Daher steht "Waffe" bei Kampfkünstlern in Anführungszeichen.
Ich meine damit, daß ein Gericht bei Kampfkunstrainierten höhere Anforderungen an die Wahl der Technik und das Maß des Einsatzes stellen kann als bei Ungeübten. So z.B. geschehen in BGH, Urteil vom 20.7.1983 -2 StR 43/83-.
In Bezug auf das "sanfteste Mittel" gehen manchmal Ansichten hier im Forum fehl, weil man glaubt, man müsse vor allem die Folgen für den Angreifer gering halten, ohne zu berücksichtigen, daß man ein Mittel mit hinreichender Sicherheit wählen darf. Du hast völlig recht, bei mehreren gleich wirksamen Mitteln ist das mildeste (oder "sanfteste") zu wählen. Die entscheidende Frage ist dann, ob es mehrere verschieden gefährliche Abwehrmittel gab, die den Angriff mit vergleichbar hinreichender Sicherheit abwehren konnten. Wenn mich ein nicht erkennbar Schwächerer mit der Faust angreift, und mir stehen Faust und Schußwaffe zur Verfügung, dann ist die Verwendung der Schußwaffe gerechtfertigt, denn mit der Faust kann ich den Angriff nicht mit der notwendigen Sicherheit abwehren.
Was ist denn für Dich Theorie und was Praxis? Das was oben steht, sind Schlüsse aus Gerichtsurteilen, in der Regel des BGH als oberstem Strafgericht. Da jeder Einzelfall anders ist und Richter auch nur Menschen sind, kann man im voraus natürlich nie absolut sicher sagen, wie ein Fall bewertet wird. So ist das Leben. Ein Literaturtip: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, Kommentar, 28. Aufl. 2010, § 32 Rdn. 29 - 41. Das ist ein kleiner, aber recht guter Kommentar, der viel Rechtsprechung zitiert.
Ohne Waffen verliert man scheinbar oft bei gefährlichen Angriffen, also wenn man mit Waffen und/oder von mehreren attackiert wird. Das ist oft simple Physik und Biologie. Da ich kein Türsteher, Sicherheitsdienstler oder Polizist (die für SV nicht gerade die Meßlatte bilden können, da sie in anderen Situationen Gewalt erfahren und ausüben) bin und auch sonst Kämpfen bisher erfolgreich aus dem Weg gehe, beruht mein Schluß auf zahlreichen Berichten über Straftaten und Kämpfe, die ich in den letzten 20 Jahren gelesen habe, nicht auf eigener Kampferfahrung (wer hat die schon in statistisch relevanter Weise?). Vielleicht hast Du ja Erfahrungen, die Dich zu einer anderen Sicht bringen.
Viele glauben, weil sie im Training Schläge oder Tritte bekommen oder ausgeteilt haben, die tolle Wirkung hatten, das wäre in echten Kämpfen vergleichbar. Ist es aber nicht unbedingt, weil sich der menschliche Körper im Stress echter Kämpfe stark verändert. Fäuste und Füße oder Ringkampf sind daher nicht besonders gute Kampfmittel, außer für Hahnenkämpfe in Diskos oder Kneipen vielleicht. Je besser man im Kampf trainiert und je erfahrener man ist, desto mehr Chancen hat man natürlich. Der Bruce Lee-Effekt sozusagen. Da Faust und Fuß nicht sonderlich wirksam sind, hat bereits der steinzeitliche Mensch Waffen erfunden.
Eigene Waffen (Schlagwaffe, Messer, Gasspray, Schußwaffe etc.) dienen dazu, die oft bestehende physische und psychologische Unterlegenheit gegenüber den Angreifern etwas (!) auszugleichen.