"Eternity my friend is a long f'ing time!"
Kurz zum Thema "Liebe und töten".
Gibt es eine bewusstere Art zu töten, als wenn der Widersacher auf einem liegt und man ihn erwürgt? Mir fällt gerade keine ein.
Würgen geht am besten, wenn man sehr nahe am Gegner ist, wenn man ihn von sich weg hält, als wenn man ihn nicht leiden kann, weil er das ist, was er ist, dann klappt es schonmal nicht mehr so gut.
Finde ich sehr interessant. Im Einleitungsteil seines Buches schreibt unser Stilbegründer (Hironori Otsuka) sehr häufig von Liebe (sich selbst und anderen gegenüber), ebenso wie über die Bedeutung des Budo für den Frieden und Harmonie in der Gesellschaft (die Silbe "Wa" in der Bezeichnung Wado wird unter anderem mit Frieden oder Harmonie übersetzt). So weit ich weiß, war er aber durch und durch Kämpfer. Vielleicht meint er das auch in etwa so wie du es schreibst.
Mein Lehrer jedenfalls, der einer friedlich angehauchten Esoterik gänzlich unverdächtig ist, bringt auch alle eigentlich „schöngeistig“ klingenden Begriffe wie Harmonie oder Emotionen in einen kämpferischen Zusammenhang. Das höchste Ideal ist Harmonie mit dem Partner/Gegner. Gemeint ist für ihn nicht, dass man gemeinsam Blumen pflücken geht, sondern dass wenn Harmonie mit dem Gegner hergestellt ist, dieser wie ein offenes Buch dasteht und daher gänzlich chancenlos ist.
Ich habe festgestellt das man um Schmerz (auch oder vorallem extremen Schmerz) besser ertragen zu können, Hass benutzen kann.
Man kann den Schmerz wie eine lebende Person sehen die einen niederdrücken und erniedrigen will, und auf diese Person projiziert man seinen ganzen Hass.
Während man Angst einfach ignorieren kann, sie ist zwar da aber man nimmt es einfach als gegeben hin, als etwas natürliches.
Um so öfter man diese Angst konfrontiert und überwindet desto einfacher wird es.
Ein gutes Beispiel ist der Zehner im Schwimmbad, wen man das erste mal oben steht und runter sieht, denkt man scheiße ist das hoch.
Man muss diese schwelle der Angst einfach überschreiten, durch sie hindurch gehen.
Um so öfter man das dann gemacht hat um so leichter fällt es, fast wie beim Krafttraining im Hypertrophiebereich.
Es gibt aber noch eine andere Art sowohl mit Angst und vor allem mit Schmerz umzugehen.
Ich habe schon sehr früh gelernt mich auszuschalten, also meine Gefühle und mein Denken abzuschalten und nur noch zu funktionieren (wie ein Roboter).
Das würde ich aber niemanden empfehlen bewusst anzustreben, den um so weiter man sich von sich selbst entfernt um so schwerer ist es wider zurück zu kommen.
Man kann sehr schnell den Bezug zu seinen Gefühlen, seinen Bedürfnissen und auch die Bindung zu anderen Personen verlieren.
Weil man nichts mehr wirklich an sich ran lässt und sich tief in sich selbst verschließt, man wendet sich praktisch von der Außenwelt ab.
So kann man zwar extreme Schmerzen, Ängste und Erniedrigungen ertragen, es ist aber ein Pyrrhussieg.
Im Training gehe ich momentan so vor, dass ich die Angst und den Schmerz einfach als einen Gegner betrachte der mich zur Aufgabe bringen will.
Diese Aufgabe werte ich als Demütigung und Erniedrigung, und so mobilisiere ich all meine Kräfte da ich lieber sterben würde als aufzugeben und das je wieder zu zulassen (hört sich extremer an als es ist).
Und zum Thema liebe, ich habe ehrlich versuch es mir vorzustellen und es zu Visualisieren, aber ich wüsste nicht wie mir liebe helfen soll mit Schmerz und Angst besser klar zu kommen und diese zu überwinden?
