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Thema: Wie trainiert ihr Angst ?

  1. #166
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    @Terao

    Zu der Art und Weise wie wir unsere Prüfungen machen gibt es natürlich keine wissenschaftlichen Studien, ob es für die Ausbildungen der Armeen irgendwelche wissenschaftliche Abhandlungen gibt, keine Ahnung.
    Die Pathophysiologie der Angst, die neuroanatomischen Zusammenhänge im Gehirn all das ist gut erforscht und kann man in diversen Standardwerken zur Physiologie, Neuroanatomie, Psychiatrie und Pschologie nachlesen. Man muss zwischen objektbezogenen Phobien (Höhenangst, Platzangst, Angst vor bestimmten Tieren) und der "Angst" im Kampf unterscheiden. Beim Kämpfen finden sich diverse Ängste und Mechanismen, die sehr viel tiefer gehen können, da spielt auch viel die bisherige (emotionale) Entwicklung mit rein. Gewalt und Angst KANN als Katalysator zu uns selbst dienen, da wir damit Sachen zum Vorschein bringen, die derjenige weit verdrängt und weggeschlossen hat. Im Gegensatz zu den Armeeausbildungen arbeiten wir an dieser Stelle jedoch weiter mit den Emotionen und überschreiben sie nicht mir "zweckdienlichen" (im militärischen Sinn) Verhaltensweisen.

    Jeder, der unsere Prüfung mitgemacht hat, hat sie als letztendlich positives Ereignis in Erinnerung. Ich persönlich finde das Prüfen bei weitem schlimmer und anstrengender.

    Grüße

    Kanken

  2. #167
    Terao Gast

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    Zu der Art und Weise wie wir unsere Prüfungen machen gibt es natürlich keine wissenschaftlichen Studien
    Klar, das meinte ich auch nicht. Auch nicht Standardwerke zu Angst und Phobien. Sowas ist mir schon halbwegs bekannt. Ich meinte speziell zu Angst und Kampf.
    Aus dem militärischen Bereich wäre mir da an Praktischem wirklich auch nur das "Überschreiben" mit automatisierten Abläufen und die Gewöhnung an direkten Gehorsam bekannt (hab allerdings auch nur 12 Monate Grundwehrdienst vorzuweisen). Und Hilflosigkeit taucht in der Literatur in dem Kontext nur als potenzieller Auslöser von Traumata auf. Deshalb meine Frage.

  3. #168
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    Eben, Auslöser von Traumata. Gewalt erzeugt Hilflosigkeit (neben Angst und Wut). Therapie von Traumata hilft zu verstehen wie man Leute auf potentielle Traumata vorbereiten kann.

    Grüße

    Kanken

  4. #169
    Terao Gast

    Standard

    Eben, Auslöser von Traumata. Gewalt erzeugt Hilflosigkeit (neben Angst und Wut). Therapie von Traumata hilft zu verstehen wie man Leute auf potentielle Traumata vorbereiten kann.
    Die Folgerung, dass es dafür sinnvoll sei, Leute den traumaauslösenden Faktoren wie Hilflosigkeit auszusetzen, wäre mir allerdings neu (und dazu hab ich schon ein bißchen was gelesen). Und es geht doch jetzt gar nicht um potenzielle Traumata (die erst mit Latenz, oft sogar sehr großer, auftreten), sondern um Handlungsfähigkeit in der Situation selbst, oder?

  5. #170
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    Die Erzeugung von Hilflosigkeit und Überforderung wird sehr oft angewandt. Ich kenne Beispiele aus der amerikanischen Armee, der Bundeswehr und von einigen Fremdenlegionären. Um die Handlungsfähigkeit in einer Situation zu erhalten muss ich auf diese Situation vorbereitet sein, dazu muss ich sie so realitätsnah wie möglich simulieren, dazu gibt es genug Methoden, die auch gut erprobt sind. Wie ich dann mit den Leuten umgehe, die durch solche Vorbereitungen gegangen sind hängt von der Zielsetzung ab.
    Was in anderen (Kriegs-)gebieten dieser Welt passiert und wie solche Leute gelernt haben mit Hilflosigkeit umzugehen (bzw. wie sie "erzogen" wurden) durfte ich auch schon sehen (bzw. die Folge davon). DAS ist mehr als beängstigend und verstörender als sich wahrscheinlich die meisten hier überhaupt vorstellen wollen, da bekommt "Desensibilisierung" eine ganz andere Dimension...

