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Thema: Wie definiert man sanfte Mittel in der Notwehr?

  1. #1
    Hosenscheisser 79 Gast

    Standard Wie definiert man sanfte Mittel in der Notwehr?

    Wie definiert man sanfte Mittel in der Notwehr?
    Man nehme theoretisch an der Angreifer nimmt das Opfer in den Schwitzkasten
    und das Opfer clincht den Täter und verpasst Ihm einen Kniestoss in den Magen und kann die Auseinandersetzung damit beenden.
    Wie seht Ihr das? Fällt das unter Notwehr?

  2. #2
    Registrierungsdatum
    27.08.2003
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    4.541

    Standard

    Zitat Zitat von Hosenscheisser 79 Beitrag anzeigen
    Wie definiert man sanfte Mittel in der Notwehr?
    Man nehme theoretisch an der Angreifer nimmt das Opfer in den Schwitzkasten
    und das Opfer clincht den Täter und verpasst Ihm einen Kniestoss in den Magen und kann die Auseinandersetzung damit beenden.
    Wie seht Ihr das? Fällt das unter Notwehr?
    Sanfte Mittel ist alles was keine Schläge/Tritte beinhaltet, also alles wenig invasive, sprich Hebel,Würger und Würfe!

    Gruß

    Alef

  3. #3
    Registrierungsdatum
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    4.470

    Standard

    Notwehr ist die Verteidigung, die erforderlich ist, um einen gegenwärtigen rechtswidrigen Angriff von sich oder einen andern abzuwenden. - §32 StGB

    Die Verteidigung muss also "erforderlich" sein und das Verteidigungsmittel "geeignet". Das bedeutet nicht zwangsläufig, dass gemäß dem Paragraphen automatisch das "sanfteste" Mittel gewählt werden muss. (Wenngleich einige Richter das anders sehen.)

    Was "erforderlich" ist und was nicht, darüber streiten sich die Rechtsgelehrten und es gibt durchaus unterschiedlichste Entscheidungen. Es ist also völlig bedeutungslos, wie ich oder sonstwer hier das für sich definiert.

    Allgemein gilt: Je geringer die Verletzungen (insbesondere sichtbare) hinterher bei deinem Gegenüber sind, desto höher Deine Chancen aus einer gerichtlichen Auseinandersetzung unbeschadet hervorzugehen.

    Aber selbst das ist allenfalls eine Faustformel.

    Insbesondere verweise ich, auf was ich immer in diesen Threads verweise, nämlich die Tatsache, dass die meisten Richter keinen blassen Schimmer von SV, KK oder KS haben und dann gerne mit theoretischen Größen rumspielen. Da ist dann das "sanfteste" Mittel auch oftmals eines, dass allenfalls in der Theorie funktioniert.

  4. #4
    Cortalios Gast

    Standard

    Jup, es entscheidet stets der Richter, was das sanfteste Mittel ist, wobei es deine Aufgabe ist, ihn von deiner Ansicht zu überzeugen

  5. #5
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    Standard

    Also wenn mich jemand in den Schwitzkasten nimmt, fängt dr sich nen Suplex ein

    ist das sanft?

    Ja
    Nein
    Für MICH schon, aber fpr den andern nicht


    Wähle weise

    Ansonten: Keine Ahnung.... für mich bedeutets, dass der andere nachher auf den eigenen Beiden ins Spital kann

  6. #6
    Alex R. Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Kraken Beitrag anzeigen
    ...Keine Ahnung.... für mich bedeutets, dass der andere nachher auf den eigenen Beiden ins Spital kann
    sign

  7. #7
    Tiju Gast

    Standard

    Es gibt den Begriff der "sanften Mittel" bei der Notwehr nicht. Anwenden kann man das Mittel, was den Angriff mit Sicherheit abwehrt (geeignet) und gleichzeitig den Angreifer am wenigsten belastet (erforderlich).

