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Thema: Methodische Reihen der Würfe im Judo - Grundlage: Gokyo?!

  1. #1
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    Standard Methodische Reihen der Würfe im Judo - Grundlage: Gokyo?!

    Zitat Zitat von rambat Beitrag anzeigen
    Leider fragte er sich nie, ob es eine andere Möglichkeit als die der linearen, monokausalen Anordnung der 40 Wurfprinzipien geben könne ...
    Und genau das ist schlicht Unsinn! Aber der Reihe nach.

    In den 1950er und 1960er Jahren dominierten in Europa im Wesentlichen zwei Systeme / Systematiken von Nage-waza: die "Methode Kawaishi" und die Gokyo-no-waza des Kodokan (nicht Goyko-no-kaisetsu, das ist eine falsch übernommene Bezeichnung, aber das führt OT).

    Viele Lehrer in Europa orientierten sich damals STRENG - oder mit anderem Wort "linear" - an der jeweiligen Reihenfolge, je nach Region unterschiedlich an Kawaishi oder an die Gokyo-no-waza. Diese Reihenfolge lag auch den meisten Kyu-Prüfungsordnungen zu Grunde.

    Mitte/Ende der 1960er Jahre nahm die Kritik an dieser verbreiteten Praxis zu, denn innerhalb dieser linearen Vorgehensweise steckte nun einmal relativ wenig Sinn.

    Gleeson und Geesink waren zwei prominente Judo-Lehrer, die gerne Polarisierung und Provokation als Stilmittel einsetzten, um Diskussionen anzustoßen. Sie wollten mit ihren Thesen Leute zum Nachdenken bringen und damit Diskussionen anstoßen. Von daher erklären sich die schroffen Äußerungen beider (Gleeson zur Gokyo-no-waza, Geesink hauptsächlich zu Kawaishi, was sich aus ihrem persönlichen Hintergrund erklärt) zu dieser "sinnfreien" methodischen Anordnung - wohlgemerkt, der streng linearen Vermittlung der Techniken in der Reihenfolge der Gokyo-no-waza und der "Methode Kawaishi"!

    Es gibt - lassen wir einmal Personen und historische Zusammenhänge beiseite - grob gesagt zwei Möglichkeiten, wie man in einem Vermittlungsprozess (also in methodischer Absicht) eine Reihenfolge von Nage-waza sinnvoll gestalten kann, wobei sinnvoll heißt "sich von der linearen Betrachtung zu lösen!!!"
    • nach Bewegungsverwandtschaften, was bedeutet, ähnliche Techniken nacheinander zu vermitteln, um einen Transfer von Bewegungsmustern einer bereits gelernten Bewegung als Basis für eine neue Bewegung zu nutzen und damit den Lernprozess zu beschleunigen(vereinfachen)
    • nach situativen Zusammenhängen, was im Wesentlichen bedeutet, dass sich eine Technik aus einem Verteidigungsverhalten gegen eine andere Technik logisch ergibt.


    Der erste Punkt - die Bewegungsverwandtschaften - ist problematisch, weil es sowohl den gewollten positiven Transfer gibt, als auch den ungewollten negativen Transfer (sog. Interferenz), was im Prinzip nichts anderes bedeutet, als dass eine automatisierte Bewegung dem Erlernen einer neuen Bewegung hinderlich ist, weil man immer wieder in die automatisierte Bewegung zurückfällt. Deswegen ist ja auch das Umlernen oder die Korrektur eines eingeschliffenen Fehlers so schwierig.

    Konzepte einer Gruppierung nach Bewegungsverwandtschaften haben z.B. Geesink (Spielarmtechniken, Spielbeintechniken, Gruppe "Gari", Gruppe "Barai") und M. Ohgo entwickelt und veröffentlicht.

    Eine geschickte Vorgehensweise nach Bewegungsverwandtschaften ermöglicht zwar eine "gefühlte" schnelle Vermittlung vieler Techniken, allerdings bleibt die situative Anwendung weitgehend auf der Strecke. Hier kommt das zweite Prinzip ins Spiel: die Vermittlung in situativen Zusammenhängen.

