WT ist eine hervorragende Kampfkunst, die leider im Vollkontaktlager zu wenig Ansehen genießt.
Das liegt jedoch nicht an den WT-Konzepten an sich bzw. das WT-Techniken unrealistisch wären, sondern daran, dass diese Konzepte und Techniken nicht unter Sparringsbedingungen eingeschliffen wurden. Und genau deshalb sieht man immer wieder Sparringvideos, in denen ein WT´ler gegen einen Boxer sparrt und nach allen Regeln der Kunst untergeht. Ergo, wird WT dann im Boxerlager nach dem Motto "dem kleinen Kernspecht habe ich die Zündung eingestellt!" belächelt und der Otto-Normal-Verbraucher denkt sich "und mit dieser Leptik soll ich mich gegen einen Straßenschläger wehren können?".
Fakt ist, WT hat alles was man für die Selbstverteidigung braucht, aber man muss wegkommen von diesem ewigen Gelaber über todbringende Techniken, die man in einem Sparring ja nicht einsetzen kann, da sie zu gefährlich sind. Das hilft nicht weiter.
Nimm die Techniken, die man mit MMA-Handschuhen problemlos ausführen kann. Die "Naturfeinde" (man sollte immer voneinander lernen) eines jeden Kampfkünstlers sind nunmal Muay Thai´ler, Boxer und Grappler. Wieso? Weil diese Kampfsportarten im Ring effektiv bzw. brutal sind, sich im Gefecht Mann gegen Mann bewährt haben und daher den Maßstab bilden, an dem sich jedes neue System bewerten lassen muss.
Anstatt sich um diese Thematik herumzudrucksen, sollte man die Aufgabe im WT-Lager annehmen. D.h. Schüler langsam und kontinuierlich als regelmäßige Ergänzung zum technischen und sensitiven Training sparringsfest zu machen.
Nun sagen ja viele, um es mit einem MMA´ler aufnehmen zu können, muss man gleich ins kalte Wasser geschmissen werden. Absoluter Blödsinn! Die ambitionierten und kampfstarken WT´ler haben ohnehin einen früheren Kampfsportbackground, machen schon jahrelang Crosstraining und sparren ordentlich. Aber um die geht es ja tendenziell weniger. Es geht um die Newcomer und die Schülergrade. Wenn man hier jemanden im Sparring überfordert oder erheblich verletzt, dann kommt diese Person nicht mehr ins Training, da er/sie entweder gefrustet ist oder sich eine Verletzung aufgrund beruflicher und/oder sozialer Zwänge nicht leisten kann. Leute, die was Anderes sagen, sind für mich Halbstarke, die noch keine Familie haben bzw. 9 Stunden täglich in einem anspruchsvollen Job stehen. Abgesehen davon, wer geht schon gerne übel zugerichtet aus einem Training raus. Die Gesundheit sollte schon noch im Vordergrund stehen, ohne das man als "Weichei" gilt. Die Gratwanderung zwischen intensivem und relativ verletzungsfreiem Training kann man jedoch schaffen und obliegt eben auch der Intelligenz und der Charaktere der Akteure.
Sparring muss fordern, da sonst keine Leistungssteigerung erfolgt, aber darf aus den o.g. Gründen auch nicht überfordern. Sparring muss an Härte und Intensität zunehmen, jedoch stets im Einklang mit dem eigenen Leistungsniveau. Und je intensiver ein Sparring ist, umso bessere Schutzausrüstung wird benötigt um realistisch und gleichzeitig verletzungsfrei trainieren zu können.
Hier ein Video von Tony Blauer über Safety-Gear, dass ich persönlich sehr gut finde ...