    Beispiel Schwitzkasten: kommt auf die Situation an. Ein Gerangel auf dem Schulhof oder auf einer Fete ist anders zu beurteilen als ein übler Angriff auf der Straße. Gibt es nur einen Angreifer oder mehrere? Kann man aus dem Verhalten des Angreifers schließen, daß Gefahr für Leib und Leben besteht, d.h. kann man damit rechnen, daß er einen bis zur Bewußtlosigkeit oder mehr würgen will, will er einen festlegen, damit andere zuschlagen können?

    Nehmen wir mal höchst theoretisch an, der Angegriffene verfügt über durchschnittliche Kraft, ein Gasspray, ein Messer und eine Schußwaffe. Der Angreifer ist sehr stark und es ist nicht absehbar, daß er nur harmlose Ziele mit dem Schwitzkasten verfolgt (z.B. zeigen will, wer der Stärkere ist).

    Rangelbewegungen, Schläge, Griffe in die Geschlechtsteile führen nicht zur Befreiung, erweisen sich also als ungeeignet. Das Gasspray ist zur Abwehr von vornherein ungeeignet, da schon Körperkontakt besteht. Also kann das Messer oder die Schußwaffe eingesetzt werden. Tödliche Waffen können auch sofort eingesetzt werden, wenn sonst die Verteidigungschancen erheblich (!) schlechter werden. Bsp. wenn jemand einem einen Gürtel oder Schal um den Hals legt und zuzieht; man muß dann nicht erst unwirksame waffenlose Techniken versuchen. Bsw. wenn man keine Waffen hat, kann man sofort die wirksamsten Schläge, die man draufhat, ansetzen (und beten).

    Die Anforderungen an den Einsatz von tödlichen Waffen (z.B. Messer, scharfe Schußwaffen) sind grundsätzlich gleich. Erst androhen, bei (scharfen) Schußwaffen danach einen Warnschuß, dann Stiche/Schüsse in weniger lebenswichtige Stellen, dann als letztes Mittel auch an lebenswichtige Stellen. Allerdings steht diese Eskalationskaskade immer unter der Einschränkung der Zumutbarkeit für den Verteidiger. Er braucht es nicht hinzunehmen, seine Verteidigungschancen wesentlich zu verschlechtern oder unmöglich zu machen. Greift mich jemand mit dem Messer aus kurzer Distanz an, brauche ich weder eine verbale Warnung noch einen Warnschuß abzugeben, oder ins Bein zu schießen. Steht der Messermensch 3 Meter weit weg und stürzt nicht auf mich zu, ist der Waffeneinsatz erst anzudrohen (bitte keine Diskussion wegen des Tueller-Drills anfangen, das ist etwas unrealistisch). Kommt jemand ohne Waffen drohend in Angriffshaltung auf mich zu, muß ich den Einsatz von Messer oder Schußwaffe erst androhen. Greift er weiter an, kann die Waffe wie oben beschrieben eingesetzt werden, auch gegen Unbewaffnete.

    Das Androhen wird häufig im Forum als Unsinn, als "Posen" oder als Aufforderung zur Eskalation hingestellt. Außerdem wird oft von einer Verschlechterung der eigenen Abwehrchancen ausgegangen, z.B. bei Schlagstöcken oder Messern (das berühmte "nimmt dir die Waffe ab", beliebt auch "zieht eine Schußwaffe"). Mag sein, daß Androhen unter Umständen eine Verschlechterung bedeutet. Das ist aber hinzunehmen, denn eine erfolgreiche SV kann nur eine juristisch zulässige SV sein! Steht der Angriff erst bevor (z.B. vier Typen umringen einen drohend), ist Waffeneinsatz zwingend anzudrohen.

    Ich schreibe hier so viel über Waffen, weil es um Notwehr und SV, weniger um Kampfsport/-kunst geht, und weil man Probleme meist dann bekommt, wenn man Waffen falsch einsetzt. Außerdem wird man ohne Waffen meist verlieren (oder der Angriff war eher harmlos), daher gibt es dann auch keine großen juristischen Probleme in Bezug auf Notwehr, nur bei der Krankenhausrechnung. Beim erfahrenen, langtrainierten Kampfkünstler kann auch die Faust oder der Fuß oder so vom Gericht als "Waffe" betrachtet werden, daher gelten da evtl. ähnliche Anforderungen. Der Spruch "Laß mich in Ruhe, ich mache Kampfsport xy, also Vorsicht" mag unglaublich lächerlich wirken, aber könnte einem vor Gericht helfen, wenn der Angreifer später ein paar gebrochene Rippen hat.