Ich weiß das liebe (oder besser Mitgefühl) sehr wichtig ist, da man sich sonst in seinem Hass verliert.
Es hilft mir persönlich zum Beispiel sehr viel mich selbst an eben dieses Mitgefühl zu erinnern und dies bewusst zu kultivieren.
Manchmal durch bestimmte Trigger (Auslöser) entsteht bei mir ein bestimmter Hass und eine sehr hohe Aggressivität die sich auch gegen Menschen richten kann.
In solchen Momenten hilft es mir sehr, bewusst diese Form des Mitgefühls zu entwickeln um den Hass dadurch aufzulösen.
Mit dieser Form von Mitgefühl meine ich so was wie eine Art Universale Liebe, oder eine Art Authentische Empathie.
Sie hilft mir meine Ängste und meine Schmerzen in anderen zu sehen, und macht mir deutlich zu was ich werden würde wen ich diesem Hass und dieser Aggression nach geben würde.
Man könnte sagen sie erinnert mich an mich selbst, wen ich dabei bin mich selbst zu vergessen.
Es ist also so eine Art selbstreflektion, die mir bewusst macht was ich werden würde, oder anders gesagt was ich sein will und was ich nicht sein will.
Das ist vor einem Kampf hilfreich um eher Deeskalierend zu wirken und die Situation nicht durch eigene Aggression noch zu verschärfen.
Und es ist nach einem Kampf hilfreich um zu wissen wann man aufzuhören hat, wann es genug ist (besiegen reicht zerstören muss nicht sein!).
Aber ich will ehrlich sein, obwohl ich mir echt mühe gegeben habe verstehe ich nicht wie es mir helfen soll während eines Kampfes.
Höchstens wenn ich die Liebe dazu benutze mir bewusst zu machen für was und/oder wen ich kämpfe.
Sie also als Motivation benutze nicht zu verlieren, nicht aufzugeben und alles ertragen zu können und trotzdem weiter zu kämpfen.
Also Liebe als Motivation(?).
Oder habe ich da etwas übersehen??
Geändert von frey85 (15-05-2011 um 13:37 Uhr)
Ich versuche mich mal eben an der Problematik.
Sieh es einfach als wenn du deine Ehepartnerin mit der du 10 Jahre gelebt hast umbringst. Lies den Post von frey! Er schrieb: "dabei stirbt auch ein Teil von einem selbst".
Wenn man sich damit abgefunden hat, wen kann man leichter töten als sich selbst? Man muss lernen seine partitielle psychische Selbsttötung vor dem Hintergrund der Verhinderung seiner eigenen physischen (und damit vollständigen) Tötung auf den Gegner zu übertragen.
Wobei man nur einen Teil seiner Seele dabei tötet und dafür das ganze Leben des Gegners beendet und seins dafür rettet.
Du sollst versuchen in der Zeit des Kampfes den andern so gut kennen zu lernen wie möglich und ihn anzunehmen, wie er ist, und genau DAS ermöglicht dir am Ende ihn zu besiegen, weil du dich sicher fühlst und beruhigt sein kannst, was dir widerrum hilft, deine Fähigkeiten genau einzusetzen.
Spiegel dich in ihm! Mit jedem Menschen hat man Gemeinsamkeiten, die gilt es eben auf die schnelle zu entdecken, damit man ihn besser annehmen (lieben) kann -auch wenn man ihn am Ende zwangsläufig vielleicht tötet-.
Stell dir vor du bist auf dem Schlachtfeld. Auf welchem auch immer.
Dort sind alle Menschen gleich. Sie sind uniformiert, verdienen das gleiche Geld, sehen aus wie man selbst, haben Waffen in der Hand, kurze Haare, Helme, Namen und Nummer auf der Brust.
Wenn das kein Spiegelbild ist, dann weiß ich auch nicht.
Es geht auch ein Stück weit um Respekt vor dem Feind.
Ich denke das was Kanken beschreibt ist so ziemlich der höchste Zustand in Sachen Kampfkunst.
