Zeige Ergebnis 1 bis 11 von 11

Thema: Das Experiment

  1. #1
    Marquis de Sade Gast

    Standard Das Experiment

    Wow. Ich war echt beeindruckt. Selten habe ich einen solch fesselnden, deutschen Film gesehen.

    Während dem Verlauf des Filmes hab ich mir immer gedacht: "Nein, soweit würde niemand gehen." Aber ich habe einen interessanten Bericht im Netz gefunden:

    "Autorität und Gehorsam
    - das Milgram-Experiment"


    (Dieser Kurzbericht erschien in der NGFG-Vereinszeitung "Damokles" in der Ausgabe 1/94.)

    Milgram zeigt, wie schwierig die Frage der Gewaltbereitschaft ist, und wie sehr sie uns alle berührt. Denn scheinbar sind alle Menschen bereit zu Gehorsam und Gewalt.

    Eines der bekanntesten, aber auch sowohl aus ethischen als auch aus versuchstechnischen Gründen umstrittensten Experimente der Psychologie ist das sogenannte Milgram-Experiment. Die Frage, die der Sozialpsychologe Stanley Milgram in den 60er Jahren beantworten wollte, bezog sich auf die Bereitschaft ganz normaler Menschen, sich einer Autorität zu beugen und offensichtlich "unmenschliche" Anordnungen zu befolgen. Die Motivation für diese Experimentalreihe lieferten die Ereignisse des 2. Weltkriegs. Wieso waren unter dem NS-Regime so viele Menschen bereit, sich in den Dienst der Tötungsmachinerie der Nazis zu stellen? Lag es an einem grundsätzlichen Charakterfehler dieser (deutschen) Menschen oder gibt es Situationen und Umstände, unter denen möglicherweise jeder in der Lage wäre, andere Menschen zu quälen und zu töten?

    An Milgrams Experiment an der Yale Universität nahmen im Jahr 1963 40 amerikanische Männer (!) unterschiedlichen Alters, Berufs und Bildungsstandes teil, wobei die Experimentalbedingung folgendermaßen aussah:

    Den Versuchspersonen wurde erklärt, es handele sich um ein sehr bedeutendes Lernexperiment, dessen Ziel es sei, herauszufinden, wie Bestrafung das Gedächtnis beeinflußt, so daß Lernen und Gedächtnisleistung durch die richtige Balance von Belohnung und Bestrafung verbessert werden könnten. Die jeweilige Versuchsperson wurde angewiesen, in einer Rolle als Lehrer einer angeblich anderen Versuchsperson (Vertrauter des Versuchsleiter), die die Rolle eines Schülers übernehmen sollte, Elektroschocks zu verabreichen, wenn dieser Fehler machte, wobei diese in einer vorgeschriebenen Weise regelmäßig erhöht werden sollten. Es gab 30 Schalter von 15 - 450 Volt, die markiert waren mit Hinweisen wie 15 Volt = leichter Schock, 75 Volt = schmerzhaft bis 450 Volt = Lebensgefahr. Vor Beginn des Versuchs wurden die Versuchspersonen von einem anwesenden Versuchsleiter, der als legitimierte Autoritätsfigur auftrat, nochmals massiv darauf hingewiesen, wie wichtig die strikte Einhaltung der Regeln sei.

    Der angebliche Schüler äußerte vor Beginn des Versuchs beiläufig, er habe ein leichtes Herzleiden, wolle aber dennoch am Versuch teilnehmen. Dieser Schüler, d.h. das Opfer, begann bei 75 Volt zu stöhnen, woraufhin viele Versuchspersonen den Versuchsleiter vorsichtig baten, das Experiment zu unterbrechen, was dieser jedoch mit barscher Kritik und Appellen an die Männlichkeit seiner Versuchspersonen ablehnte. Bei 180 Volt bat dann der "Schüler" eindringlich, das Experiment abzubrechen, da er die Schmerzen nicht mehr ertrage. Bei 300 Volt brüllte er er um Hilfe, danach schwieg er.

    Sämtliche Versuchspersonen empfanden die Situation als äußerst unangenehm, sie protestierten, baten den "Schüler" dringend, doch zu reagieren und richtig zu antworten, um keine Schocks mehr verabreichen zu müssen, aber nur 14, d.h. 1/3 der Versuchspersonen weigerten sich definitiv, das Experiment zu Ende durchzuführen, allerdings erst zwischen 200 und 400 Volt. Keine Versuchsperson verweigerte den Gehorsam vor 200 Volt und 26 Versuchspersonen, d.h. fast 2/3 der Teilnehmer verabreichten Schocks von 450 Volt (markiert mit der Bemerkung: Lebensgefahr!).