  8. #8
    ilyo Gast

    Standard

    Schön zu lesen, Tiju.
    Lediglich die Aussage, dass Faust und Fuß Waffen sein können, bzw so ausgelegt werden, ist falsch.

    Man sollte verständnishalber noch hinzufügen, dass es sanfte Mittel im Laiendeutsch in der Notwehr insofern gibt, dass bei mehreren gleich wirksamen Mitteln das mildeste gewählt werden muss.
    Insofern ist Raging Bulls Aussage falsch. Das hat auch nichts mit richterlicher Fortentwicklung zu tun, wie er behauptet, sondern mit der Systematik, bzw. mit dem wOrtlaut. Wenn ein milderes Mittel den Erforderlichkeits-Anforderungen genügen, kann das stärkere Mittel nicht mehr erforderlich sein.
    Geändert von ilyo (16-08-2010 um 12:30 Uhr)

  9. #9
    zocker Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Tiju Beitrag anzeigen
    Es gibt den Begriff der "sanften Mittel" bei der Notwehr nicht. Anwenden kann man das Mittel, was den Angriff mit Sicherheit abwehrt (geeignet) und gleichzeitig den Angreifer am wenigsten belastet (erforderlich).

    Beispiel Schwitzkasten: kommt auf die Situation an. Ein Gerangel auf dem Schulhof oder auf einer Fete ist anders zu beurteilen als ein übler Angriff auf der Straße. Gibt es nur einen Angreifer oder mehrere? Kann man aus dem Verhalten des Angreifers schließen, daß Gefahr für Leib und Leben besteht, d.h. kann man damit rechnen, daß er einen bis zur Bewußtlosigkeit oder mehr würgen will, will er einen festlegen, damit andere zuschlagen können?

    Nehmen wir mal höchst theoretisch an, der Angegriffene verfügt über durchschnittliche Kraft, ein Gasspray, ein Messer und eine Schußwaffe. Der Angreifer ist sehr stark und es ist nicht absehbar, daß er nur harmlose Ziele mit dem Schwitzkasten verfolgt (z.B. zeigen will, wer der Stärkere ist).

    Rangelbewegungen, Schläge, Griffe in die Geschlechtsteile führen nicht zur Befreiung, erweisen sich also als ungeeignet. Das Gasspray ist zur Abwehr von vornherein ungeeignet, da schon Körperkontakt besteht. Also kann das Messer oder die Schußwaffe eingesetzt werden. Tödliche Waffen können auch sofort eingesetzt werden, wenn sonst die Verteidigungschancen erheblich (!) schlechter werden. Bsp. wenn jemand einem einen Gürtel oder Schal um den Hals legt und zuzieht; man muß dann nicht erst unwirksame waffenlose Techniken versuchen. Bsw. wenn man keine Waffen hat, kann man sofort die wirksamsten Schläge, die man draufhat, ansetzen (und beten).

    Die Anforderungen an den Einsatz von tödlichen Waffen (z.B. Messer, scharfe Schußwaffen) sind grundsätzlich gleich. Erst androhen, bei (scharfen) Schußwaffen danach einen Warnschuß, dann Stiche/Schüsse in weniger lebenswichtige Stellen, dann als letztes Mittel auch an lebenswichtige Stellen. Allerdings steht diese Eskalationskaskade immer unter der Einschränkung der Zumutbarkeit für den Verteidiger. Er braucht es nicht hinzunehmen, seine Verteidigungschancen wesentlich zu verschlechtern oder unmöglich zu machen. Greift mich jemand mit dem Messer aus kurzer Distanz an, brauche ich weder eine verbale Warnung noch einen Warnschuß abzugeben, oder ins Bein zu schießen. Steht der Messermensch 3 Meter weit weg und stürzt nicht auf mich zu, ist der Waffeneinsatz erst anzudrohen (bitte keine Diskussion wegen des Tueller-Drills anfangen, das ist etwas unrealistisch). Kommt jemand ohne Waffen drohend in Angriffshaltung auf mich zu, muß ich den Einsatz von Messer oder Schußwaffe erst androhen. Greift er weiter an, kann die Waffe wie oben beschrieben eingesetzt werden, auch gegen Unbewaffnete.

