Im Bestreben, Karate mit der Aura „positiver“ moralischer Werte zu umgeben, trug man oftmals derart dick auf, daß der Katalog all der edlen Ziele und Inhalte, die man dem Kampfsport zuschrieb, an Ätherik und Feingeist noch jedes Anthroposophenideal hätte in den Schatten stellen können.
Albrecht Pflüger, neben seiner Tätigkeit als Budo-Literat auch hauptamlicher Schulpädagoge, beschreibt den „hohen Erziehungsanspruch“, der sich im Karate vergegenwärtige: Der „richtige Karatekämpfer“, so listet er auf, sei „höflich, ehrlich, mitfühlend, sanft, nachgebend, geduldig, gerecht, bescheiden und mutig“ (1975, S. 358) – Charaktereigenschaften, die er sich eben durch den im Karate wirkenden Geist des Zen erwerbe.
(Unabhängig davon, daß Zen, philosophischer Versuch der Moraltranszendenz, hier widersinnigerweise gerade zur Grundlage moralischer Imperative umgebogen wird, werfen diese doch auch ein bezeichnendes Licht auf das kleinkarierte Selbstverständnis, an dem Karate sich in seinem Bemühen orientiert, sein Gewaltwesen zu kaschieren).