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kanken
Zu der Betrachtungsweise:
Ich denke man muss zwischen intellektuellem Verstehen und emotionalen Verstehen unterscheiden, wobei gerade letzteres sehr komplex zu erklären ist, da es kein emotionales „Verstehen“ geben kann.
Am ehesten kann man es evtl. so erklären:
Unser Verstand nimmt unsere Umwelt durch Reize war, speichert sie und gleicht sie permanent ab. Er erzeugt quasi eine „äußere Landkarte“, benennt Objekte, analysiert Objekte, interagiert mit Objekten.
Ganz, ganz, ganz grob gesagt alles was in deiner Großhirnrinde passiert. Das, was uns „vom Tier“ unterscheidet.
Auf der anderen Seite werden unserem Verstand aber auch permanent „Zustandsmeldungen“ aus seinem Körper zugeleitet und von tieferen Hirnstrukturen „bewertet“. Das können zum einen Muskelspannungen, Hunger, Schmerzen etc. sein, aber auch Angst, Hunger, Liebe, Freude etc..
Gefühle sind sehr viel Älter als unser Vestand. Tiere reagieren durch Gefühle/Triebe. Man könnte sagen die sind die ersten Mechanismen gewesen mit denen unser Gehirn unseren Körper gesteuert hat. Wenig Energie sorgt für „Hunger“, der sorgt für Aggressivität, die für erhöhte Aufmerksamkeit, die für das Finden von Nahrung und das Töten, Essen führt zu Energie, Energie zu Belohnung und Belohnung macht glücklich. Da ist wenig mit „Denken“, eher mit fühlen.
Unser Körper hat mit dem Gehirn eine Schaltzentrale und diese musste halt den Körper irgendwie „Steuern“, quasi „wie sage ich es meinem Körper“. Emotionen sind da ein wichtiger Schritt gewesen.
da sehe ich nun einen kategorischen Unterschied zwischen Gefühlen und Verstand.
Durch den Verstand kann ich meine Umwelt analysieren und Lösungswege finden oder zwischen zwei Optionen unterscheiden.
Die Emotion ist, wie Du IMO auch sagst, nur der Mittler zwischen Körper und uns.
Die Emotion ist das, was uns bewegt, etwas zu tun. Die Analyse ist vorher schon unbewusst geschehen.
Man schaue sich nur den recht komplexen Regelkreis an, der hinter dem Hungergefühl (ist das eine Emotion?) steckt.
Da wird der Magenfüllstand gemessen, der Blutzuckerspiegel, Ausschüttung von Hormonen wie Insulin, Ghrelin, Leptin.. entsprechende Empfindlichkeiten der Rezeptoren gegenüber diesen Hormonen spielen eine Rolle...
Aber in das Bewusstsein dringt - neben einem eventuellen Schwächegefühl bei niedrigem Blutzucker - nur der Drang, Nahrung zu sich zu nehmen.
Da kommen dann die dünnen Schlaumeier und sagen den Dicken, sie hätten zu wenig Willenskraft, was wohl andeuten soll, dass doch der Verstand oder die Vernunft über die Emotionen Herrschen sollte.
Emotionales Verstehen würde ich daher dahingehend interpretieren, einerseits in Kontakt mit seinen Gefühlen zu sein und andererseits zu wissen, was der Körper einem damit sagen will.
Aus rein rationalem Verstehen ohne Emotion würde IMO keine Handlung entstehen oder der Alltag erschwert, da durch Emotionen auch die Wichtigkeit von Zielen (Werte) markiert wird.
Wenn mir der Wert "Selbsterhaltung" nicht emotional vermittelt würde, dann könnte ich mit dem Verstand zwar erkennen, dass es bezüglich meines Überlebens ungünstig ist, wenn ich auf dem Gleis stehe, wenn der ICE kommt, aber wieso sollte ich das Überleben dem Sterben vorziehen?
Gibt ja Leute, denen die Angst abhanden gekommen ist, die bringen sich nicht selten in gefährliche Situationen:
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kanken
Jetzt ist es natürlich sinnvoll gewesen die Emotionen, bzw. die daraus entstehen Handlungsimpulse, zu unterdrücken. Das Weibchen zu begatten wenn der Rudelchef gerade neben mir steht ist nicht gerade sinnvoll, das gibt Ärger. Jetzt kommt der „Verstand“ ins Spiel. Ursprünglich eine Kontrollinstanz der Emotionen hat er sich über die Zeit und Spezies hinlegt immer weiter entwickelt und „ein Eigenleben“ bekommen. Je mehr er in unsere „Programme“ eingreifen konnte, desto effektiver konnte er für die Erhaltung unserer Art sorgen. Ein effektiver Verstand ist ganz offensichtlich ein nicht zu unterschätzender Evolutionsvorteil gewesen.
interessanterweise sind die anderen Hominiden ja samt und sonders ausgestorben, auch die anderen Menschenaffen sind eher vom Aussterben bedroht und einige Walarten wären ohne Edison eventuell auch schon ausgerottet.
Intelligenzdefizite kann man ja, evolutionär gesehen, durch eine höhere Reproduktionsrate ausgleichen:
Und auf der anderen Seite hat die Intelligenz der Menschen und die mittels derer entwickelte Technologie diese auch in die Lage versetzt, Dummheiten mit weitaus gravierenderen Folgen zu machen.
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kanken
Bleibt das Problem der Emotionen. Die können nämlich den Verstand „übersteuern“, oder ihm permanent dazwischen reden. Der Verstand reagiert also nicht nur auf Reize auf seiner Großhirnrinde, sondern kriegt auch ständig Gebrabbel aus seinen emotionalen Zentren.