    Das Androhen wird häufig im Forum als Unsinn, als "Posen" oder als Aufforderung zur Eskalation hingestellt. Außerdem wird oft von einer Verschlechterung der eigenen Abwehrchancen ausgegangen, z.B. bei Schlagstöcken oder Messern (das berühmte "nimmt dir die Waffe ab", beliebt auch "zieht eine Schußwaffe"). Mag sein, daß Androhen unter Umständen eine Verschlechterung bedeutet. Das ist aber hinzunehmen, denn eine erfolgreiche SV kann nur eine juristisch zulässige SV sein! Steht der Angriff erst bevor (z.B. vier Typen umringen einen drohend), ist Waffeneinsatz zwingend anzudrohen.

    Ich schreibe hier so viel über Waffen, weil es um Notwehr und SV, weniger um Kampfsport/-kunst geht, und weil man Probleme meist dann bekommt, wenn man Waffen falsch einsetzt. Außerdem wird man ohne Waffen meist verlieren (oder der Angriff war eher harmlos), daher gibt es dann auch keine großen juristischen Probleme in Bezug auf Notwehr, nur bei der Krankenhausrechnung. Beim erfahrenen, langtrainierten Kampfkünstler kann auch die Faust oder der Fuß oder so vom Gericht als "Waffe" betrachtet werden, daher gelten da evtl. ähnliche Anforderungen. Der Spruch "Laß mich in Ruhe, ich mache Kampfsport xy, also Vorsicht" mag unglaublich lächerlich wirken, aber könnte einem vor Gericht helfen, wenn der Angreifer später ein paar gebrochene Rippen hat.

    - soweit die theorie und wie sieht´s mit der praxis aus, v.a. hinsichtlich eigener unversehrtheit und anschliessendem ausgang vor gericht?

    -warum wird man ohne waffen meist verlieren?

    gruss

  10. #10
    shenmen2 Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Hosenscheisser 79 Beitrag anzeigen
    Wie definiert man sanfte Mittel in der Notwehr?
    Man nehme theoretisch an der Angreifer nimmt das Opfer in den Schwitzkasten
    und das Opfer clincht den Täter und verpasst Ihm einen Kniestoss in den Magen und kann die Auseinandersetzung damit beenden.
    Wie seht Ihr das? Fällt das unter Notwehr?
    Kommt auf die Situation an. Wenn das "Opfer" ein zuvor randalierender Kneipengast ist und der "Angreifer" der Wirt, der ihn nur vor die Tür setzen wollte, dann ist es keine Notwehr.

  11. #11
    Hosenscheisser 79 Gast

    Standard

    Das Opfer würde angegriffen weil der Angreifer sich vom Opfer provoziert fühlte.

  12. #12
    Tiju Gast

    Standard

    Zitat Zitat von ilyo Beitrag anzeigen
    Schön zu lesen, Tiju.
    Lediglich die Aussage, dass Faust und Fuß Waffen sein können, bzw so ausgelegt werden, ist falsch.

    Man sollte verständnishalber noch hinzufügen, dass es sanfte Mittel im Laiendeutsch in der Notwehr insofern gibt, dass bei mehreren gleich wirksamen Mitteln das mildeste gewählt werden muss.
    Insofern ist Raging Bulls Aussage falsch. Das hat auch nichts mit richterlicher Fortentwicklung zu tun, wie er behauptet, sondern mit der Systematik, bzw. mit dem wOrtlaut. Wenn ein milderes Mittel den Erforderlichkeits-Anforderungen genügen, kann das stärkere Mittel nicht mehr erforderlich sein.
    Daher steht "Waffe" bei Kampfkünstlern in Anführungszeichen. Ich meine damit, daß ein Gericht bei Kampfkunstrainierten höhere Anforderungen an die Wahl der Technik und das Maß des Einsatzes stellen kann als bei Ungeübten. So z.B. geschehen in BGH, Urteil vom 20.7.1983 -2 StR 43/83-.

