Hi @All!
Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich mich zum Thema im Betreff äußern sollte oder nicht, weil es sich für mich eine schwierige Geschichte ist.
Aber nachdem ich aber nun einige Threads zu diesem Thema verfolgt habe halte ich es für notwendig, auch meine 2ct dazu zu geben.
Was ist mir im März letzten Jahres passiert?
- mitten im Training, ohne Kontakt zum Trainingspartner, höre ich ein knackendes Geräusch im Ohr, beginne zu taumeln und falle um.
- mein Gleichgewicht ist komplett weg, ich fange an zu kotzen als wäre eine Woche Karussell gefahren
- das Sprechen fällt schwer, ich bin kaum in der Lage mich verständlich zu machen
- dass ich Einschränkungen der Feinmotorik der rechten Hand und des rechten Beines hatte habe ich zu diesem Zeitpunkt gar nicht mitbekommen.
Zu meinem großen Glück ist mir das ganze passiert, als ich mit anderen Menschen, die mich kennen, zusammen war. Die konnten sofort Rettungswagen und Notarzt rufen, der Notarzt hat mich umgehend in ein Krankenhaus mit sehr erfahrener Stroke-Unit transportieren lassen. Innerhalb einer Stunde hing ich am Tropf für die Lyse-Therapie.
Wenn mir das im Schlaf passiert wäre oder der Weg zur Lyse länger gedauert hätte, hätte die Sache ganz anders ausgehen können.
Was war die Ursache?
Ein Verletzung (Läsion) der Arteria Vertebralis, die mindestens einen oder mehrere Tage vor meinem Zusammenbruch stattgefunden haben muss. Am Tag des Vorfalls hatte ich keinen Kontakt am Hals, am Tag davor habe ich nicht trainiert. Wahrscheinlich habe ich einen Atemi eingesteckt, auf den ich im Moment des Treffens nichts gegeben habe.
Weil ich als Schlaganfallpatient definitiv zu jung bin hat man mich diagnostisch auf Links gedreht um möglichst genau herauszubekommen, was die Ursache sein könnte. Außer der Läsion wurde nichts gefunden.
Durch die Läsion ist die Arterie teilweise zugeschwollen, hinter der Schwellung konnten sich Wirbel bilden, die es so sonst im Blutkreislauf nicht gibt. In diesen Wirbeln können Blutgerinnsel entstehen, die sich dann im Körper auf den Weg machen. Dieses Risiko besteht so lange, wie das Gefäß zugeschwollen ist. Da eine Läsion ca. 3 Monate braucht, um zu heilen, kann der riskante Zeitraum wohl durchaus mehrere Wochen lang sein.
Ein solches Gerinnsel ist in meinem Kleinhirn eingeschlagen. Trotz der schnell eingeleiteten Therapie fehlt mir jetzt vom Kleinhirn (das etwa so groß ist wie ein Gänseei) etwa das Volumen einer Walnuss.
Wie habe ich mich dabei gefühlt?
Schlecht. Sehr schlecht. Aus irgendeinem Grund war mir klar, dass es sich um einen Schlaganfall handelt. Was mir aber überhaupt nicht klar war, was von mir übrig bleiben würde. Und ich übertreibe nicht wenn ich sage, dass ich noch nie in meinem Leben so eine Scheissangst hatte. Wird es gut gehen oder ende ich als ein Stück Gemüse in einem Rollstuhl?
Wie ging es weiter?
Nachdem ich die ersten 72h auf der Intensivstation verbracht habe war das Schlimmste vorbei. Der Rest des Gehirns konnte das Gleichgewicht zur Überraschung der Ärzte sehr schnell wieder herstellen. Die beste Erklärung der Mediziner war, dass ich durch die lange Zeit auf der Matte genug andere Bereiche im Gehirn aktiviert habe.
Das Sprechen war schwieriger, weil die Feinmotorik der Zunge ziemlich gestört war. Und Schreiben musste ich erst wieder lernen.
Durch wirklich gute Unterstützung durch Logopäden und Ergotherapeuten habe ich das inzwischen ganz gut im Griff. Ich bin auch jetzt, mehr als ein Jahr nach dem Vorfall, noch nicht an dem Punkt angekommen, an dem ich vor dem Vorfall war. Aber den Rest schaffe ich auch noch.
Nach ca. 4 Wochen war ich wieder auf der Matte. Ich habe für mich allein geübt, so gut ich konnte. Aber ich musste erst einmal ganz kleine Brötchen backen. Heute trainiere ich wieder ganz normal, wenn ich auch Kontakt ein meinem Hals nicht mehr unbesorgt erdulden kann. Wenn es mir zu viel wird bitte ich meinen Trainingspartner, sich doch etwas zurückzuhalten.
Die Blutgerinnung wurde für ca. ein halbes Jahr mit Marcumar reduziert, jetzt nehme ich noch prophylaktisch (und wohl auch ein wenig als Placebo) ass 100.
Ich habe unglaubliches Glück gehabt, dass mir nicht mehr passiert ist. Nichts davon ist ein Verdienst, das ich mir anrechnen kann.
Es war pures Glück.
Warum schreibe ich Euch das?
Ich bin, ehrlich gesagt, von der Leichtfertigkeit entsetzt, mit der einige Leute in den Foren hier mit dem Thema Hirnverletzungen durch Training in KK/KS umgehen.
Wenn jemand für sich entscheidet, dass dieses Risiko für ihn kalkulierbar ist, sei es ihm zugestanden. Jeder hat das Recht diese Entscheidung für sich zu fällen. Ich nehme mir das Recht, basierend auf eigener Erfahrung, anzumerken dass die Kalkulation nicht aufgeht. Wenn auch die Eintrittswahrscheinlichkeit nicht hoch ist, die mögliche Schwere der Verletzung ist inakzeptabel hoch.
Was aus meiner Sicht aber gar nicht geht ist das Akzeptieren dieses Risikos für den Trainingspartner/Gegner. Und wenn mein Gegenüber zehnmal freiwillig da ist: nichts, aber auch gar nichts in meinem Sport ist wichtig genug, um meinen Gegenüber diesem Risiko auszusetzen.
Ich bitte Euch inständig: wenn ihr gewürgt werdet: gebt rechtzeitig auf. Versucht nicht, das Würgen zu verhindern indem Ihre z.B. die eigene Hand zwischen Euren Hals und den würgenden Arm bringt.
Wenn Ihr das Würgen ansetzt: geht nicht zu weit. Würgt lieber zu wenig als zu viel. Wenn etwas Hartes zwischen euren Armen und dem Hals ist, nehmt den Druck raus.
Wenn Ihr schlagt: haltet Euch vom Hals fern, wenn Ihr nicht 100%ig wisst, was Ihr tut. Selbst dann: zieht die Schläge nicht durch.
Viele Grüße,
Carsten