Ich habe eine zeitlang überlegt, ob ich diesen Thread eröffnen soll, weil ich glaube, dass es leicht zu missverstehen ist, worauf ich hinaus will. Deshalb ein paar Punkte vorweg.
1) Die Diskussion über die Effektivität von Schwertkampfkünsten sind im Grunde obsolet, weil in der heutigen Zeit wohl keiner mehr in die Situation kommt sie anwenden zu müssen.
2) Kendo wurde nicht dafür entwickelt realistischen Schwertkampf zu lehren, sondern zum Training des Körpers und des Geistes unter Anwendung der Prinzipien des japanischen Schwertes.
Nun zur eigentlichen Frage: Wenn im Internet darüber diskutiert wird, in wie weit Kendo noch etwas mit wirklichem Schwertkampf zu tun hat, scheint es sehr oft die einhellige Meinung zu sein, dass Kendo bereits so weit vom tatsächlichen Schwertkampf entfernt ist, dass es quasi kaum noch einen praktischen Wert hat. Treffer auf andere Stelle als Men, Do, Kote oder Tsuki werden nicht gewertet. Statt eine schneidende Bewegung auszuführen wird nur "getapt". Das normale Verhalten beim tsuba zeriai wäre total sinnlos im Falle von echten Schwertern.
Auch waffenlose Kampfsportarten haben Aspekte, die weit von einer tatsächlichen Auseinandersetzung entfernt sind. Beim Boxen hat man dicke Handschuhe, die eine andere Deckung und härtere Schläge mit der Faust ermöglichen. Wenn man clincht wird man sofort getrennt und jegliche Würfe und Hebel sind Verboten. Beim Judo geht man oft am Boden sofort in die Schildkrötenstellung oder bringt sich beim Wurf in eine Position, die bei der Fortführung des Kampfes ungünstig wäre. Trotzdem gelten diese Kampfsportarten als effektiv, da man die Techniken gegen sich wehrende Gegner trainiert.
Ich frage mich wie es zu dem Unterschied in der Bewertung von Kendo (oder auch Fechten) als sportliche Variante des Schwertkampfes und Boxen oder Judo als sportliche Variante des unbewaffneten Kampfes kommt. Wieso gilt das eine durch wegen seiner Reglementierung als von der Realität entfernt, während das andere
Gibt es einen Unterschied, bedingt durch die Nutzung einer Waffe, den ich hier übersehe oder ist es so, weil sich Kendo seit seiner Gründung nie im Kampf bewehren musste während sich Boxen schon oft bewährt hat?
Wie gesagt, soll es hier nicht darum gehen, ob Kendo jetzt wirklich effektiv ist, sondern darum, ob die Reglementierung einer Waffenkunst wirklich mehr beeinträchtigt als bei einem waffenlosen Kampfsport, oder ob diese Wahrnehmung daher kommt, dass sich versprotlichte Waffenkünste nicht mehr im täglichen Leben beweisen müssen.