    Die Grundidee ist ziemlich simpel: man beginnt mit einer (nahezu beliebigen) Technik. Gegen diese Technik gibt es natürlich ein Verteidigungsverhalten. Aufbauend auf diesem Verteidungsverhalten wechselt Tori die Angriffstechnik. Über das Verteidigungsverhalten wird also ein Sinnzusammenhang zwischen zwei Techniken hergestellt, dergestalt, dass die zweite Technik durch das jeweilige Verteidungsverhalten bedingt eine Art "Fortführung" der ersten Technik ist. Wenn man so will entsteht eine "Kette" von zwei Techniken.

    Da Uke aber nun auch gegen die zweite Technik verteidigen kann, ergibt sich natürlich auch eine dritte sich anschließende Möglichkeit als Antwort auf die zweite Technik. Die Kette hat sich um ein drittes Glied erweitert. Das Ganze lässt sich nun beliebig fortsetzen. Derartige Ketten lassen sich nun als "Reihen", meinetwegen auch als "methodische Reihen" als Leitschnur für den Unterricht nutzen.

    Da es gegen jede Technik mehrere Verteidigungsmöglichkeiten gibt, gibt es auch bei jeder Technik Verzweigungsmöglichkeiten, nämlich dergestalt, dass Tori je nach Reaktion von Uke eine andere Folgetechnik ausführt. Die Möglichkeiten gehen nahezu ins Unendliche.

    Tokio Hirano (nicht Tokyo, das ist die Stadt) hat derartige Reihen zur Grundlage seines Unterrichts gemacht. die von ihm kreierte Kata folgt genau diesem Gedanken (YouTube - nanatsu no kata - Tokio Hirano - 1985 France - leider schlechte Bildqualität). Da Hirano sehr intensiv in Europa unterwegs war, war dieses Konzept zumindest unter den engagierten Leuten ausführlich bekannt.

    Was aber fehlte war Ordnung in der Vielzahl von Einzelmöglichkeiten, die ja ins Unendliche gehen. Also machten sich einige Leute daran, diese Dinge zu ordnen und zu systematisieren.

    Heraus kamen zwei unterschiedliche Ansätze, die sich ergänzten. P. Hermann beschrieb, welcher Art der situative Zusammenhang zwischen zwei Techniken sein kann, während Klocke/Bonfranchi ein vereinfachtes Modell vorstellten, welche Situationen nach einem Angriff mit einer beliebigen Techniken entstehen können - und welches die Handlungsoptionen für Tori und für Uke sind.

    Beiden Ansätzen gemeinsam ist, dass sie die Prinzipien der Situationsentwicklung/Situationsentstehung, die allesamt in den vorgenannten "Reihen"/"Ketten" vorkommen können extrahiert und mit Beispielen beschrieben bzw. gefüllt haben. Die Anordnung dieser Beispiele folgte dann anderen Gedanken, wie z.B. den Bewegungsverwandtschaften, wodurch jeweils versucht wurde, die Vorteile beider "sinngebenden" Konzepte (siehe Punkte oben) miteinander zu verbinden.

    Aber zurück zum Ausgangspunkt: all dies ist genau aus dem Grund geschehen, weil die lineare Betrachtung der Gokyo-no-waza bzw. der "Methode Kawaishi" keinen oder kaum einen sinnvollen Aufbau darstellt.

    Von den sinnvollen Abfolgen, die sich aus den unendlichen Möglichkeiten von Ketten und Verzweigungen ergeben, folgen in der Tat einige (grob) dem Aufbau der Gokyo andere laufen aber genau anders herum, wenn man so will, gibt es ein "vorwärts", ein "rückwärts" und ein "springen".

    In einer Zeit, in der die Gokyo in strenger Ordnung Basis für Kyu-Prüfungen war - in Westdeutschland bis 1969 in der DDR noch 20 Jahre länger - ist es natürlich naheliegend sich vor allem solchen Folgen zuzuwenden, die die Reihenfolge der Gokyo zumindest in den Stufen wiederspiegeln.

    Das heißt aber nicht, dass das die einzigen Möglichkeiten sind.

    Jetzt ist es doch ein längerer Beitrag geworden an dessen Schluss ich die Hoffnung formulieren, dass verstanden worden ist, das das, was sich "Rambat" wünscht, die Grundlage der Überlegungen gerade der Leute war, die er heute teilweise so heftig und auch persönlich attackiert.

