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Thema: Schlaganfall durch Halsverletzung, ein Erfahrungsbericht

  1. #1
    carstenk Gast

    Standard Schlaganfall durch Halsverletzung, ein Erfahrungsbericht

    Hi @All!

    Ich habe lange darüber nachgedacht, ob ich mich zum Thema im Betreff äußern sollte oder nicht, weil es sich für mich eine schwierige Geschichte ist.

    Aber nachdem ich aber nun einige Threads zu diesem Thema verfolgt habe halte ich es für notwendig, auch meine 2ct dazu zu geben.

    Was ist mir im März letzten Jahres passiert?

    - mitten im Training, ohne Kontakt zum Trainingspartner, höre ich ein knackendes Geräusch im Ohr, beginne zu taumeln und falle um.
    - mein Gleichgewicht ist komplett weg, ich fange an zu kotzen als wäre eine Woche Karussell gefahren
    - das Sprechen fällt schwer, ich bin kaum in der Lage mich verständlich zu machen
    - dass ich Einschränkungen der Feinmotorik der rechten Hand und des rechten Beines hatte habe ich zu diesem Zeitpunkt gar nicht mitbekommen.

    Zu meinem großen Glück ist mir das ganze passiert, als ich mit anderen Menschen, die mich kennen, zusammen war. Die konnten sofort Rettungswagen und Notarzt rufen, der Notarzt hat mich umgehend in ein Krankenhaus mit sehr erfahrener Stroke-Unit transportieren lassen. Innerhalb einer Stunde hing ich am Tropf für die Lyse-Therapie.

    Wenn mir das im Schlaf passiert wäre oder der Weg zur Lyse länger gedauert hätte, hätte die Sache ganz anders ausgehen können.

    Was war die Ursache?
    Ein Verletzung (Läsion) der Arteria Vertebralis, die mindestens einen oder mehrere Tage vor meinem Zusammenbruch stattgefunden haben muss. Am Tag des Vorfalls hatte ich keinen Kontakt am Hals, am Tag davor habe ich nicht trainiert. Wahrscheinlich habe ich einen Atemi eingesteckt, auf den ich im Moment des Treffens nichts gegeben habe.

    Weil ich als Schlaganfallpatient definitiv zu jung bin hat man mich diagnostisch auf Links gedreht um möglichst genau herauszubekommen, was die Ursache sein könnte. Außer der Läsion wurde nichts gefunden.

    Durch die Läsion ist die Arterie teilweise zugeschwollen, hinter der Schwellung konnten sich Wirbel bilden, die es so sonst im Blutkreislauf nicht gibt. In diesen Wirbeln können Blutgerinnsel entstehen, die sich dann im Körper auf den Weg machen. Dieses Risiko besteht so lange, wie das Gefäß zugeschwollen ist. Da eine Läsion ca. 3 Monate braucht, um zu heilen, kann der riskante Zeitraum wohl durchaus mehrere Wochen lang sein.

    Ein solches Gerinnsel ist in meinem Kleinhirn eingeschlagen. Trotz der schnell eingeleiteten Therapie fehlt mir jetzt vom Kleinhirn (das etwa so groß ist wie ein Gänseei) etwa das Volumen einer Walnuss.

    Wie habe ich mich dabei gefühlt?
    Schlecht. Sehr schlecht. Aus irgendeinem Grund war mir klar, dass es sich um einen Schlaganfall handelt. Was mir aber überhaupt nicht klar war, was von mir übrig bleiben würde. Und ich übertreibe nicht wenn ich sage, dass ich noch nie in meinem Leben so eine Scheissangst hatte. Wird es gut gehen oder ende ich als ein Stück Gemüse in einem Rollstuhl?

    Wie ging es weiter?
    Nachdem ich die ersten 72h auf der Intensivstation verbracht habe war das Schlimmste vorbei. Der Rest des Gehirns konnte das Gleichgewicht zur Überraschung der Ärzte sehr schnell wieder herstellen. Die beste Erklärung der Mediziner war, dass ich durch die lange Zeit auf der Matte genug andere Bereiche im Gehirn aktiviert habe.

    Das Sprechen war schwieriger, weil die Feinmotorik der Zunge ziemlich gestört war. Und Schreiben musste ich erst wieder lernen.
    Durch wirklich gute Unterstützung durch Logopäden und Ergotherapeuten habe ich das inzwischen ganz gut im Griff. Ich bin auch jetzt, mehr als ein Jahr nach dem Vorfall, noch nicht an dem Punkt angekommen, an dem ich vor dem Vorfall war. Aber den Rest schaffe ich auch noch.