    In Bezug auf das "sanfteste Mittel" gehen manchmal Ansichten hier im Forum fehl, weil man glaubt, man müsse vor allem die Folgen für den Angreifer gering halten, ohne zu berücksichtigen, daß man ein Mittel mit hinreichender Sicherheit wählen darf. Du hast völlig recht, bei mehreren gleich wirksamen Mitteln ist das mildeste (oder "sanfteste") zu wählen. Die entscheidende Frage ist dann, ob es mehrere verschieden gefährliche Abwehrmittel gab, die den Angriff mit vergleichbar hinreichender Sicherheit abwehren konnten. Wenn mich ein nicht erkennbar Schwächerer mit der Faust angreift, und mir stehen Faust und Schußwaffe zur Verfügung, dann ist die Verwendung der Schußwaffe gerechtfertigt, denn mit der Faust kann ich den Angriff nicht mit der notwendigen Sicherheit abwehren.


    Zitat Zitat von zocker Beitrag anzeigen
    - soweit die theorie und wie sieht´s mit der praxis aus, v.a. hinsichtlich eigener unversehrtheit und anschliessendem ausgang vor gericht?

    -warum wird man ohne waffen meist verlieren?

    gruss
    Was ist denn für Dich Theorie und was Praxis? Das was oben steht, sind Schlüsse aus Gerichtsurteilen, in der Regel des BGH als oberstem Strafgericht. Da jeder Einzelfall anders ist und Richter auch nur Menschen sind, kann man im voraus natürlich nie absolut sicher sagen, wie ein Fall bewertet wird. So ist das Leben. Ein Literaturtip: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, Kommentar, 28. Aufl. 2010, § 32 Rdn. 29 - 41. Das ist ein kleiner, aber recht guter Kommentar, der viel Rechtsprechung zitiert.

    Ohne Waffen verliert man scheinbar oft bei gefährlichen Angriffen, also wenn man mit Waffen und/oder von mehreren attackiert wird. Das ist oft simple Physik und Biologie. Da ich kein Türsteher, Sicherheitsdienstler oder Polizist (die für SV nicht gerade die Meßlatte bilden können, da sie in anderen Situationen Gewalt erfahren und ausüben) bin und auch sonst Kämpfen bisher erfolgreich aus dem Weg gehe, beruht mein Schluß auf zahlreichen Berichten über Straftaten und Kämpfe, die ich in den letzten 20 Jahren gelesen habe, nicht auf eigener Kampferfahrung (wer hat die schon in statistisch relevanter Weise?). Vielleicht hast Du ja Erfahrungen, die Dich zu einer anderen Sicht bringen.

    Viele glauben, weil sie im Training Schläge oder Tritte bekommen oder ausgeteilt haben, die tolle Wirkung hatten, das wäre in echten Kämpfen vergleichbar. Ist es aber nicht unbedingt, weil sich der menschliche Körper im Stress echter Kämpfe stark verändert. Fäuste und Füße oder Ringkampf sind daher nicht besonders gute Kampfmittel, außer für Hahnenkämpfe in Diskos oder Kneipen vielleicht. Je besser man im Kampf trainiert und je erfahrener man ist, desto mehr Chancen hat man natürlich. Der Bruce Lee-Effekt sozusagen. Da Faust und Fuß nicht sonderlich wirksam sind, hat bereits der steinzeitliche Mensch Waffen erfunden. Eigene Waffen (Schlagwaffe, Messer, Gasspray, Schußwaffe etc.) dienen dazu, die oft bestehende physische und psychologische Unterlegenheit gegenüber den Angreifern etwas (!) auszugleichen.