    Zu Gute halten muss man allerdings, dass diese Begründungszusammenhänge weitgehend unbekannt sind und sich - wie das beim Judo so oft der Fall ist - erst durch qualifizierte Erläuterung erschließen.

  2. #2
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    Standard

    Zitat Zitat von akeru Beitrag anzeigen
    Aber zurück zum Ausgangspunkt: all dies ist genau aus dem Grund geschehen, weil die lineare Betrachtung der Gokyo-no-waza bzw. der "Methode Kawaishi" keinen oder kaum einen sinnvollen Aufbau darstellt.
    Warum hat Kano sie denn dann so zusammengestellt? Hatte er keine Ahnung oder hat er sich gesagt, ach komm hier mal den Wurf, dann mal den Wurf? Das kann ich mir nur schwer vorstellen, vor allem, da es anscheinend ja wohl doch eine Systematik in den Gokyo zu geben scheint...

    Grüße

    Kanken

  3. #3
    Gast Gast

    Standard

    Zitat Zitat von akeru Beitrag anzeigen
    die von ihm [Tokio Hirano] kreierte Kata folgt genau diesem Gedanken (YouTube - nanatsu no kata - Tokio Hirano - 1985 France - leider schlechte Bildqualität).
    danke für den Link...
    ansonsten bin ich gespannt, welche Erkenntnisse sich aus der Diskussion, die dein Beitrag anregen wird, ergeben!

    Dazu ggf. gleich einen neuen Thread aufmachen, da es hier primär um Wurfprinzipien geht?!

  4. #4
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    Zitat Zitat von kanken Beitrag anzeigen
    ...da es anscheinend ja wohl doch eine Systematik in den Gokyo zu geben scheint...
    Aber die ist eben keinesfalls linear. In dem Punkt sind sich Rambat, Geesink und Gleeson sich doch vollkommen einig, wie Du oben ganz leicht nachlesen kannst.

    Die Systematik der Gokyo ist ein Henne-Ei-Problem. Es gibt m.W. keine detaillierten Erläuterungen zu den Begründungen über die Anordnung der Techniken - weder zur Zuordnung zu den Stufen, noch die Reihung innerhalb der Stufen.

    So lange es diese nicht in Form von Primärquellen gibt, ist man auf Rekonstruktionen angewiesen, die immer mehr oder weniger spekulativ sind und bleiben werden. Das ist nicht weiter schlimm, so lange man sich dessen bewusst ist.

    Ich habe z.B. meine eigene Betrachtungsweise und erkenne für mich persönlich durchaus interessante Strukturen innerhalb der Gokyo, vor allem im Quervergleich der 1895er und der 1920er Fassung. Aber das führt jetzt wirklich OT, denn hier geht es ja um "Wurfprinzipien".

  5. #5
    Gast Gast

    Standard Methodische Reihen der Würfe im Judo - Grundlage: Gokyo?!

    Zitat Zitat von akeru Beitrag anzeigen
    In den 1950er und 1960er Jahren dominierten in Europa im Wesentlichen zwei Systeme / Systematiken von Nage-waza: die "Methode Kawaishi" und die Gokyo-no-waza des Kodokan (nicht Goyko-no-kaisetsu, das ist eine falsch übernommene Bezeichnung, aber das führt OT).

    Viele Lehrer in Europa orientierten sich damals STRENG - oder mit anderem Wort "linear" - an der jeweiligen Reihenfolge, je nach Region unterschiedlich an Kawaishi oder an die Gokyo-no-waza. Diese Reihenfolge lag auch den meisten Kyu-Prüfungsordnungen zu Grunde.

    Mitte/Ende der 1960er Jahre nahm die Kritik an dieser verbreiteten Praxis zu, denn innerhalb dieser linearen Vorgehensweise steckte nun einmal relativ wenig Sinn.