Es ist ein Gefühl wo der Körper sich einfach positiv äußert, auf etwas negatives. Man hasst oder fürchtet den Gegner nicht, man interagiert einfach mit ihm. Es ist ein unglaublich erfüllender Zustand im Gegensatz dazu, wenn man sich ein Duell im Hassen liefert.
Ich kann mir gut vorstellen, dass der größte Hass und der größte Wille irgendwann im Angesicht eines Gefechts bricht, je länger es dauert. Dieser Zustand ist jedoch viel existentieller, ohne Ego, ohne Anhaften.... Wo kein Ego ist, kann nichts gebrochen werden.
Deckt sich zumindest mit Aussagen von vielen berühmten Meistern und spiegelt für mich ziemlich gut, die Schwertkampf Philosophie des toten Körpers wieder.
Grüße Ima-Fan
Liebe kann keine Motivation sein. Liebe IST einfach, DAS muss man spüren.
Es geht darum, zu verstehen, dass man nicht von seinem Gegner getrennt ist. Um mit meinem Gegner zu harmonisieren, muss ich mich von der Liebe lenken lassen. Wenn mir das gelingt, kann ich in ihn "eindringen" und seinen Angriff beenden. So etwas muss man spüren. Je aggressiver jemand ist, desto schwerer ist es. Von aussen sieht man das gar nicht, bzw. Man ist einfach schneller als der Gegner, den man sehr schnell aus seinem Gleichgewicht bringt (das ist es, was man als Angreifer motorisch spürt).
Du schreibst, dass du deine Angst gelernt hast zu unterdrücken. Aus unterdrückter Angst entsteht Hass. Dieser Mechanismus ist hoch effektiv und nicht zu verachten! Allerdings macht er einen nicht glücklich, im Gegenteil, andere emotionale Probleme können dadurch verstärkt werden.
Das Gefühl des "nicht getrennt sein" vom Gegner hat auch etwas "Depersonalisierendes", da ich auch das "ich" auflöse. Es kommt auf den Rahmen an, in dem man es lernt, dafür ist die "universelle Liebe" eine Grundlage.
Wenn man jetzt über massive Traumen diese Depersonalisierung gelernt hat, muss man erst an die Traumabewältigung gehen und zwar unter Anleitung eines erfahrenen Meditationslehrers oder Psychologen, aber selbst das kann keine Garantie sein, dass man das Trauma wieder los wird.
Je eher einem die Liebe ausgetrieben wurde, desto schwerer ist es sie wiederzufinden. Wenn zu viel Scheisse auf dem Gefühl liegt, dann kann der Zugang extrem erschwert sein und auch nicht ungefährlich.
Im Kampf dieses "Einswerden" mit dem Gegner zu erreichen ist eine Möglichkeit zu kämpfen und für mich der logische Schritt nach dem Kampf aus der Angst und Wut heraus aber es ist auch ein sehr, sehr schwerer Weg. Wenn es gelingt ist es super, nur sollte man es auf einer soliden Basis tun, damit man, wenn es nicht gelingt, auf den "animalischen" Teil zurückgreifen kann.
Grüße
Kanken
Geändert von kanken (15-05-2011 um 14:06 Uhr)
Für mein Verständnis von "Liebe" ist das hier die falsche Bezeichnung. Ich glaube ich ahne was du meinst, würde es eher als eine Art "primitive / instinktive / animalische(?)" Empathie bezeichnen. Man ist sein Gegner in dem Sinne, dass man ihn kennt, weiß was er macht - und ihn dadurch besiegen kann.
"Eternity my friend is a long f'ing time!"
Problem ist ohne Angst fehlt einem halt auch der Antrieb.
Angst zu manipulieren oder kontrollieren ist kaum möglich zumindest ohne negative seelische effekte.
Es ist die Angst die einem Kraft gibt Hürden zu besiegen, ist die Angst manipuliert oder irgendwie durch Psyco-tricks weg, verliert man höchstwahrscheinlich auch seinen Willen.
Das ist auch keine wirkliche Lösung, imo.
@ all Super, weiter so! So machen Diskussionen im KKB Spaß!
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