    Prognosen, die 40 Psychiater vorab über den Ausgang dieses Experiments abgaben, erwiesen sich als großer Irrtum. Sie waren der Meinung, daß die Mehrheit nicht weiter als bis 150 Volt gehen würde und weniger als 4 % bei 300 Volt noch gehorchen würden. Nur etwa 0,1 % sollten wirklich bis 450 Volt gehen. Diese Experten überschätzten offensichtlich die Rolle der Persönlichkeit ganz erheblich, während sie sich der Macht der Situation nicht bewußt waren.

    Spätere Variationen der Versuchsanordnung zeigten, daß sich der Effekt des Gehorsams noch verstärkt, wenn

    a) die körperliche Distanz zum Opfer größer wird

    b) der sogenannte "Lehrer" unter direkter Aufsicht der Autorität steht und

    c) eine Versuchsperson als Mittelsperson handelt, die einer anderen hilft, die tatsächlichen Schocks zu verabreichen.


    Nach den Versuchen waren die Versuchspersonen ausnahmslos sehr erregt und einige geradezu gebrochene Menschen. Sie waren sich also offensichtlich bewußt, was sie getan hatten und verweigerten dennoch nicht den Gehorsam.

    Auch wenn sich die Tendenz, die das Milgram-Experiment in erschreckender Weise deutlich gemacht hat, sicherlich auch heute noch zu ähnlichen Ergebnissen führen würde, kann man davon ausgehen, daß es nicht mehr in ganz so krasser Form geschehen würde. Kritiker machen auf folgende Punkte aufmerksam, die sich vor allem auf die Generalisierbarkeit der Ergebnisse beziehen. (Die ethische Bedenklichkeit braucht an dieser Stelle wohl nicht mehr erwähnt zu werden)


    1. Milgram hat das Experiment nur mit Männern durchgeführt, was die Frage, ob Frauen genauso oder ähnlich handeln würden, offen läßt.

    2. Die Versuchspersonen wurden bezahlt, was eine gewisse Vorauswahl der Versuchspersonen bedeutet.

    3. Die Versuchspersonen der 60er Jahren sind allgemein wesentlich strenger und autoritärer erzogen worden als die nachfolgenden Generationen

    4. Die Yale Universität genoß damals ein großes und seriöses Ansehen, was nicht ausschließt, daß die Versuchsteilnehmer sich anderen Autoritäten eher widersetzen würden.


    Dennoch sind die Ergebnisse, wenn auch im Detail nicht ganz hieb- und stichfest - von ihrer Grundaussage her nicht zu leugnen. Prinzipiell ist also (fast? ) jeder Mensch unter gewissen Umständen zu Taten bereit, die er sich vorher überhaupt nicht vorstellen kann. Umfragen nach dem Motto "Wieweit würden Sie in einer Milgram-Situation gehen?" ergeben dagegen völlig konträre Werte. Kaum jemand glaubt von sich selbst, sich in einer solchen Situation der Autorität zu beugen.

    Das Ergebnis dieser Untersuchung zeigt also dem einzelnen ganz deutlich, wie unmöglich es sein kann, sich selbst wirklich zu kennen. Somit scheint niemand in der Lage zu sein, sein Verhalten für Extremsituationen vorauszusagen, auch wenn der subjektive Eindruck , es sei so, sehr stark ist.

    Literatur:

    Kay Deaux & Lawrence S. Wrightsman: Social Psychologie

  2. #2
    Sebastian Gast

    Standard

    Habe den Film schonmal vor ein paar Jahren gesehen und gestern kam er ja wieder. Faszinierend fesselnd.

  3. #3
    vstm Gast

    Standard

    Der Lack der Zivilisation ist dünn.


    Wenn's wer nötig hat für Geld an einem Experiment mitzumachen...

    ...dann hat er vermutlich schon im Vorfeld Probleme monetärer Art gehabt. D.h. er ist schon ein bißchen down oder seine geistigen Fähigkeiten, Charakter, mangelndes Selbstbewußtsein etc. haben ihn in diese Situation gebracht. Es geht ihm schon mal nicht so gut wie es ihm gehen sollte.

    Grundsätzlich kann man aber jeden Menschen auch in so eine Ausgangslage bringen. Man muß ihn nur ständig überfordern und ihm persönlichen Freiraum (Rückzugsmöglichkeit) nehmen. Das nagt auf die Dauer am Selbstbewußtsein.

    Das heißt grundsätzlich kann man jeden Menschen dazubringen unglaubliche Taten zu setzen.

    Was noch dazukommt: Uninformiertheit und mangelnde Eingriffsmöglichkeiten auf das Geschehen. In einer neuen, fremden (Stress)Situation hält man sich eher an das gesagte, da man es nicht besser abschätzen kann.

    Versuchsleiter: "'Feuer Frei' auf erkannten Feind."
    ...
    Versuchsleiter: "Geradeaus, 300, feindliche Schützengruppe!"
    Versuchsperson: "Gefunden!" (beginnt zu ballern)


    ...in unzähligen Experimenten in den letzten Jahrtausenden Menschheitsgeschichte nachgewiesen. Der Lack der Zivilisation ist dünn.