    Gleeson und Geesink waren zwei prominente Judo-Lehrer, die gerne Polarisierung und Provokation als Stilmittel einsetzten, um Diskussionen anzustoßen. Sie wollten mit ihren Thesen Leute zum Nachdenken bringen und damit Diskussionen anstoßen. Von daher erklären sich die schroffen Äußerungen beider (Gleeson zur Gokyo-no-waza, Geesink hauptsächlich zu Kawaishi, was sich aus ihrem persönlichen Hintergrund erklärt) zu dieser "sinnfreien" methodischen Anordnung - wohlgemerkt, der streng linearen Vermittlung der Techniken in der Reihenfolge der Gokyo-no-waza und der "Methode Kawaishi"!

    Es gibt - lassen wir einmal Personen und historische Zusammenhänge beiseite - grob gesagt zwei Möglichkeiten, wie man in einem Vermittlungsprozess (also in methodischer Absicht) eine Reihenfolge von Nage-waza sinnvoll gestalten kann, wobei sinnvoll heißt "sich von der linearen Betrachtung zu lösen!!!"
    • nach Bewegungsverwandtschaften, was bedeutet, ähnliche Techniken nacheinander zu vermitteln, um einen Transfer von Bewegungsmustern einer bereits gelernten Bewegung als Basis für eine neue Bewegung zu nutzen und damit den Lernprozess zu beschleunigen(vereinfachen)
    • nach situativen Zusammenhängen, was im Wesentlichen bedeutet, dass sich eine Technik aus einem Verteidigungsverhalten gegen eine andere Technik logisch ergibt.


    Der erste Punkt - die Bewegungsverwandtschaften - ist problematisch, weil es sowohl den gewollten positiven Transfer gibt, als auch den ungewollten negativen Transfer (sog. Interferenz), was im Prinzip nichts anderes bedeutet, als dass eine automatisierte Bewegung dem Erlernen einer neuen Bewegung hinderlich ist, weil man immer wieder in die automatisierte Bewegung zurückfällt. Deswegen ist ja auch das Umlernen oder die Korrektur eines eingeschliffenen Fehlers so schwierig.

    Konzepte einer Gruppierung nach Bewegungsverwandtschaften haben z.B. Geesink (Spielarmtechniken, Spielbeintechniken, Gruppe "Gari", Gruppe "Barai") und M. Ohgo entwickelt und veröffentlicht.

    Eine geschickte Vorgehensweise nach Bewegungsverwandtschaften ermöglicht zwar eine "gefühlte" schnelle Vermittlung vieler Techniken, allerdings bleibt die situative Anwendung weitgehend auf der Strecke. Hier kommt das zweite Prinzip ins Spiel: die Vermittlung in situativen Zusammenhängen.

    Die Grundidee ist ziemlich simpel: man beginnt mit einer (nahezu beliebigen) Technik. Gegen diese Technik gibt es natürlich ein Verteidigungsverhalten. Aufbauend auf diesem Verteidungsverhalten wechselt Tori die Angriffstechnik. Über das Verteidigungsverhalten wird also ein Sinnzusammenhang zwischen zwei Techniken hergestellt, dergestalt, dass die zweite Technik durch das jeweilige Verteidungsverhalten bedingt eine Art "Fortführung" der ersten Technik ist. Wenn man so will entsteht eine "Kette" von zwei Techniken.

    Da Uke aber nun auch gegen die zweite Technik verteidigen kann, ergibt sich natürlich auch eine dritte sich anschließende Möglichkeit als Antwort auf die zweite Technik. Die Kette hat sich um ein drittes Glied erweitert. Das Ganze lässt sich nun beliebig fortsetzen. Derartige Ketten lassen sich nun als "Reihen", meinetwegen auch als "methodische Reihen" als Leitschnur für den Unterricht nutzen.

    Da es gegen jede Technik mehrere Verteidigungsmöglichkeiten gibt, gibt es auch bei jeder Technik Verzweigungsmöglichkeiten, nämlich dergestalt, dass Tori je nach Reaktion von Uke eine andere Folgetechnik ausführt. Die Möglichkeiten gehen nahezu ins Unendliche.

    Tokio Hirano (nicht Tokyo, das ist die Stadt) hat derartige Reihen zur Grundlage seines Unterrichts gemacht. die von ihm kreierte Kata folgt genau diesem Gedanken (YouTube - nanatsu no kata - Tokio Hirano - 1985 France - leider schlechte Bildqualität). Da Hirano sehr intensiv in Europa unterwegs war, war dieses Konzept zumindest unter den engagierten Leuten ausführlich bekannt.