  13. #13
    ilyo Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Tiju Beitrag anzeigen
    Daher steht "Waffe" bei Kampfkünstlern in Anführungszeichen. Ich meine damit, daß ein Gericht bei Kampfkunstrainierten höhere Anforderungen an die Wahl der Technik und das Maß des Einsatzes stellen kann als bei Ungeübten. So z.B. geschehen in BGH, Urteil vom 20.7.1983 -2 StR 43/83-.
    Ah, I see. Nun, dann hab ich nichts zu meckern


    In Bezug auf das "sanfteste Mittel" gehen manchmal Ansichten hier im Forum fehl, weil man glaubt, man müsse vor allem die Folgen für den Angreifer gering halten, ohne zu berücksichtigen, daß man ein Mittel mit hinreichender Sicherheit wählen darf. Du hast völlig recht, bei mehreren gleich wirksamen Mitteln ist das mildeste (oder "sanfteste") zu wählen. Die entscheidende Frage ist dann, ob es mehrere verschieden gefährliche Abwehrmittel gab, die den Angriff mit vergleichbar hinreichender Sicherheit abwehren konnten. Wenn mich ein nicht erkennbar Schwächerer mit der Faust angreift, und mir stehen Faust und Schußwaffe zur Verfügung, dann ist die Verwendung der Schußwaffe gerechtfertigt, denn mit der Faust kann ich den Angriff nicht mit der notwendigen Sicherheit abwehren.
    Kann man doch ganz einfach bestimmen: objektiv ex ante.
    Dann ist zwar ein gewisser Teil der Leserschaft zwar genauso schlau wie vorher; nämlich der Teil, der zu bequem ist, mal kurz nachzugoogeln und dann den Denkapparat anzuschmeißen. Aber diesen Teil der Leserschaft kann man ohnehin nicht belehren, ohne dass es gleich wie Majestätsbeleidigung rüberkommt und die Geschichte des Freundes eines Freundes eines Bekannten aufgetischt wird, der vor Gericht unfair behandelt wurde, weil der Richter von SV ja ohnehin keine Ahnung hatte.

    Ich verweise Laien übrigens lieber nicht auf Kompaktkommentare wie den S/S oder Fischer, weil dort jedes Wort mit Vorsicht zu genießen ist. Mit MüKo und insbesondere LK habe ich aber gute Erfahrungen gemacht. Ist zwar alles sehr detailliert, aber dafür auch verständlich geschrieben.

  14. #14
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    Wie bereits erwähnt, ein sanftes Mittel gibt es in der Notwehr eigentlich nicht.

    "Sanft" würde ich persönlich als Erweiterung des Begriffes "erforderlich" definieren:

    Erforderlich bedeutet ja -grob zusammengefasst-, das mildeste Mittel, das geeignet ist, einen Angriff wirksam zu beenden.

    Es gibt natürlich pauschale und individuelle Bezüge. Pauschal wäre es oftmals für eine Frau, der eine Vergewaltigung droht, erforderlich, dem Täter schwerste Verletzungen zuzufügen. Wenn die Verteidigerin allerdings rein zufällig durch irgendwelche Besonderheiten (exzellente KSlerin z.B.) dem allgemeinen Bereich der Erforderlichkeit mit noch milderen Mitteln begegnen kann, wäre ihre persönliche Erforderlichkeit vielleicht sanfter. Wenn ich einen Angreifer auschoken kann ist das für seine Physis sanfter als wenn ich um mein Leben schlage und ihn dadurch verletze. Aber das ist grauste Theorie. Und im Grunde persönliche Auslegungssache, denn objektiv hat man auch durch den Choke das mildeste Mittel gewählt.

    Man nehme theoretisch an der Angreifer nimmt das Opfer in den Schwitzkasten
    und das Opfer clincht den Täter und verpasst Ihm einen Kniestoss in den Magen und kann die Auseinandersetzung damit beenden.
    Wie seht Ihr das? Fällt das unter Notwehr?
    Kommt auf die Situation an, aber generell schon. Damit wäre dann auch die Erforderlichkeit erfüllt.
    It 's not who I'm underneath but what I do that defines me. Bruce Wayne
    Dabei würdest Du sogar beim Schattenboxen verlieren. Kannix

  15. #15
    zocker Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Tiju Beitrag anzeigen
    Daher steht "Waffe" bei Kampfkünstlern in Anführungszeichen. Ich meine damit, daß ein Gericht bei Kampfkunstrainierten höhere Anforderungen an die Wahl der Technik und das Maß des Einsatzes stellen kann als bei Ungeübten. So z.B. geschehen in BGH, Urteil vom 20.7.1983 -2 StR 43/83-.