    Wir wollen natürlich keine psychopathischen emotionale Wracks hervorbringen sondern die Leute auf sich zurückwerfen und sie mit ihren Ängsten konfrontieren, damit sie daran wachsen können. SV ist nur ein "Nebeneffekt" (wenn natürlich auch der Hauptmotor) und das "Wie" bei uns eben an "westliche" millitärische Ausbildungen angelehnt und nicht an afrikanische Bürgerkriegsmethoden.

    Angst und Hilflosigkeit können einem viel über sich sagen...

    Grüße

    Kanken

  6. #171
    Terao Gast

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    Muss da gerade, wo Du Bürgerkriegsszenen ansprichst, an diese Filmszene denken: Apocalypse Now - Krieg ( german ) - YouTube

    Ob es allerdings das "Grauen light" gibt? Und ob das wirklich irgendwas mit dem zu tun hat, was man so in Deutschland in den KKs macht und machen sollte?

    DAS ist mehr als beängstigend und verstörender als sich wahrscheinlich die meisten hier überhaupt vorstellen wollen, da bekommt "Desensibilisierung" eine ganz andere Dimension...
    Nicht wieder mit diesem "..." anfangen. Wir sind erwachsene Menschen. Sprich Dich aus.

  7. #172
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    Zitat Zitat von Terao Beitrag anzeigen
    Nicht wieder mit diesem "..." anfangen. Wir sind erwachsene Menschen. Sprich Dich aus.
    Das wäre hier ziemlich OT und tut auch nix zur Sache.

    Grüße

    Kanken

  8. #173
    Terao Gast

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    Zitat Zitat von kanken Beitrag anzeigen
    Das wäre hier ziemlich OT und tut auch nix zur Sache.

    Grüße

    Kanken
    Hey, so nicht! Du hast doch hier mit den Militärvergleichen angefangen und die Bürgerkriegsgebiete ins Spiel gebracht. Wenns nichts damit zu tun hat, dann lass auch die Anspielungen. Bringt sonst nur den Verdacht mit sich, Du wolltest hier den Hüter knallharter Fakten spielen, die der Rest doch gar nicht vertragen kann (was sehr wohlfeil ist, wenn man nichtmal sagt, was man meint).

  9. #174
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    Wir hatten das ihr schon einmal und die Reaktionen darauf waren so, dass ich keine Lust habe das wieder aufzukochen, zumal die Ausbildung zu solchen Taten hier in diesem Faden nix zu suchen hat. Das kann, will und darf man in Mitteleuropa nicht machen.

    Vergiss einfach, dass ich so etwas erwähnt habe, einige Schubladen in meinem Kopf lasse ich lieber zu, die haben nix in Foren verloren.

    Grüße

    Kanken

  10. #175
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    ThomasL
    - Szenariotraining / Simulationstraining bei dem der Stresslevel schrittweise erhöht wird (kann ich übernächste Woche gerne noch mehr dazu schreiben)
    Und schon ist die übernächste Woche da...

    Erstmal zwei Anmerkungen zu Kommentaren.

    M.W.n. ist Angst (für die Psychologie-Erstsemester: Furcht) bereichsspezifisch, und somit die Gewöhnung daran nur in Maßen übertragbar auf ganz andere furchtauslösende Situationen.
    Korrekt, aber sehr viele Menschen (vermutlich die meisten jenseits der 30) erleben gar keine starken Angstgefühle mehr, da sie sich nur noch in ihrer persönlichen Komfortzone bewegen. Dieses Gefühl aber (wieder) kennenzulernen, die Symptome richtig zu deuten und lernen damit umzugehen kann durchaus auch mittels anderer angstauslösende Umstände, welche keine moralischen/rechtlichen Probleme mit sich bringen, erreicht werden. Hier eigenen sich naturgemäß die Dinge vor denen der einzelne große Angst hat. Dies ist natürlich nicht mehr als ein erster Schritt.