    Was aber fehlte war Ordnung in der Vielzahl von Einzelmöglichkeiten, die ja ins Unendliche gehen. Also machten sich einige Leute daran, diese Dinge zu ordnen und zu systematisieren.

    Heraus kamen zwei unterschiedliche Ansätze, die sich ergänzten. P. Hermann beschrieb, welcher Art der situative Zusammenhang zwischen zwei Techniken sein kann, während Klocke/Bonfranchi ein vereinfachtes Modell vorstellten, welche Situationen nach einem Angriff mit einer beliebigen Techniken entstehen können - und welches die Handlungsoptionen für Tori und für Uke sind.

    Beiden Ansätzen gemeinsam ist, dass sie die Prinzipien der Situationsentwicklung/Situationsentstehung, die allesamt in den vorgenannten "Reihen"/"Ketten" vorkommen können extrahiert und mit Beispielen beschrieben bzw. gefüllt haben. Die Anordnung dieser Beispiele folgte dann anderen Gedanken, wie z.B. den Bewegungsverwandtschaften, wodurch jeweils versucht wurde, die Vorteile beider "sinngebenden" Konzepte (siehe Punkte oben) miteinander zu verbinden.

    Aber zurück zum Ausgangspunkt: all dies ist genau aus dem Grund geschehen, weil die lineare Betrachtung der Gokyo-no-waza bzw. der "Methode Kawaishi" keinen oder kaum einen sinnvollen Aufbau darstellt.

    Von den sinnvollen Abfolgen, die sich aus den unendlichen Möglichkeiten von Ketten und Verzweigungen ergeben, folgen in der Tat einige (grob) dem Aufbau der Gokyo andere laufen aber genau anders herum, wenn man so will, gibt es ein "vorwärts", ein "rückwärts" und ein "springen".

    In einer Zeit, in der die Gokyo in strenger Ordnung Basis für Kyu-Prüfungen war - in Westdeutschland bis 1969 in der DDR noch 20 Jahre länger - ist es natürlich naheliegend sich vor allem solchen Folgen zuzuwenden, die die Reihenfolge der Gokyo zumindest in den Stufen wiederspiegeln.

    Das heißt aber nicht, dass das die einzigen Möglichkeiten sind.

    Jetzt ist es doch ein längerer Beitrag geworden an dessen Schluss ich die Hoffnung formulieren, dass verstanden worden ist, das das, was sich "Rambat" wünscht, die Grundlage der Überlegungen gerade der Leute war, die er heute teilweise so heftig und auch persönlich attackiert.

    Zu Gute halten muss man allerdings, dass diese Begründungszusammenhänge weitgehend unbekannt sind und sich - wie das beim Judo so oft der Fall ist - erst durch qualifizierte Erläuterung erschließen.
    Zitat Zitat von kanken Beitrag anzeigen
    Warum hat Kano sie denn dann so zusammengestellt? Hatte er keine Ahnung oder hat er sich gesagt, ach komm hier mal den Wurf, dann mal den Wurf? Das kann ich mir nur schwer vorstellen, vor allem, da es anscheinend ja wohl doch eine Systematik in den Gokyo zu geben scheint...

    Ist doch ein interessantes Thema und durchaus einen Thread wert....

  6. #6
    Gast Gast

    Standard

    ...
    Geändert von Gast (03-09-2010 um 16:52 Uhr) Grund: Beiträge wurden in eigenen Thread verschoben

  7. #7
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    Standard

    Zitat Zitat von ypsilono Beitrag anzeigen
    Ist doch ein interessantes Thema und durchaus einen Thread wert....
    Das war jetzt nun wirklich nicht meine Absicht, aber ich hatte schon geantwortet:
    Zitat Zitat von akeru Beitrag anzeigen
    Aber die ist eben keinesfalls linear. In dem Punkt sind sich Rambat, Geesink und Gleeson sich doch vollkommen einig, wie Du oben ganz leicht nachlesen kannst.