Diese emotionalen Zentren wiederum reagieren auch auf äußere Reize und zwar durch die „unbewußte“ Verschaltung der Nervenimpulse bevor sie die Großhirnrinde erreichen. Diese unbewußte Verschaltung sorgt also für Reaktionen des Körpers (Muskelspannungen, Reflexe etc.) und erzeugt Emotionen, bevor (oder während) dieser Reiz die Großhirnrinde erreicht.
Wir,haben also immer eine DOPPELINTERPRETATION der äußeren Reize vorliegen. Die Bewußtmachung durch den Verstand und die „unbewußte“ durch die emotionalen Zentren. Unbewußt ist diese Verarbeitung nicht ganz, da sie dem Verstand ja in Form von Emotionen/Trieben gemeldet wird.
Der Verstand wird also mit zwei „Interpretationen“ der Außenwelt gefüttert. Dem, was auf der Großhirnrinde ankommt und dem was aus der unbewußte Verarbeitung in Form von Emotionen bei Ihm ankommt. Mal ist das eine lauter, mal das Andere. Er versucht quasi permanent die Lautstärke zu regeln, nur manchmal überbrüllen die Emotionen halt alles.
Die Emotionen können IMO auch unterflüstern, d.h. Einfluss nehmen, ohne dass man es mitbekommt.
Der "Verstand" im Sinne von "Bewusstsein" oder "bewusstem Verstehen" rationalisiert ja auch unsere Handlungen.
Hirschhausen hat mal gesagt (auch aus der Erinnerung): "Früher hat man gedacht, die Großhirnrinde sei die Regierung des Körpers. Heute weiß man, die ist eher der Regierungssprecher: Erfährt als Letztes, was beschlossen wurde, muss es aber nach außen hin vertreten".
Das verdeutlicht er dann am Beispiel Rauchen ("weil's mir schmeckt"), natürlich im Comedy-Kontext.
Es gibt diesbezüglich (der Neigung, für eine Handlung eine Erklärung zu nennen, die zwar plausibel aber frei erfunden ist) auch Untersuchungen an Split-Brain Patienten, also Menschen, bei denen die Verbindung der beiden Gehirnhälften durchtrennt wurde.
Bei den meisten Menschen kann ja nur eine Gehirnhälfte, die linke, sprechen.
Was macht die linke Gehirnhälfte, wenn man die danach fragt, warum die rechte Gehirnhälfte eine Handlung durchführt, von der sie nicht wissen kann, warum die die rechte diese Handlung durchführt?
Ehrlich zugeben, dass sie keine Ahnung hat?
Nein, die denkt sich was aus...
Wir wollten wissen, wie die linke Hirnhälfte auf Verhaltensäußerungen der stummen rechten reagiert. Dazu zeigten wir jeder Hemisphäre auf dem Projektionsschirm kurz ein großes Bild und dazu jeweils vier kleine, die auf dem Tisch lagen. Jede Hälfte für sich sollte wählen, welches der kleinen Objekte zum großen gehört. Die linke Hand – als Werkzeug der rechten Hemisphäre – wies dabei auf das vom rechten Hirn gewählte Objekt, die rechte Hand darauf, wofür das sie befehligende linke Hirn sich entschieden hatte. Beide machten ihre Sache ohne weiteres korrekt
Hinterhältigerweise fragten wir dann die linke Hemisphäre – denn nur sie vermag ja zu antworten –, warum die linke Hand wohl auf jenes Bild zeige. Natürlich konnte sie das gar nicht wissen. Schließlich war die Entscheidung allein Sache der Gegenseite gewesen. Doch sie hatte auf der Stelle eine frisch erfundene, plausible Erklärung parat. Dieses Talent kreativen Erzählens nannten wir Interpretier-Mechanismus.
https://www.spektrum.de/magazin/rech...sstsein/824991
es scheint, als hätte die rechte Gehirnhälfte nicht nur die die Fähigkeit, sich sprachlich zu äußern, sondern auch die Tendenz, eine erfundene Erklärung keiner Erklärung vorzuziehen:
Diese Erkenntnisse deuten sämtlich darauf hin, daß der Interpretier-Mechanismus des linken Gehirns unausgesetzt hart arbeitet, um die Bedeutung von Ereignissen herauszufinden. Er sucht unablässig nach einer Ordnung und einem Sinn, auch wenn dergleichen nicht vorhanden ist – und macht dabei so manchen Fehler. Er neigt dazu, übermäßig zu generalisieren, und schafft so häufig eine Vergangenheit, die zwar hätte sein können, aber so nicht war.
Erklärungen zu erfinden, die keine sind und Zusammenhänge zu sehen, wo keine sind, unterscheidet uns wohl vom Tier:
Diese besondere Gabe, Geschichten um Tatsachen herum zu erfinden, erklärt sich am besten von der Evolution her. Im Tierreich sind die Fähigkeiten der Gehirne im allgemeinen nicht lateralisiert; vielmehr gibt es eine Tendenz zu einigermaßen gleich starker Repräsentation in beiden Hemisphären. Sofern bei Affen Anzeichen für eine gewisse Seitenspezialisierung vorliegen, sind sie doch selten und widersprüchlich.
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kanken
Wir können die Selt gar nicht „unvoreingenommen“ betrachten, wir sollten sie immer über beide uns zur Verfügung stehenden Kanäle betrachten. Dem Verstand und dem „Geist“ (verstanden als Instanz, die die Gefühle an den Verstand meldet).
Das, was Du hier ansprichst: den Kontakt auch mit dem emotionalen Kanal, ist für mich persönlich gerade ein interessantes Thema zu dem ich allerdings nur schwierig Zugang finde.