Beides. Es müssen bestimmte Muskeln entwickelt sein und es muss eine bestimmte Art der Kontrolle dieser Muskeln erfolgen.
Bilder greifen sowohl in das pyramidalmotorische, wie auch in das extrapyramidalmotorische System ein und bewirken dort auf Dauer Veränderungen der Muskelansteuerung.
Ich denke jetzt sind die meisten hier leider raus. Zum einen ist der Begriff der "Bilder" im Forum hier noch nicht ausführlich dargelegt worden, zum anderen baust du auf diese Basis dann mit medizinischen Fachbegriffen auf.
Ansonsten hat ich auch noch jedem seine eigene Art des Kiai interessiert. Waren ja schon einige dabei.
Das sind meine Gedanken zum Kiai, die ich mit euren einfach mal abgleichen wollte:
Ki = Lebensenergie, auch bzw. gelenkt durch Konzentration (nach Tanaka)
Ai = Harmonie, Vereinigung
Aiki = angemessene Kraft und spirituelle Harmonie (Betonung auf Harmonie)
Kiai = Kanalisiere die Energie in eine Sache ⇒ alles in einen Schlag legen (betontes lenken des Ki)
Koichi Tohei:
Wahre Bedeutung des Kiai ist, positives Ki in Alles was man tut, strömen zu lassen. Der wirkliche Kiai kann lautlos sein, positiv denken und starke mentale Kraft im Tun.
Entschlossenheit
Durchbrechen einer mentalen Barriere
Etwas aufgeben im Sinne von die Konsequenzen der Handlung akzeptieren
Erhebe deine Stimme, erhebe deine Energie
Abernethy oder Geoff Thompson schrieben das sie in Situationen von Angst und zögern, sich irgendwann innerlich selbst sagen "Ach, Fuck it!".
Tanaka hatte vor seinen Wettkämpfen auch immer Angst und machte auf dem Weg zur Kampffläche einen inneren Kiai. Ich denke das ist etwas vergleichbares.
Nun ja extrapyramidalmotoriasch und pyramidalmotorisch sind jetzt keine SOOO großen medizinischen Fachbegriffe. Das sollten eigentlich alle mit einem Trainerschein mal gehört haben, ist ja die Basis für jegliche Bewegungs- /Muskelehre. Medizinische Fachbegriffe fangen bei mir erst auf der Ebene der Verschaltungen in der Formatio reticularis, dem Striatum etc. an. Da wird es dann kompliziert (aber auch interessant). Ich will die Leute damit nicht "rausbringen" sondern will eigentlich nur zeigen, dass Töne und Atmung auch eine sehr konkrete und handfeste anatomische Korrelation haben können, die sich in motorischen Fähigkeiten äußern kann (wenn es denn systematisch gelehrt wird).
Zu den Bildern: Ich habe es oft genug probiert, aber die wenigsten hier können mit Begriffen wie "Annehmen, anhaften, hören, umleiten, spiegeln" etwas anfangen und es ist zu abstrakt, als das man das gescheit in Worte fassen könnte, zumal man dann auch mit einer anderen Motorik arbeiten müßte als es das (in meinen Augen) bewegungskastrierte Mainstreamkarate tut.
Wer hat den dort schon einmal etwas von einer "Zwei-Knochen-Annahme" gehört, geschweige denn kann das als Ganzkörperbewegung auch wirklich umsetzen?
Wenn Leute Kihon-Ippon-Kumite als "kampfuntauglich" abtun, weil sie eben nicht die richtige Bewegungsmechanik gezeigt bekommen und nicht wissen was dort eigentlich gelehrt wird, dann braucht man auch nicht mit Bildern und Prinzipien anfangen.
Versteh mich nicht falsch, ich würde es gerne versuchen zu erklären, aber ohne das zu zeigen und den gegenüber spüren zu lassen wird man es nicht vermitteln können. Der Schüler lernt durch die Berührung des Lehrers undendlich viel. Dieses taktile Feedback ist immens wichtig.