    In Bezug auf das "sanfteste Mittel" gehen manchmal Ansichten hier im Forum fehl, weil man glaubt, man müsse vor allem die Folgen für den Angreifer gering halten, ohne zu berücksichtigen, daß man ein Mittel mit hinreichender Sicherheit wählen darf. Du hast völlig recht, bei mehreren gleich wirksamen Mitteln ist das mildeste (oder "sanfteste") zu wählen. Die entscheidende Frage ist dann, ob es mehrere verschieden gefährliche Abwehrmittel gab, die den Angriff mit vergleichbar hinreichender Sicherheit abwehren konnten. Wenn mich ein nicht erkennbar Schwächerer mit der Faust angreift, und mir stehen Faust und Schußwaffe zur Verfügung, dann ist die Verwendung der Schußwaffe gerechtfertigt, denn mit der Faust kann ich den Angriff nicht mit der notwendigen Sicherheit abwehren.




    Was ist denn für Dich Theorie und was Praxis? Das was oben steht, sind Schlüsse aus Gerichtsurteilen, in der Regel des BGH als oberstem Strafgericht. Da jeder Einzelfall anders ist und Richter auch nur Menschen sind, kann man im voraus natürlich nie absolut sicher sagen, wie ein Fall bewertet wird. So ist das Leben. Ein Literaturtip: Schönke/Schröder, Strafgesetzbuch, Kommentar, 28. Aufl. 2010, § 32 Rdn. 29 - 41. Das ist ein kleiner, aber recht guter Kommentar, der viel Rechtsprechung zitiert.

    Ohne Waffen verliert man scheinbar oft bei gefährlichen Angriffen, also wenn man mit Waffen und/oder von mehreren attackiert wird. Das ist oft simple Physik und Biologie. Da ich kein Türsteher, Sicherheitsdienstler oder Polizist (die für SV nicht gerade die Meßlatte bilden können, da sie in anderen Situationen Gewalt erfahren und ausüben) bin und auch sonst Kämpfen bisher erfolgreich aus dem Weg gehe, beruht mein Schluß auf zahlreichen Berichten über Straftaten und Kämpfe, die ich in den letzten 20 Jahren gelesen habe, nicht auf eigener Kampferfahrung (wer hat die schon in statistisch relevanter Weise?). Vielleicht hast Du ja Erfahrungen, die Dich zu einer anderen Sicht bringen.

    Viele glauben, weil sie im Training Schläge oder Tritte bekommen oder ausgeteilt haben, die tolle Wirkung hatten, das wäre in echten Kämpfen vergleichbar. Ist es aber nicht unbedingt, weil sich der menschliche Körper im Stress echter Kämpfe stark verändert. Fäuste und Füße oder Ringkampf sind daher nicht besonders gute Kampfmittel, außer für Hahnenkämpfe in Diskos oder Kneipen vielleicht. Je besser man im Kampf trainiert und je erfahrener man ist, desto mehr Chancen hat man natürlich. Der Bruce Lee-Effekt sozusagen. Da Faust und Fuß nicht sonderlich wirksam sind, hat bereits der steinzeitliche Mensch Waffen erfunden. Eigene Waffen (Schlagwaffe, Messer, Gasspray, Schußwaffe etc.) dienen dazu, die oft bestehende physische und psychologische Unterlegenheit gegenüber den Angreifern etwas (!) auszugleichen.

    1)die theorie des "sanften mittels" besteht in den von dir erwähnten gesetzlichen/rechtsprechungsmässigen wirklichkeitsfremden vorgaben.