  4. #4
    hanzaisha Gast

    Standard

    es gibt j auch dieses berühmte buch "die welle", indem ein lehrer mit seinen schülern ein experiment macht "alle braunäugigen sind gut – alle blauäugigen sind schlecht" (soweit ich mich erinnern kann, ist 12 jahre her). die leute die sonst die "klassenlooser" waren sind auf einmal die "herrschenden", die "siegertypen" sind auf einmal die "looser"… gewaltausschreitungen, unterdrückungen… bla…

  5. #5
    Joachim Gast

    Standard

    Zitat Zitat von hanzaisha
    es gibt j auch dieses berühmte buch "die welle", indem ein lehrer mit seinen schülern ein experiment macht "alle braunäugigen sind gut – alle blauäugigen sind schlecht" (soweit ich mich erinnern kann, ist 12 jahre her). die leute die sonst die "klassenlooser" waren sind auf einmal die "herrschenden", die "siegertypen" sind auf einmal die "looser"… gewaltausschreitungen, unterdrückungen… bla…

    Stärke durch Disziplin. Stärke durch Gemeinschaft.

  6. #6
    nichtinsgesicht! Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Marquis de Sade
    Während dem Verlauf des Filmes hab ich mir immer gedacht: "Nein, soweit würde niemand gehen."
    Ääh Moment, ziemlich genau dieses Experiment gab's wirklich: http://www.prisonexp.org

  7. #7
    kalimaniac Gast

    Standard

    Der Film wird übrigens am Montagmorgen 0.10 auf Pro7 wiederholt - aber diesmal (lt. TV-Spielfilm) im Gegensatz zu Donnerstag in der 5 Minuten längeren Originalfassung FSK16

  8. #8
    smash Gast

    Standard

    Ich hab den Film damals im Kino angeschaut und war da schon begeistert. Ich find den Film, zusammen mit Lammbock die beiden besten deutschen Filme, sofern man die Beiden vergleichen kann (anderes Genre). Aber bei Beiden spielt Moritz Bleibtreu mit .

    Der eingize Nachteil war halt, dass der Film geschnitten war (als ich ihn gesehen hab).

  9. #9
    neo1 Gast

    Standard Warum am Anfang des Films eine WT-Szene??

    hallo leuts!
    Ich finde den Film auch sehr sehenswert!!
    Und ds tatsächliche Experiment ist erschreckend, aber leider die traurige Wahrheit!!

    Aber was mich noch interessieren würde:
    Warum beginnt der Film mit einer Szene eines WT Trainings??

    Gruß neo1

  10. #10
    tracc Gast

    Standard

    Zitat Zitat von smash
    Ich hab den Film damals im Kino angeschaut und war da schon begeistert. Ich find den Film, zusammen mit Lammbock die beiden besten deutschen Filme, sofern man die Beiden vergleichen kann (anderes Genre). Aber bei Beiden spielt Moritz Bleibtreu mit .

    Der eingize Nachteil war halt, dass der Film geschnitten war (als ich ihn gesehen hab).

    Genauso seh ichs auch. Beide Filme sind echt geil, zwar anderes Genre, aber auf ihre Art echt gut!

  11. #11
    Taurus Gast

    Standard

    hi,

    wie schon erwähnt, gabs das milgram-experiment wirklich.
    es ist bestandteil des grundstudiums psychologie an der uni.

    da gibts noch einiges, was einen aus den socken haut...

    wer sich für die thematik des milgram- experimentes interessiert, sollte sich auch mal die "sherif et al : Zeltlagerstudie" zu gemüte ziehen.
    bei dieser studie wird, neben der eskalation, auch die deeskalation operationalisiert.

    viele solcher studien können aufgrund ethischer einwände so heute nicht mehr durchgeführt werden, es konnten aus ihnen allerdings sehr wervolle erkentnisse gezogen werden.

    grüße taurus

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer

Aktive Benutzer in diesem Thema: 1 (Registrierte Benutzer: 0, Gäste: 1)

Ähnliche Themen

  1. Änderung der Waffengesetze?
    Von Sebastian im Forum Waffen in Kampfkünsten
    Antworten: 129
    Letzter Beitrag: 02-04-2007, 10:31
  2. ju-jutsu
    Von AndyEverswinkel im Forum Ju-Jutsu
    Antworten: 19
    Letzter Beitrag: 26-04-2004, 07:53
  3. Zweifel an Systemas Geschichte
    Von Moritz im Forum Europäische Kampfkünste
    Antworten: 284
    Letzter Beitrag: 06-01-2004, 12:06

Forumregeln

  • Neue Themen erstellen: Nein
  • Themen beantworten: Nein
  • Anhänge hochladen: Nein
  • Beiträge bearbeiten: Nein
  •