    Nach ca. 4 Wochen war ich wieder auf der Matte. Ich habe für mich allein geübt, so gut ich konnte. Aber ich musste erst einmal ganz kleine Brötchen backen. Heute trainiere ich wieder ganz normal, wenn ich auch Kontakt ein meinem Hals nicht mehr unbesorgt erdulden kann. Wenn es mir zu viel wird bitte ich meinen Trainingspartner, sich doch etwas zurückzuhalten.

    Die Blutgerinnung wurde für ca. ein halbes Jahr mit Marcumar reduziert, jetzt nehme ich noch prophylaktisch (und wohl auch ein wenig als Placebo) ass 100.

    Ich habe unglaubliches Glück gehabt, dass mir nicht mehr passiert ist. Nichts davon ist ein Verdienst, das ich mir anrechnen kann.
    Es war pures Glück.

    Warum schreibe ich Euch das?
    Ich bin, ehrlich gesagt, von der Leichtfertigkeit entsetzt, mit der einige Leute in den Foren hier mit dem Thema Hirnverletzungen durch Training in KK/KS umgehen.

    Wenn jemand für sich entscheidet, dass dieses Risiko für ihn kalkulierbar ist, sei es ihm zugestanden. Jeder hat das Recht diese Entscheidung für sich zu fällen. Ich nehme mir das Recht, basierend auf eigener Erfahrung, anzumerken dass die Kalkulation nicht aufgeht. Wenn auch die Eintrittswahrscheinlichkeit nicht hoch ist, die mögliche Schwere der Verletzung ist inakzeptabel hoch.

    Was aus meiner Sicht aber gar nicht geht ist das Akzeptieren dieses Risikos für den Trainingspartner/Gegner. Und wenn mein Gegenüber zehnmal freiwillig da ist: nichts, aber auch gar nichts in meinem Sport ist wichtig genug, um meinen Gegenüber diesem Risiko auszusetzen.

    Ich bitte Euch inständig: wenn ihr gewürgt werdet: gebt rechtzeitig auf. Versucht nicht, das Würgen zu verhindern indem Ihre z.B. die eigene Hand zwischen Euren Hals und den würgenden Arm bringt.

    Wenn Ihr das Würgen ansetzt: geht nicht zu weit. Würgt lieber zu wenig als zu viel. Wenn etwas Hartes zwischen euren Armen und dem Hals ist, nehmt den Druck raus.

    Wenn Ihr schlagt: haltet Euch vom Hals fern, wenn Ihr nicht 100%ig wisst, was Ihr tut. Selbst dann: zieht die Schläge nicht durch.

    Viele Grüße,
    Carsten

  2. #2
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    30.10.2010
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    57
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    474

    Standard

    Hallo,

    Respekt für Deinen Willen, Dich zu Deinen alten Fähigkeiten zurückzutrainieren, und Gratulation, dass Du auf einem guten Weg bist.

    Ich habe in meiner Familie leider miterleben müssen, dass es auch anders ausgehen kann (ok, Person war 30 Jahre älter als Du). Von einer Sekunde auf die andere ist ein Mensch ein halbseitig gelähmter Pflegefall.

    Alles Gute für die Zukunft.

    Gruß

  3. #3
    Don B. Gast

    Standard

    Ich wünsch dir alles gute und finde deinen Post sehr gut!!! Ich hoffe damit er von allen gelesen wird und das dabei auch was hängen bleibt! Grade der letzte Satz sollte den meisten im Kopf bleiben! Wer voll durchzieht muss schon wissen was er dem gegenüber antuen kann! Ich hoffe damit bei dir wieder alles gut wird und danke für deinen Beitrag!

  4. #4
    Registrierungsdatum
    15.06.2011
    Beiträge
    583

    Standard

    Während eines Bujinkan Seminars meinte der Leiter auch
    das er Shuto zum Hals anders/gar nicht trainiert da er wohl von
    nem Arzt erfuhr das das jahrelange Üben dieser Techniken
    zu einem Schlaganfall führen kann.

    (Lange her, kann mich nicht mehr genau an Wortlaut ect. erinnern)

  5. #5
    Matt Massacre Gast

    Standard

    Weil ich als Schlaganfallpatient definitiv zu jung...
    Sowas ist immer ein ganz heißes Eisen in der Notfallmedizin. Vermeintliche Alterserkrankungen kommen immer häufiger immer früher vor. ich selber habe z.B. Gallensteine, mein Cousin hatte mit 29 einen Schlaganfall, hier im Dorf hatte einer mit 23 einen Herzinfakt und ein 9jähriger starb vor drei Jahren in der Schule auch an einem Herzinfakt.

    Fakt ist aber: Bei jungen Menschen hat ein Herzinfakt und Schlaganfall meist einen schnelleren tödlichen Verlauf als bei älteren Menschen.