    Kampfsport ist aus meiner Sicht nicht das optimale um das eigene Verhalten unter Angst zu trainieren. Sicher beim Sparring hat man am Anfang eine leichte Aufregung, aber mit echter Angst hat das nichts zu tun.
    Bedingt. Für jemand der mit Kampf in seinem Leben noch nie etwas am Hut hatte, kann die Konfrontation mit VK Sparring anfangs durchaus erstmal Angst (natürlich nicht die existentielle von der Kanken spricht) erzeugen. Diese Angst zu überwinden, ist ein wichtiger, erster Schritt hin zu einer höheren Verteidigungsfähigkeit. Bei den meisten tritt dann natürlich schnell eine Gewöhnung ein. Hier können dann Sparringseinheiten in fremden Dojos oder, als Steigerung, Wettkämpfe wieder ein höheres Angstniveau erzeugen.
    Wichtiger ist aber ein anderen Punkt, hat man im harten Sparring "Kämpfen" und trotz Schmerzen weiter machen gelernt ist man in einer Situation wo man dies benötigt, d.h. sich körperlich zur Wehr setzen muss, mental in einer besseren Ausgangssituation als jemand der noch nie gekämpft hat (darauf bezog ich mich in meinem letzten Beitrag).

    So, bevor ich nun endlich zur Frage des TE komme erstmal kurz was zu mir. Wirklich unterrichten tue ich "nur" Karate für Kinder und Jugendliche. Hier spielt der Abbau von vorhandenen Ängsten (vor Sparring, vor bestimmten Trainingspartnern, vor Wettkämpfen, vor bösen Mitschülern) zwar auch eine sehr wichtige Rolle. Angsterzeugung wie ich sie im folgenden beschreibe findet aber nur gelegentlich und selbst dann nur in sehr dosierter Weise statt. Mit den ebenfalls beschriebenen körperliche und mentalen Auswirkung von Angst arbeite ich aber auch dort öfter (gerade auch in der Wettkampfvorbereitung). Ansonsten leite ich noch ein paar kleine Trainingsgruppen aber nicht im Sinne von Unterricht, sondern im Sinne gemeinsames Lernen. Hier machen wir zwar auch Szenario und Stresstraining, aber zumindest momentan nur sehr selten mit den unten beschriebenen psychischen Belastungssituationen.

    Die im folgenden beschriebene Methode Angst im Training zu erzeugen und zu lernen damit umzugehen, stammt aus meiner Zeit als Ausbilder (Assistent meines Lehrers) im WT. Später habe ich diese Form des Trainings noch mit einem Arbeitskollegen durchgeführt, der lernen wollte sich zu wehren. Hier kamen dann noch überraschende Konfrontationen dazu (meist im Klo, wenn dort sonst keiner war ;-):
    Die Vorgehensweise war die, dass Rollen verteilt wurden. Auf der einen Seite die des Aggressors (bei Fortgeschrittenen auch mehrere und z.T. auch mit Waffen), auf der anderen Seite die des potentiellen Opfers. Die Szenarien begannen dann i.d.R. mit der Einschüchterung des "Opfers": Anstarren, provozieren, anschreien, schubsen etc... - all das was man jedes Wochenende auf Festen und in unseren Innenstädten beobachten kann. Anschließend erfolgte der Angriff. Dieser wurde so durchgeführt, dass das Opfer durchaus Schmerzen (härtere Treffer) zu erwarten hatte und wenn er sich nicht erfolgreich wehrte (d.h. den Kampf zu seinen Gunsten drehen konnte) auch einiges einstecken musste. Allerdings wurde dann, wenn gar keine Gegenwehr mehr erfolgte, nach einigen, weniger harten, abschließenden Angriffen abgebrochen. Von der Härte war es so, dass es normal nur blaue Flecken, leichte Prellungen, Kratzer und ab und an mal eine blutige Nase gab. D.h. deutlich unter der Härte die Kanken beschreibt. Zulässig war dabei alles an Angriffen und Trefferzonen (Beißen, Tritte in die....), allerdings mit der Vorgabe keine ernsten Verletzungen zu verursachen (KO durch Kopftreffer war ebenfalls unerwünscht).
    Der entscheidende Faktor der hier Angst (natürlich nicht Todesangst) erzeugte war dabei weniger die zu erwartenden Angriffe, als vielmehr die psychische Bedrohungssituation/ Einschüchterung. Dazu durfte der Aggressor seine Rolle nicht nur "spielen", sondern er musste tatsächlich zum Aggressor werden, d.h. sich selbst in einen Zustand versetzen (aufpeitschen) in dem er den anderen "fertig machen will" (u.a. hilft dabei schnelles, stoßweise Atmen). Gleichzeitig muss er aber ausreichend Kontrolle behalten um den anderen nicht wirklich richtig umzuhauen (was in diesem Zustand gar nicht so leicht ist!).
    Leider konnten nur wenige diese Anforderungen erfüllen.
    Die Angst der "Opfer" war dabei eindeutig zu sehen und spüren. Auch die typischen Reaktionen auf die Bedrohung und den bevorstehenden Angriff waren die "Gleichen" wie bei "realen" Auseinandersetzungen.