    Die Systematik der Gokyo ist ein Henne-Ei-Problem. Es gibt m.W. keine detaillierten Erläuterungen zu den Begründungen über die Anordnung der Techniken - weder zur Zuordnung zu den Stufen, noch die Reihung innerhalb der Stufen.

    So lange es diese nicht in Form von Primärquellen gibt, ist man auf Rekonstruktionen angewiesen, die immer mehr oder weniger spekulativ sind und bleiben werden. Das ist nicht weiter schlimm, so lange man sich dessen bewusst ist.

    Ich habe z.B. meine eigene Betrachtungsweise und erkenne für mich persönlich durchaus interessante Strukturen innerhalb der Gokyo, vor allem im Quervergleich der 1895er und der 1920er Fassung. (...)
    Das Problem ist nicht auflösbar.

    Niemand wird plausibel begründen und glaubhaft machen können, dass eine Gruppe hochqualifizierter Leute 48 Elemente (die damals "offiziellen" Nage-waza) in fünf Gruppen á 8 ("neue" Gokyo) und 8 weitere, die aus der 1895er Gokyo herausgenommen wurden, ohne sich irgendwie Gedanken zu machen, zusammengeschmissen haben.

    Auf der anderen Seite sind diese Gedanken nirgendwo als Primärquellen verfügbar, so dass niemand den Anspruch erheben kann, die damaligen Argumente im Detail(!) wiedergeben zu können. Einzelaspekte sind bekannt, mehr aber auch nicht.

    Insofern ist eine historisch korrekte Aufklärung der Anordnung aus meiner Sicht nicht möglich.

  8. #8
    rambat Gast

    Standard -

    -
    Geändert von rambat (07-11-2010 um 16:14 Uhr)

  9. #9
    rambat Gast

    Standard -

    -
    Geändert von rambat (07-11-2010 um 16:14 Uhr)

  10. #10
    Gast Gast

    Standard

    Mir ging es eigentlich auch gar nicht um das WARUM (so oder so)...

    Ich durfte ja erleben, wie du prinzipienbasiert von einem Wurf zum nächsten kommst, und wir sprachen (auch im KKB schon angesprochen) von der 3-dimensionalen Anordnung der Prinzipien in einer Kugel, die sozusagen über Knotenpunkte alle miteinander verbunden sind (z.T. direkt, z.T. indirekt).
    Mit entsprechendem Hintergrundwissen lässt sich dieser Ansatz des Verständnisses der methodischen Reihen, die sich aus der Gokyo erbgeben zwar nicht belegen (da keine Quellen vorliegen), aber eben durchaus plausibel erläutern (siehe Thread Wurfprinzipien).

    Andererseits halte ich es durchaus auch für sinnvoll, bestimmte Würfe in einer situationsbasierten methodischen Reihe zu lehren. Das von akeru verlinkte Video mit Hiranos Kata verdeutlicht diesen Ansatz (mWn) sehr gut wie ich finde. Hierbei scheint die situationsspezifische Handlungsfähigkeit im Vordergrund zu stehen. Es geht scheinbar um Kausalketten. Dafür dürfte es aber erforderlich sein, die einzelnen (isolierten) Prinzipien bereits zu beherrschen.

    Ich sehe also zwei Ansätze für die methodischen Reihen der Würfe.
    1. prinzipienbasiert - um die Fähigkeit zu erlangen Werfen zu können, und dabei zu berücksichtigen, dass Wurf X auf dem Prinzip von Wurf Y aufbaut.
    2. situationsbasiert - in Form von Wenn-dann-Handlungsmöglichkeiten, um bei typischen Situationsänderungen (z.B. Uke steigt mit rechts nach hinten aus) das dann entsprechende Wurfprinzip schnellstmöglich anwenden zu können ("Kombination") (aber auch denkbar aus Ukes Sicht, der einen Angriff kontert).

    Hierbei ist unbedingt festzuhalten, dass das eine das andere NICHT ausschließt. Ganz im Gegenteil! Ein Wurfprinzip beinhaltet ja bereits eine bestimmte Situation.

    Es ging mir also nicht um den historischen Nachweis der Begründung für die methodischen Reihen der Gokyo. Ich halte diese Diskussion aus "didaktisch-methodischen" Gründen, insbesondere für Lehrer/Trainer, für sinnvoll!