  6. #6
    Kudos Gast

    Standard

    Danke für Deinen Erfahrungsbericht. Leider ist das nicht nur speziell für Halsverletzungen ein Thema. Auch bspw. ein Lowkick kann einen Thrombus verursachen, der zur Lungenembolie führen kann. Aber zum Glück sind solche Fälle relativ selten und auch beim Würgen ist so ein drastischer Verlauf wie bei Dir auch nicht an der Tagesordnung, sondern eine tragische Ausnahme.

    Wurde bei Dir ein Gentest durchgeführt?

  7. #7
    carstenk Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Kudos Beitrag anzeigen
    Wurde bei Dir ein Gentest durchgeführt?
    Nein, inwieweit wäre das sinnvoll gewesen?

  8. #8
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    12.834

  9. #9
    Hubertus Gast

    Post

    Vielen Dank für Deinen ausführlichen Bericht.

    Ich denke nach dessen Lektüre sehr darüber nach, ob ich nicht manchmal richtig Schwein hatte, da ich im Training immer gerne Vollgas gegeben habe und dabei selber auch ordentlich eingesteckt habe. Zwar waren mir natürlich auch die üblichen Risiken bekannt, mit einem Schlaganfall hätte ich jetzt aber nicht gerechnet.

    Ich wünsche Dir ebenfalls alles Gute!

  10. #10
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    Standard

    Sowas ist immer krass. Gut zu hören das du keine großen bleibenden Schäden davongetragen hast. Alles gute auch von mir.

    Gesendet von meinem LG-E460 mit Tapatalk 2

  11. #11
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    Standard

    Hallo Carsten

    Danke für deinen Bericht! Respekt vor dir, ich wünsche dir wirklich aus ganzem Herzen alles Gute!
    Frank Burczynski

    HILTI BJJ Berlin
    https://www.hiltibjj.de


    http://www.jkdberlin.de

  12. #12
    HansaKogge Gast

    Standard

    Guten morgen und erstmal meinen Respekt für deinen Willen und fürddeinen Bericht. Ich bin Ergotherapeut in der akut Neurologie. Leider muss man den Menschen den Zahn ziehen, das ein Schlaganfall eine Erkrankung nur für ältere Menschen ist. Das stimmt leider nicht mehr. Meine Jüngste Patientin war 12 Jahre alt. Oftmals sind meine Jungen Patienten, Menschen die viel Stress haben oder schon Veränderungen der Aterien seit der Geburt haben.

    Dein Glück und Vorteil ist, du bist noch Jung! Dein Gehirn besitzt noch die schnelle Fähigkeit sich zu adaptieren. Dir weiter einen guten und gesunden Weg!

  13. #13
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    Standard

    Danke fürs Teilen, und weiterhin gute Besserung!

    Für mich der wichtigste Teil der Botschaft:
    Früher tappen! Ego ausschalten und "verlieren". Wenigstens im Training. Dasselbe auch auf Geberseite: Merkt man, der Choke sitzt und der andere kommt nicht raus und zögert alles nur hinaus, dann entweder aufhören, oder locker lassen und ihm eine Chance geben. Wie gesagt, im Training.
    "Eternity my friend is a long f'ing time!"

  14. #14
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    19.05.2006
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    1.524

    Standard Respekt und Dank

    Vielen Dank für Deinen Bericht.
    Ich wünsche Dir alles Gute auf Deinem weiteren Weg.
    Um das Mögliche zur erreichen, musst du das Unmögliche versuchen!

  15. #15
    panzerknacker Gast

    Standard

    Zitat Zitat von carstenk Beitrag anzeigen
    Nein, inwieweit wäre das sinnvoll gewesen?
    Das ist insofern sinnvoll, als daß da erbliche Ursachen bezüglich Deiner Gerinnungsfaktoren festgestellt werden könnten.
    Mit 45 zu jung? Dann guck Dich ´mal um in Deinem Bekanntenkreis, mit 40
    geht das los mit Schlaganfall, Herzinfarkt, Thrombose, Lungenembolie .....
    Ob man nun Shuto zum Hals trainieren sollte, sei ´mal dahingestellt, aber
    jedwede Verletzung kann so etwas auslösen.
    Ist halt Pech/Glück, wo das dann hinwandert und wie stark die Nachfolgen
    sind.
    Ich hab schön mit 39 innerhalb von einer Woche auf beiden Lungenflügeln
    und in einem Unterschenkel Thromben gehabt, vermutlich verursacht durch
    eine Mini OP ein paar Wochen vorher.
    Mußt Dich halt entscheiden, ob Du mit Marcumar oder ASS leben/arbeiten kannst.

    Gruß
    Franck

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