    Natürlich ist das dabei erzeugte Angstniveau noch weit unter dem bei der von Kanken beschriebenen Vorgehensweise und daher wird es einen wahrscheinlich auch nicht ausreichend auf Situationen vorbereiten, in denen man wirklich um das eigenen Leben kämpft (Mac Young nennt diese Combat), für die "normalen" Auseinandersetzungen (Tom: Schaf gegen Schaf, Mac Young nennt diese Fighting) mit denen "normale" Menschen viel häufiger konfrontiert werden, ist es aber sicherlich eine sinnvolle Vorbereitung (die Situation selbst ist nicht mehr völlig fremd und Handlungsoptionen sind bekannt, diese beiden Punkte können dabei helfen, das eigenen Angstniveau auf einem angemessenen Pegel zu halten und handlungsfähig zu bleiben - siehe dazu auch mein letzter Beitrag zum Thema wodurch Angst ausgelöst wird bzw. wodurch das Angstniveau zu hoch wird).
    Interessant war in diesem Zusammenhang die Entwicklung neuer Schüler zu beobachten (meist Jugendliche ohne Erfahrung mit solchen Situationen). Am Anfang waren sie oft kaum handlungsfähig (mental wie körperlich). Mit der Zeit verbesserte sich, dass aber deutlich. Gleichzeitig verstärkte sich auch ihr Selbstvertrauen spürbar.
    Das Ganze hätte sich zweifellos noch gut steigern lassen durch Aggressoren welche den Opfern nicht persönlich bekannt sind, verändern des Aussehens der Angreifer, verlegen des Trainings an andere Orte, überraschende Angriffe etc... Eben alles was die Simulation näher an die Realität bringt.
    In meinem eigenen Training arbeite ich gerne mit Faktoren, welche die körperlichen und mentalen Auswirkungen! (nicht die Angst selbst) von Angst simulieren (Schmerz, Hunger, Übermüdung, große Kälte, starke körperliche Erschöpfung). Diese haben wir damals aber (leider) nicht eingebaut. Gerade körperliche Erschöpfung finde ich dabei sehr hilfreich, mit dieser simuliert man sowohl die typischen weichen Knie als auch das Gefühl der Kraftlosigkeit (man fühlt sich als ob die eigenen Muskeln nicht mehr arbeiten). Außerdem auch die mentale Erschöpfung (sich nicht mehr wehren, obwohl man körperlich noch dazu in der Lage wäre). Mit diesen Faktoren kann man lernen, mit den Auswirkung der Angst besser umzugehen (körperlich wie geistig).

    Da ich weder Psychologe noch praktizierender SV Lehrer bin und auch keine Eliteeinheiten unterrichte ;-), ist dies nur die Beschreibung meiner eigenen Erfahrungen mit diesem Thema. Ich erhebe keinen Anspruch auf Vollständigkeit oder Korrektheit der beschriebenen Ansätze, auch wenn ich sie nach meinem gegenwärtigen Wissen und Erfahrungen für sinnvoll erachte.

    Da ich den deutlich weitergehenden Ansatz von Kanken sehr, sehr interessant finde und der TE anscheinend einen ähnlichen verfolgt würde ich vom TE gerne mal hören wie er vorgeht.

  11. #176
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    Thumbs up

    Hi, ich sage erstmal ganz deutlich, dass ich diesen Thread ab Seite 10 oder so absolut genieße. Es ist richtig toll, dass es noch Leute gibt, die von ihrem Feld etwas verstehen und die Geduld und Fähigkeit mitbringen, das differenziert und an Beispielen zu erklären. Besten Dank an Thomas L. und Kanken. Wirklich, Hut ab.