Mich hat erst kürzlich das Training mit einem unglaublich guten Lehrer nur durch das Spüren seiner Anwendungen um Jahre weitergebracht. Vieles hatte ich schon gehört, auch als "höheren Inhalt" in unserer Richtung, aber auch bei uns ist einiges verlorengegangen, da es nur sehr wenige Leute gibt, die das auch körperlich umsetzen können. Durch den körperlichen Kontakt hat mein Körper dann auch vieles umsetzen können und mir viele Impulse gegeben. Interessanterweise war es kein Karatelehrer sondern jemand aus dem Bagua/Xingyi/TaiChi/Yiquan, aber das ist eine andere Geschichte.
Ein Kiai ist nichts weiter als die logische Fortführung der Arbeit, die eigentlich mit der ersten Stunde beginnen sollte, leider wird heutzutage einfach oft nur gebrüllt, die besseren nutzen es dann um die Atmung besser zu kontrollieren, aber auch das ist letztendlich nur ein Teil dessen, was es sein kann. Dann gibt es wieder diejenigen, die damit versuchen gutes Geld zu verdienen, aber auch da habe ich noch nicht die Dinge gehört, die ich gelernt habe und die es so (oder ähnlich) auch in andern KK gibt.
Grüße
Kanken
Also ich hatte es vorher auch schon verstanden
Bin aber wie Du auch mehr oder weniger "vom Fach"
Und Deinen Hinweis zum "Kihon Ippon Kumite" halte ich für sehr wichtig
Gruß
Luce (reimt sich immer wieder so schön )
Geändert von Vegeto (02-11-2012 um 15:46 Uhr) Grund: Unnötiges, überlanges Zitat entfernt
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"Das Weiche besiegt das Harte, das Schwache triumphiert über das Starke." (Lao-Tse)
@Vegeto
habe gerade erst deine Gedanken zum Kiai gelesen. Du gehst also auf eine andere Ebene der Anwendung hinaus als die rein motorische. Die ist auch sehr sehr interessant, zumal die Arbeit mit dem Kiai sehr schnell (zumindest bei uns) auch in die emotionale Ebene rutschen kann.
Das ist primär ein Nebeneffekt und hat nichts mit den gewollten motorischen Reaktionen zu tun, kann aber auch genutzt werden um mit der Angst umgehen zu lernen. Das fällt dann jedoch in andere Aspekte meines Karate, die wohl eher in die "Philosophiecke" gehören, obwohl sie auch ganz konkrete kämpferische Anwendungen haben (siehe den "Gewalt und Karate"-Faden). Wir sind da weit weg vom eigentlichen Kiai und befinden uns tief in der Arbeit mit den Bildern, die letztendlich zum Kiai führen. Auch zu dieser Seite des Kiai gibt es ein anatomisches Korrelat: N.accumbens, Lymbisches System, Formatio reticularis, PAG und diverse andere Verschaltungen im "Unterbewußtsein", aber auch Verschaltungen, die in den Präfrontalen Cortex gehen.
Auch hier werden wieder Bilder benutzt, aber die sind noch weniger mit Worten in einem Forum zu erklären und bauen eben auch auf den anderen Bildern auf.
Grüße
Kanken
Jetzt hast Du mich aber so richtig neugierig gemacht
Müssen wir jetzt damit leben oder wagst Du einen Erklärungsversuch?
Würde mich echt weiterbringen, so wie ich das sehe...
Geändert von Vegeto (02-11-2012 um 15:47 Uhr) Grund: Unnötiges, überlanges Zitat entfernt
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"Das Weiche besiegt das Harte, das Schwache triumphiert über das Starke." (Lao-Tse)
Kleiner Moderations Hinweis: bitte nicht den ganzen Beitrag zitieren wenn man direkt danach antwortet. Das stört den Lesefluss. Notfalls ein @Name einfügen wenn man jemanden direkt ansprechen will. Das ist wesentlich kürzer
Für mich haben sich Kiais immer irgendwie unnatürlich angefühlt und angehört, ich kann's aber auch nicht; Vielleicht wüde sich das mit Übung ändern. Wenn mans macht muss das gemutmaßt auch mit der entsprechenden Einstellung einhergehen. Ich finde ruhige Leute die einen einfach "nur" verletzten wollen wesentlich beängstigender.