Tony Blauer Demonstrates Training Drills in High Gear - YouTube
Für Anfänger sollte das Sparring zunächst aus vielen kleinen Einzelbausteinen bestehen, d.h. z.B. WT-Keil mit Schrittarbeit gegen Jab und Cross. Verschiedene Konzepte gegen Schwinger und Haken, z.B. Tan-Sao mit distanzverkürzendem Wendungsschritt und checkender bzw. schlagender Hand oder den Bong-Sao mit distanzverlängerndem Halbschritt rückwärts und danach Konter mit einem Angriffsschritt vorwärts oder einen direkten Konter mit einem Bong-Sao-Haken auf der Innenbahn ... es gibt viele Varianten. Man nimmt eine Wenige und schleift diese Optionen dann im Sparring ein, bis sie sich als automatisierter Handlungsablauf im Gehirn abgespeichert haben. Am Schluss fügt man dann alle Puzzleteile der jeweiligen Sparringseinheiten zusammen und lernt diese frei und bedarfsgerecht in einer Sparringssession ohne Ansage gegen einen Dich treffenwollenden Sparringspartner einzusetzen. So kann man den eigenen Leistungsstand prüfen und auch feststellen, was in der Realität funktionieren würde und auf was man ggf. verzichten bzw. was man der Realität anpassen sollte.
D.h. aber nicht, dass Sparring eine lahmende Partnerübung ist, die ohne Bewegungsstress ausgeführt wird. Nein der Sparringspartner soll wie ein Boxer angreifen, am Besten selbst Boxer sein und den WT´ler auch mit der jeweils abgesprochenen Intensität am Kopfschutz treffen wollen! Der WT´ler muss das dann mit den ihm zur Verfügung stehenden und einfachen Mitteln sowie mit korrekter Distanzeinschätzung sowie passendem Timing verhindern. Dabei ist es egal, ob er anschließend eine Serie von Kettenfäusten schlägt oder theoretisch eine Handkante zum Kehlkopf schlagen könnte. Daher weg vom Mythos der "tödlichen Techniken". Natürlich ist ein ordentlicher Handkantenschlag zum Kehlkopf die lebensverkürzende Maßnahme schlechthin, aber Du wirst diesen Schlag überhaupt nur dann ins Ziel schicken können, wenn Deine technisch-taktischen und kämpferischen Attribute wie Distanz- und Zeitgefühl, Umgang mit gegnerischer Schlageinwirkung, Abbau von Schlaghemmungen, Nehmerfähigkeiten, Dominanzverhalten etc. stimmen. Andernfalls bleibt der Handkantenschlag eine Lehrbuchtechnik, die zwar tödlich ist, aber selten gesehen wird.
Intelligentes Sparring ist dynamisch und unkooperativ, aber dennoch von einem partnerschaftlichem Geist der beiderseitigen Weiterentwicklung getragen. Dabei ist es gleich, ob WT´ler untereinander sparren oder das Sparring mit befreundeten Kampfsportlern erfolgt. Wichtig ist, das Sparring muss sich am Leistungsstand der Teilnehmer orientieren, fordern ohne zu überfordern, einzelne Themen behandeln, die dann irgendwann zu einem komplett freien Sparring ohne Themenansage führen sowie es muss der Intensität angepasste Schutzausrüstung nutzen.
Das Dinge wie Physis und Kondition in gewissem Rahmen extra trainiert werden müssen, dürfte klar sein, wobei auch hier in den normalen Trainingseinheiten ab und an gewisse Reize gesetzt werden sollten, um den Schülern zu zeigen ... Chi-Sao bringt Dir nix, wenn Dir nach 90 Sekunden die Kraft oder die Puste ausgeht.
Das alles dann über Jahre hinweg fleißig und mit Leistungswillen trainiert beschert Dir den WT´ler, der es auch jederzeit mit einem vergleichbaren Boxer oder MMA´ler aufnehmen kann!
Was heißt Kungfu nochmal wörtlich übersetzt? War da nicht was mit harter Arbeit ...
Willst Du schneller verteidigungsfähig werden, dann kauf Dir ne Waffe und lerne mit ihr umzugehen.