    Zum Thema:
    Ich weiß nicht, inwiefern den Interessierten meine Perspektive bzw. die Perspektive, die für Lehrer aus dem Hause Blauer typisch ist, bekannt ist. Deswegen in aller Kürze: Bei uns machte man in der Vergangenheit sehr früh komplexe Szenarioübungen, deren Ausgang absolut unbekannt war. Tatsächlich gab es in Zeiten von "Panic Attack" teilweise nicht mal wirklich eine Lage, sondern der Rollenspieler "Opfer" sollte einfach "mitspielen". Regelmäßig gab es an bestimmten Punkten in diesen Szenarien Probleme. Sollten diese im oder um den Moment der körperlichen Missbrauchshandlung aufgetreten sein, isoierte man dieses Problemfeld in einem Drill, der sich Ballistic Micro Fight nennt. Mithilfe vergleichsweise leichter Schutzanzüge kann hierbei eine hohe Geschwindigkeit und Härte und damit auch Schmerzen zugelassen werden, ohne dass die gesundheitliche Sicherheit der Akteure wesentlich gefährdet ist. Tony Blauer nennt diese Schmerzen "Penalty for in-action" und in unserem Sinne zieht sich dieses Konzept durch fast alle Drills, die nicht einfach nur der Einführung dienen. Das ist eine Möglichkeit für Angst, da diese Erwartungshaltung "Schmerz bei Versagen" ja spätestens nach dem ersten Durchgang bekannt ist.
    Sollten Probleme im Vor- oder Nachhinein des Übergriffs aufgekommen sein, isoliert man diese Phase in einem Drill, der sich Live Action Response Drill nennt und primär die verbale und gestikuläre Ebene anspricht und Angriffshandlungen ausschließt. Warum diese Drills auch so wichtig sind, zeigt sich nach dem nächsten Absatz.
    So wie ich innerhalb des SPEAR Systems unterrichte, besteht es darauf hin im wesentlichen nur aus immer mehr und immer "kleineren" Drills, die diese einzelnen Komponenten wiederum aufschlüsseln und Kompetenzen als Lernziele setzen, die eine bessere Performance in den einzelnen Bereichen begünstigen. Das kann so klein zerstückelt werden, dass es einem Techniktraining ähnelt (um eine wünschenswertere Mechanik, z.B. beim Schlagen zu erzielen) oder meinetwegen dem Sandsacktraining (Härte und Penetration dieser Schläge) oder in einer Art Sprechwerkstatt (Artikulation von Gefühlen/ Botschaften).

    Jetzt zum eigentlichen Thema Angst: Nach diesem quasi-genetischen Lernkonzept wird das Puzzle wieder rückwärts zusammengesetzt bis man wieder am komplexen Szenario ist, wobei es solche gibt, in denen die Lage bekannt ist und solche, bei denen man bloß "mitspielt". Was ich dabei als absolut wesentlich erachte, ist die Option, dass ein Szenario auch "gut" ausgehen kann, es also idealerweise nicht immer oder auch mal fast immer zu einer nicht-gewalttätigen Lösung des Konflikts kommt. Durch diese Ungewissheit entsteht eine gewisse Fallhöhe, eine Unberechenbarkeit, die ich nicht unbedingterweise Hilflosigkeit nennen, aber der ich zumindest eine Art Auslieferungscharakter unterstellen würde. Der absolut notwendige Nebeneffekt ist freilich, dass man seinen Lernenden nicht immer nur den Hammer als Lösungsmöglichkeit zur Verfügung stellt, sondern auch die eher umweltfreundlichen Optionen (die natürlich auch im Training oder auf Veranstaltungen gefördert werden sollten, bei uns sind das diese Live Action Response Drills).
    Überforderung und "Verängstigung" sind natürlich weitere Möglichkeiten, diese psychische Fallhöhe nach oben zu verschieben, deren Grenzen aber in erster Linie an der Motivation der Teilnehmer und in zweiter Linie von den Richtlinien der freiheitlichen demokratischen Grundordnung liegen (die einem meiner "Lehrer" immer so wichtig war). Überfordern durch schier unlösbare Aufgaben, Verängstigen durch eine erhöhte Gefahrenlage (von Softsticks über Softairwaffen bis zu Shockknives - natürlich nicht hier in Deutschland - und Bodenkampf auf der Treppe. Kurzum: von Profis in Stufen skalierbar.