  11. #11
    rambat Gast

    Standard -

    -
    Geändert von rambat (07-11-2010 um 16:14 Uhr)

  12. #12
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    Standard

    Ein paar kleine Bemerkungen noch von meiner Seite.

    Mir fehlt ein wenig Klarheit über das jeweilige Verständnis der verschiedenen Schreiber von den Begrifflichkeiten "Technik" versus "Prinzip". Nach meinem Verständnis kann es das eine ohne das andere nicht geben. Als Technik betrachte ich das beobachtbare, also das "was" einer Aktion, während das Prinzip das nicht direkt beobachtbare "warum", also die (noch) "körperlose" Idee beschreibt, die einer Technik zugrunde liegt. Technik ist also nach meinem Verständnis in die Praxis umgesetzte(s) Prinzip(ien). (aber eine eindeutige allgemeine Definition ist mir nicht bekannt).

    Insofern kann ich aber mit einer "prinzipienbasierten" Vermittlung nicht viel anfangen, es sei denn, es soll sich darauf beziehen, dass bei der Vermittlung der Technik, auf das/die zugrunde liegende(n) Prinzip(ien) besonderer Wert gelegt und dass das "warum" in besonderer Weise herausgestellt wird. Das betrachte ich allerdings als eine Selbstverständlichkeit eines halbwegs professionellen Unterrichts und als alternativlos.

    Oder meinst Du, dass es Analogien bei den Prinzipien unterschiedlicher Techniken gibt und dass man diese geschickt für den Transfer von einer Technik zur anderen ausnutzt? Das geht natürlich auch und ist auch sinnvoll, weil das neue auf bereits bekanntem aufbaut.

    Was die Betrachtungen zur Gokyo selbst betrifft, so kommt es sehr darauf an, mit welchem Anspruch man die Diskussion führt.

    Den Anspruch auf die "historische Wahrheit" kann niemand einlösen und das wird sich auch nicht ändern, so lange Primärquellen fehlen. Es kann also nur ein persönliches Verständnis geben, entweder das eigene oder das von einem Lehrer - über wie viele Stationen auch immer - übertragene eines anderen.

    An der Stelle ist mir abschließend wichtig, einige Dinge festzuhalten:
    • derartige Betrachtungen und Sinnzuschreibungen können außerordentlich wertvoll sein auch ohne, dass sie die "historische Wahrheit" darstellen.
    • der Wert bemisst sich dabei aus dem praktischen Nutzen, der aus dieser Betrachtung gezogen wird.
    • da niemand die "historische Wahrheit" für sich beanspruchen kann, kann auch niemand von einem anderen sagen, er habe die Gokyo nicht verstanden.


    Man muss aber auch differenzieren, was mit "Verständnis der Gokyo" gemeint ist. Mitunter habe ich das Gefühl, es ist das Verständnis (möglichst) aller Techniken der Gokyo gemeint. Manchmal habe ich den Eindruck, als sei ein Verständnis über Verbindungen (Bewegungsverwandtschaften, Analogien in den "Prinzipien", situative Zusammenhänge) gemeint. Beide Punkte sind unabhängig von der Position der einzelnen Techniken in der Gokyo wichtig.

    Es gibt aber auch Leute, die reiten auf der Position der Techniken in der Gokyo herum und schreiben dieser eine besondere Bedeutung zu. Aber wie schon oben gesagt: es ist ein Henne-Ei-Problem, das sich nicht lösen lässt.
    Geändert von akeru (03-09-2010 um 17:58 Uhr)

