Niten Ichi Ryu, Musashis Schwertkampfschule. Also als was dort geschrieben steht bezieht sich explizit auf Techniken der Niten Ichi Schule. Und selbst wenn du eine super genaue Übersetzung hast, kann es sein das dir das Buch an sich keinen Mehrwert bringt weil du einfach nicht die Grundlagen der Niten Ichi Schule kennst.
Natürlich kannst du persönlich für dich einen Mehrwert daraus ziehen einfach über das geschriebene Nachzusinnen und eigene Erkenntnisse zu gewinnen. Es wird nur sicher nicht das sein was Musashi dabei im Sinn hatte weil dir der gesamte technische Kontext einfach fehlt. Es ist so als würdest du ein Buch über Methoden der Software Entwicklung lesen ohne jemals programmiert zu haben. Es kann dich bereichern, vieles wird der aber verschlossen bleiben.
Nichtsdestotrotz, wenn ich eine Übersetzung empfehlen würde dann die die hier zu finden ist: https://sdksupplies.com/cat_manual.htm
Diese stammt von Schülern der Niten Ichi Schule und da würde ich annehmen das die Wissen wovon sie schreiben.
lg
Edit: Tai_Eules Empfehlung würde ich auch unterstreichen. Bennett als Praktizierender Kenshi ist natürlich auch sehr zu empfehlen! Und wahrscheinlich professioneller Editiert und herausgegeben
Geändert von Nagonomori (23-05-2020 um 15:04 Uhr)
@Nagamori, aber auch allgemein
Es ist ja immer wieder mal Thema, was man denn mit einer Übersetzung eines Textes einer Schule anfangen kann; unabhängig von der Qualität der Übersetzung.
Ich persönlich halte ein pauschales "du kannst gar nichts verstehen, wenn du nicht Schüler der Schule bist" für falsch. Ich denke es gilt dabei, den jeweiligen Text zu betrachten und auch innerhalb des Textes zu differenzieren (sowie zugleich allgemeine Probleme einer Texthermeneutik im Hinterkopf zu behalten).
Sicher wird man in der Regel nur wenige oder auch gar keine technischen Spezifika einer Schule durch das Studium eines Textes der Schule erlernen können. (Wobei vermutlich selbst das immer wieder ganz konkret zu prüfen wäre, und vermutlich auch je nach Hintergrund des Lesers anders ausfällt.)
Aber um bei Musashi und seinem Gorin no sho zu bleiben:
Um z. B. die Schriftrolle der Erde (einigermaßen) zu verstehen, braucht man bestimmt nicht Mitglied der HNIR zu sein.
Geändert von Gast (23-05-2020 um 15:18 Uhr)
Danke Leute, super Tipp. Genau nach sowas hatte ich gesucht
Ansonsten, keine Sorge, natürlich kann ich nicht alles verstehen. Andererseits habe ich schon oft aus fachfremder Literatur gute Anregungen auch für mein Karate entnommen.* Mit ein wenig Hintergrund versteht man ja doch ein bisschen was (War auch in der Karatelehrer-Ausbildung so, wo wir in diverse andere Kampfkünste reinschnuppern konnten. Da merkt man doch, dass das alles irgendwie zusammenhängt.)
* Z.B. war irgendwo (ich glaube bei Yagyu Munenori) mal das Prinzip erörtert, Abwehrstellungen einzunehmen, wenn man angreifen will oder umgekehrt. Eigentlich total simpel. Man sollte meinen, da kommt jeder sofort von alleine drauf. Ist aber komischerweise nicht der Fall. Dafür funktioniert es erstaunlich oft.
@Julian:
Danke für deine Kritik, ich nehm sie an. Ich bin wahrscheinlich einfach vorgeschadet von Leuten die behaupten ihre Kampfkunst würden auf den Prinzipien des Gorin no Shô basieren weil sie die Übersetzung von Piper gelesen haben.
@Katamaus:
Ich seh schon, schlecht gewähltes Beispiel ^^. Du hast recht oftmals müssen Projektleiter,Manager, PO's nicht programmieren können um Softwareanforderungen zu definieren.
@Katamaus:
Hehehe, ne.
Die Leute die ich da im Sinn habe, deren Kunst beruhte eher auf Fasching und Wunschdenken. Aber das wäre zu Offtopic
@Julian:
Keine Sorge, anders als Konstruktiv hatte ich das garnicht aufgenommen
Katamaus:
Ergänzend:Zunächst einmal hätte ich gerne eine möglichst genaue Übersetzung. Warum ich mich damit auseinandersetze? Nun ja, weil ich mich (bisweilen) mit den spirituellen Hintergründen von Kampfkunst beschäftige. Dies nicht unbedingt auf Wissenschafts- oder Japanologie-Niveau, dennoch aber wüsste ich schon gerne recht genau, was dort so geschrieben bzw. gedacht wurde.
Folgende Seiten kann ich dir zu dem Thema empfehlen:
https://www.koryu.com/books/martialartsbookreviews.html
http://www.bunbu.de
PS: Bin eher an Werken die sich mit chinesischen Kampfkünsten,Kultur,Philosophie etc. befassen interessiert, aber als ehemaliger Budoromantiker lese ich auch gute fachliche Bücher,Artikel... die sich mit Nippon beschäftigen etc. .
"Wer, wie, was - wieso, weshalb, warum - wer nicht fragt, bleibt dumm!"
Geändert von Huangshan (24-05-2020 um 17:01 Uhr)
Kurzes Feedback: Der Bennett ist heute schon angekommen („The Complete Musashi“) und ich habe gleich mal das Kapitel über die „Three Initiatives“ mit dem Kapitel aus der o.g. Übersetzung verglichen. Ich muss sagen, das spricht viel eher zu mir. Und durch die Fußnote wird auch klar, dass hier zumindest Ähnliches (wenn nicht genau das) beschrieben wird, was ich aus dem Karate als Go-no-sen, Sen-no-sen und Sensen-no-sen (Reihenfolge geändert) kenne und mal grob simplifiziert als Block und Konter, direkter Konter (Deai) und zuvorkommender Angriff (in die Absicht hinein) übersetzen würde. Auf jeden Fall aber ein Abschnitt des Buches mit dem ich auch bar jeder Schwertkampfkenntnis sehr viel anfangen kann.
Einschränkend und zur Ehrenrettung des Buches von Timo Klemmer sei gesagt, dass dieses zunächst sehr ähnlich der englischen Version von Bennett ist aber irgendwie doch technischer. Es kann aber natürlich auch sein, dass er genauer übersetzt hat und Bennett mehr eigene Interpretation einfließen lässt. Das kann ich null beurteilen. Zu Letzterem finde ich halt spontan mehr Zugang.
Auf jeden Fall noch einmal vielen Dank an alle für das schnelle, umfangreiche und kompetente Feedback. Ich fühle mich optimal beraten und versorgt.
PS: Das in dem anderen Faden empfohlene Buch von Bennett („Bushido explained“) wurde gleich mitbestellt.
schon damal von Horst Handel immer gerne erklärt
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