    Es gibt weitere Optionen nach oben, die jedoch nicht unbedingt so praktikabel sind. So experimentieren wir im Verein unter ärztlicher Aufsicht an der Möglichkeit, freiwilligen Probanden (ebenfalls erfahrene Männer), durch Hypnose Ängste zu suggerieren. Auf diesen Aspekt werde ich aber weder jetzt noch später konkreter eingehen.

    Eine "beste" bekannte Möglichkeit gibt es natürlich nicht und das wesentliche an der ganzen Sache ist stets die Perspektive des Lernenden. Nahezu jede Übungsform muss der mit der entsprechenden Ernsthaftigkeit angehen und vor allem gezielt visualisieren. Dem Visualisieren messe ich dabei persönlich die höchste Bedeutung bei und zwar soweit, dass ich nahezu alle Übungen durch entsprechende Visualisierung auf eine Bedeutungsebene holen kann, dass sich mich wenigstens durch die so entstehenden mentalen Blaupausen resilienter gegen psychische Gewalt machen kann. Führe ich mir allerdings absichtlich oder unabsichtlich immer vor Augen "Ist nur eine Übung" (und das passiert schneller als man denkt), kann ich nahezu jeden Drill betrügen. Deswegen haben Egomanen oder "Fett aufs Mett" - Charaktere nicht unbedingt eine Berechtigung in diesem Betätigungsfeld. Ernsthaftigkeit und Vertrauen zu den Bezugspersonen/ Übungsleitern ist ein unbedingtes Muss, ebenso wie die Funktion professioneller Coaches: das Inspirieren von Performance (und nicht primär Wellness in irgendeiner ihrer diffusen Bedeutungen). Die Perspektive auf Wellness im ureigentlichen Sinne, also das Wohlfühlen im Alltag, sollte aber nie vergessen werden. Es gibt genug Bullies, Störer, Alpha Males. Wir sollten im Training ein Angstmanagement anstreben, dass Kommunikation und Frieden in irgendeiner Art stiftet.

    Abschließend: Ich bin so etwas wie ein professioneller SV Lehrer, arbeite auch sehr oft mit oder für Eliteeinheiten und habe eine Lehramtsausbildung sowie eine militärische Karriere hinter mir. Trotzdem gilt dasselbe wie für alle anderen: Das ist meine persönliche Perspektive und jeder, der in den special commando units blabla mal unterwegs war, kennt die Wärme des Wassers da. Ich würde nichts über- oder minderbewerten, aber jedesmal etwas skeptisch werden, wenn jemand von Methode X der Einheit YZ berichtet und dass er sie exklusiv weitergibt. Als Fazit (und wieder nur aus meiner Perspektive): Das Gelingen von solchen Unternehmen im Zusammenhang mit Angst sehe ich am allermeisten in der Professionalität und der Kreativität des Lehrenden und der Hingabe des Lernenden und nicht zuletzt, wie diese beiden Eigenschaften zusammenpassen.

  12. #177
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    Vielen, herzlichen Dank für diesen sehr interessanten Beitrag!

  13. #178
    Hau.drauf.wie.nix Gast

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    Zitat Zitat von Brodala Beitrag anzeigen
    ...Als Fazit (und wieder nur aus meiner Perspektive): Das Gelingen von solchen Unternehmen im Zusammenhang mit Angst sehe ich am allermeisten in der Professionalität und der Kreativität des Lehrenden und der Hingabe des Lernenden und nicht zuletzt, wie diese beiden Eigenschaften zusammenpassen.

  14. #179
    Nico S. Gast

    Standard

    Meiner Meinung nach kann man Angst tranieren
    in dem man lernt auch in Notsituationen Konzentriert
    zu bleiben. Gut simulieren kann man dies mit harten
    Freefightsparring also einer ,, spielt " den Strassenkämpfer
    mit freien Techniken ( Schwinger , Tritte ...) und der andere
    den richtigen Kampfsportler der sein Wissen in Sekunden
    abrufen muss. Wenn man auf diese Situationen trainiert ist
    verliert man mit der Zeit die Angst vor Kämpfen und ist eher
    Kampfbereit.

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