Hallo Vegeto !
Ich hatte vorhin ( 26 ) bereits angefangen zu schreiben als ich bemerkte, dass ich weg musste.
Außer meinem Danke für den tollen Denkanstoß möchte ich natürlich versuchen, auch was bei zu tragen :
Den Kiai hatte ich im Shotokan vor vielen Jahren so gelernt wie wohl die Meisten: mit der jeweiligen Technik zusammen vom Timing her so, daß Technik + Kiai zusammen ins Ziel kommen ( wie in den Katas vorgegeben ).
Im Laufe der Jahre habe ich dann für mich festgestellt:
Bei eigener Angst / Unsicherheit laut schreien und vor – d.h.. der eigene Schrei löst die notwendige Agrgession aus und das gleichzeitige Vor ist halt kein Zurück mehr.
Kann mich beim besten Willen nicht erinnern, daß das jemals nicht geklappt hätte.
Machen ja auch viele Armeen im Krieg so bzw. als noch Mann : Mann gekämpft wurde.
Hat zumindest bei mir auch Nachteile: lautes Schreien macht mich wesentlich aggessiever wie Pöbeleien oder Rempeleien
( „Falschprogrammierung“ ) – habs natürlich im Griff.
Habe weiter in falschen Übermüdungssituationen ( Nachts alleine im Auto auf der Autobahn ) mit einem lauten Schrei die Müdigkeit deutlich mindern können.
Und auch bei enormem Streß hilft ein Brüller ( soweit in der Situation möglich ).
Das klingt sicher mehr nach Urschreitherapie als nach Kiai – ich vermute mal, dass es durchaus Zusammenhänge gibt.
Beste Grüße
BUJUN
Laut werden funktioniert und ist tief in unseren primitivsten Gehirnarealen verdrahtet. Nicht um sonst chanten/singen/gröhlen in allen Kulturen die Krieger. Das meinte ich mit "Erhebe deine Stimme, erhebe deine Energie". Die Stimme wirkt wie die Atmung wieder auf den Körper und umgekehrt. Du musst aber nicht zwangsweise herumschreien. Reicht schon eine starke Stimme einzusetzen. Der Effekt geht dann sogar innerlich. Die Stimme im Kopf kann auch laut werden.
@Kanken
a)In der Form wurden mir nie Bilder gelehrt und außer hier im Forum ist mir das noch nie begegnet. In keinem Interview, keinem Buch, keiner Dokumentation, keinem Kurs. Auch nicht englischsprachig. Das ist schon seltsam...Den Doppelknochen-Block vom Uchi-Uke und Age Uke kenne ich aber. Nur kam mir das nie kampfrelevant vor, und hab die Anwendung wieder vergessen
b) Das der mentale Kiai auf das limbische System (schätzungsweise die Mandelkerne) und den pre-frontalen Cortex wirkt habe ich schon selbst abgeleitet. Muss er ja wenn er mir ermöglicht den ausschlaggebenden Moment unter Angst zu erzeugen. Die beiden Systeme sind ja sozusagen die Adrenalin Kontrolle Schleife. Nor-Adrenalin Rezeptoren im Cortex und umgekehrt Willenskraft getriebene Kontrolle des reflexiven Systems. Die Frage ist, ob der mentale Kiai einfach so funktioniert oder ob man den mit (irgendwelchen) Bildern noch optimieren kann.
c) Da kommt mir gerade was. Tanaka schreibt nicht nur von seinem inneren Kiai, sondern auch das er seine Maai (Kampfdistanz) und die des Gegners visualisiert. Bspw. mit weißem Nebel. Ist das eines dieser Bilder?
Zu a):
Das ist schade, aber wundert mich nicht. Schau lieber in den KK, die das alte Tode beeinflusst haben.
Zu b):
Er funktioniert zu einem Teil auch so, die Bilder optimieren ihn und potenzieren seine Wirkung.
Zu c):
Ich glaube zu wissen was er meint, ist jedoch absolut oberflächlich.
Grüße
Kanken
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