    2)die praxis besteht einerseits darin, dass die gerichte bei der beurteilung der erforderlichkeit/sanftes mittel nach diesen vorgaben vorzugehen haben,grundsätzlich ohne sich an der tatsächlichen notwehrpraxis zu orientieren, v.a. auch hinsichtlich der überschätzten bedeutung einer vom sich verteidigenden "beherrschten" kampfkunst.

    3)zum anderen besteht die praxis der tatsächlichen situation.

    4)die diskrepanz besteht m.e. darin, dass durch einhaltung der genannten vorgaben der verteidiger gezwungen wäre, situationen entstehen zu lassen, die seine unversehrtheit noch mehr gefährden, als sie es durch den angriff ohnehin schon ist, zb:

    a)die reaktionszeit um einen ansatzlosen schnellen schlag aus der nahdistanz abzuwehren ist länger, als die zeit, die der schlag benötigt. d.h., ein solcher schlag ist grds. nicht abzuwehren.viele schläger beherrschen diese technik.der angegriffene weiss aber nicht, mit wem er es zu tun hat.

    b)hinsichtlich absicht, stärke, charakter des angreifers weiss der angegriffene nicht bescheid. somit ist eine wahl eines geigneten sanften mittels, das gerade ausreicht praktisch nicht möglich.

    c)angegriffener ist "ksler":
    -wie gut ist er technisch tatsächlich
    -wie gut ist er im kampf/sv
    -wenn er gut ist, worauf ist sein training ausgerichtet, sport oder sv
    -wieviel praxiserfahrung hat er
    -wie stark ist sein gegner, zb selber ksler, erfahrener schläger oder strassen kämpfer, ksler mit strassenerfahrung, kleiner oder grosser irrer, unter drogen...
    -weiss der verteidiger von den fähigkeiten seines angreifers
    -hat angreifer waffen/ freunde dabei
    -wird warnschuss dem angreifer nicht die chance zur beendigung des angriffs geben(unabhängig von ks)
    -der verteidiger kennt gar keine sanften mittel (zb boxer)
    -...

    also:
    für den verteidiger bestehen so viele unbekannte faktoren, dass er meist gar nicht beurteilen kann, was das sanfteste mittel wäre, wenn´s brenzlig wird.
    er kann vielleicht höchstens beurteilen, was er momentan machen kann, um aus der situation möglichst unversehrt herauszukommen.
    d.h., er MUSS zur möglichst sicheren gewährleistung seiner unversehrtheit auf nummer sicher gehen, und kann sich nicht um sanftheit kümmern.

    etwas anderes mag gelten, bei "angriffen" von frauen oder kindern etc.

    4)grundsätzlich finde ich jedoch, dass der angreifer das VOLLE risiko zu tragen haben sollte, zb auch in fällen der nothilfe.
    m.e. würde das auch zu einer steigerung der immer wieder öffentlich gefordeten zivilcourage beitragen.
    dass diese ansicht wohl nicht politisch korrekt und auch mit der derzeitigen rechtslage nicht in einklang zu bringen ist, ist mir bewusst.

    5)richter, die über solche fälle zu urteilen haben, könnten zb mal ´ne zeit lang als discoaufpasser o.ä arbeiten (natürlich nicht allgemein durchführbar).
    da würde wohl die perspektive und evtl. auch mal die nase etwas veschoben.

    6)faust und fuss von zb schlägertypen, die arme leute zusammenschlagen, so dass sie sterben oder samt angehörigen lebenslange schäden davontragen, würde ich jedenfalls nicht als unwirksam bezeichnen.
    wieso sollte das bei jemanden, der seit längerer zeit RICHTIG trainiert anders sein?
    wie´s in der praxis angewndet werden kann, ist eine zeite frage, da hast du recht.

    7)ein ringkämpfer (evtl mit praxiserfahrung) ist jedenfalls hinsichtlich der anwendung sanfter mittel m.e. klar im vorteil.
    muss halt aufpassen, dass beim angreifer nichts bricht.
    sonst war´s nicht sanft.

    8)dein allererster beitrag hier im board ging m.e. bereits ohnehin in die richtung des nicht übertriebenen angreiferschutzes.


    gruss
    Geändert von zocker (18-08-2010 um 13:30 Uhr)

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