  13. #13
    califax Gast

    Standard

    Zitat Zitat von akeru Beitrag anzeigen
    Mir fehlt ein wenig Klarheit über das jeweilige Verständnis der verschiedenen Schreiber von den Begrifflichkeiten "Technik" versus "Prinzip". Nach meinem Verständnis kann es das eine ohne das andere nicht geben. Als Technik betrachte ich das beobachtbare, also das "was" einer Aktion, während das Prinzip das nicht direkt beobachtbare "warum", also die (noch) "körperlose" Idee beschreibt, die einer Technik zugrunde liegt. Technik ist also nach meinem Verständnis in die Praxis umgesetzte(s) Prinzip(ien). (aber eine eindeutige allgemeine Definition ist mir nicht bekannt).
    Hmmm, dann mal der Versuch einer Begriffskritik.
    Von "Techniken" wird üblicherweise in einem Kontext geredet, in dem man mit einer Bewegungsfolge auf eine Bedingung reagiert. Das läuft dann ab wie in einem BASIC-Programm:
    Wenn er so damit kommt, dann machst Du das. Und wenn das nicht klappt, dann machst Du das und hängst noch einen geschraubten Doppelsalto dran.
    In diesen Kontexten werden üblicherweise Techniken gepaukt.
    Man lernt nicht, wie ein Kampf funktioniert, sondern man drillt, wie ein Computer auf eine bestimmte Bewegung des anderen mit einer Superduperspezialtechnik zu antworten.
    Das Ergebnis dieses Denkens: Man rennt Hebeln hinterher, versucht unbedingt die einzigen zwei, drei beherrschten Würfe zu erzwingen, ist hilflos, wenn der Andere nicht das tut, was Uke im Training immer zu tun hat.

    Prinzipienbasiertes Lernen setzt dagegen auf bestimmte Grundprinzipien (Wurfvektoren, Linie, Winkel, Gelenkeigenschaften, Kamae, etc.) und zeigt, daß sich die effektive Einwirkung auf den Gegner ganz von selbst ergibt, wenn man nur diese Prinzipien beachtet.

    Wenn man von den 40 Würfen der Gokyo als Prinzipien spricht, drückt man damit aus, daß es sich eben nicht um einzuprogrammierende Techniken handelt, die man einpaukt und dann um jeden Preis abzuspulen versucht, sondern, daß es sich um idealisierte Beispiele fürs gute Werfen handelt.
    Es sind abstrahierte Formeln, die jeweils eine bestimmte Idee lehren.
    Hat man diese Ideen verinnerlicht, kann man spontan werfen, wobei das dann irgendwelche Würfe sind, in denen diese Ideen/Prinzipien angewandt werden.

    Beispielsweise werden die Gokyowürfe alle mit Gi und Griff gelernt. Aber wer sie als Prinzipien kapiert, muß den Gegner nicht fassen oder treten, sondern kann die Aktionen der Gliedmaßen z.B. auch durch Waffeneinwirkung ersetzen.
    Ein Schüler von "Techniken" kann das nicht. Für ihn ist es oft etwas vollkommen anderes, wenn man den Gegner nicht am Kragen packt, sondern einen Handkantenschlag gegen den Hals führt oder gleich ein Bokken über die Halsschlagader säbelt. Er hat auch Probleme zu sehen, daß es egal ist, ob man dem Gegner das Standbein mit 'nem Geri oder 'nem Bo wegfegt, denn das sind ja alles ganz unterschiedliche "Techniken".

    So jetzt etwas klarer?

  14. #14
    Registrierungsdatum
    14.03.2009
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    Standard

    Zitat Zitat von califax Beitrag anzeigen
    So jetzt etwas klarer?
    Da hast Du ja ein etwas unorthodoxes Begriffsverständnis.

    Worauf basieren denn Deiner Meinung nach Techniken, wenn nicht auf (biomechanischen) Prinzipien?
    Und worauf basiert Deine Technikdefinition?
    Geändert von akeru (04-09-2010 um 08:29 Uhr)

  15. #15
    califax Gast

    Standard

    Zitat Zitat von akeru Beitrag anzeigen
    Da hast Du ja ein etwas unorthodoxes Begriffsverständnis.
    Nö, das ist der in allen Sportarten übliche Gebrauch von Technik und Technique, wenn damit nicht Werkzeuge sondern Tricks und Bewegungen gemeint sind.

    Zitat Zitat von akeru Beitrag anzeigen
    Worauf basieren denn Deiner Meinung nach Techniken, wenn nicht auf (biomechanischen) Prinzipien?
    Ich verstehe die Frage nicht. Liest Du eigentlich, worauf Du antwortest?

    Zitat Zitat von akeru Beitrag anzeigen
    Und worauf basiert Deine Technikdefinition?
    Es ist keine Definition sondern der allgemeine Sprachgebrauch insbesondere im Jujutsu und in diversen SV-Systemen.

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