Atmung – Atemschulung – Atemkontrolle
Versuche bitte einmal, Dir folgendes Bild vor Deinem geistigen Auge vorzustellen:
Du befindest Dich in einem hochalpinen Gelände und zwar auf einem sehr schmalen, ca. 30 cm breiten Weg, auf dem Du gerade noch so mit beiden Beinen stehen kannst. Auf der einen Seite ein 100 m tiefer Abgrund, völlig glatte Felswand, auf der anderen Seite ebenfalls eine völlig glatte Felswand, ohne jeglichen Vorsprung, nichts, an dem man sich irgendwie festhalten könnte. Hast Du das Bild in Deinem Kopf? Kannst Du Dir das vorstellen? Ich denke, nicht nur für Personen mit Höhenangst eine mehr als erschreckende Vorstellung, oder?
In einer solchen Situation würde jetzt Dein präfrontaler Cortex in Deinem Gehirn ein regelrechtes „Signalfeuer“ an die Amygdala senden: GEFAHR!!! Woraufhin diese das sympathische Nervensystem jetzt mal ordentlich hochfährt! Während dieses Vorgangs schüttet der Locus caeruleus in Hülle und Fülle Noradrenalin aus, was übrigens die Amygdala noch weiter sensibilisiert. Der präfrontale Cortex bildet dabei mit der Amygdala so eine Art Rückkopplungsschleife. Es besteht jetzt die Gefahr, dass sich das ganze System dermaßen „hochfährt“, dass es außer Kontrolle gerät! Viele Menschen fallen in einem solchen Moment in den sogenannten „Freeze-Zustand“, sie „frieren“ ein, sie sind vor Angst wie gelähmt, es geht einfach gar nichts mehr …
So, jetzt stell Dir die gleiche Situation an der Bergwand nochmals vor, allerdings mit einem „kleinen“ Unterschied: An der glatten Felswand oberhalb des schmalen Grates ist nun ein stabiles Drahtseil befestigt, an dem Du Dich immerhin festhalten kannst. Klar, die Angst wäre nach wie vor da, aber das Seil könnte dabei helfen, dass das interne Notfallsystem des Gehirns immerhin nicht völlig außer Kontrolle gerät, Du könntest noch einigermaßen klar denken und Dich in Sicherheit bringen.
Die Fähigkeit der Atemkontrolle stellt dieses „Drahtseil“ in Deinem Kopf dar, das Du immer und überall dabeihaben kannst. Die Atemkontrolle nimmt Dir nicht völlig die Angst, aber sie hilft Dir, den Angstzustand unter Kontrolle zu behalten!
Im Normalfall versorgt unser Körper seine Brennstoffzellen mit Sauerstoff aus der Atmosphäre um Energie zu produzieren. Dabei entstehen als Abfallprodukte Kohlenstoffdioxid und Wasser. Wenn wir nicht immer weiteratmen, bzw. die Atmung aussetzen, sinkt der Sauerstoffgehalt in unserem Blut und der Gehalt an gelöstem Kohlendioxid steigt. Rezeptoren, die sich im Hirnstamm, im Herzen und der Arteria carotis (Halsschlagader) befinden überwachen diesen Vorgang und lösen gegebenenfalls auch den Drang zum Atmen aus. Unter starkem Stress oder Angst schaltet das sympathische Nervensystem automatisch auf eine rasche und flache Atmung um – auch wenn das den Meisten von uns nicht bewusst ist bzw. im Notfall nicht bewusst wird! Wenn das sympathische Nervensystem jetzt richtig „gas“ gibt – wie im Beispiel mit der Felswand – kann das die Atmung sogar richtig extrem beeinflussen. Die schnelle und flache Atmung hat den Effekt, dass das Blut zu stark mit Sauerstoff angereichert wird und der Kohlenstoffdioxidgehalt drastisch sinkt. Dieses Ungleichgewicht führt aber dazu, dass sich die Blutgefäße zusammenziehen wodurch tatsächlich, trotz hohem Sauerstoffgehalt im Blut, im Gehirn ein Sauerstoffmangel entsteht. Wenn die Atmung jetzt weiterhin immer schneller und flacher wird, steigert sich auch das Ungleichgewicht zwischen den gelösten Gasen immer drastischer und das Problem schaukelt sich so weiter hoch …
Die Fähigkeit, Veränderungen im Körper bewusst wahrzunehmen, gepaart mit der Fähigkeit der Atemkontrolle kann verhindern, dass solche Situationen in unserem „Inneren“ und damit auch in unserem „Äußeren“ eskalieren!
Beim Training der Atemkontrolle arbeite ich mit vier Varianten gleichzeitig:
Variante 1 sind einfach nur verschiedene Atemübungen, bei denen der Schüler die Atmung immer wieder auf unterschiedliche Weise steuern (kontrollieren) muss.
Bei Variante 2 verbinde ich immer eine Atemübung mit einer Kampftechnischen- oder einer Körperabhärtungsübung. Das sieht dann so, dass der Schüler immer im Wechsel die Atemübung isoliert macht und dann die Atemtechnik der Atemübung in die Kampftechnische- oder Körperabhärtungsübung übernimmt. Und das wie gesagt in einem ständigen Wechsel.
Bei Variante 3 absolviert der Schüler nur kampftechnische- oder Körperabhärtungsübungen und versucht hier eine vorgegebene Atemtechnik umzusetzen bzw. miteinfließen zu lassen. Variante 3 übe ich auch gerne mit verschieden Sparringsformen. Übrigens soll der Schüler hier immer wieder mit verschiedenen Atemtechniken arbeiten.
Bei Variante 4 verbinde ich gymnastische Übungen mit verschiedenen Atemübungen.
Dabei baut nicht eine Variante auf der anderen auf, sondern es wird von Anfang an mit allen vier Varianten abwechselnd gearbeitet.
Auch wenn es eigentlich klar ist: Das Training der Atemkontrolle bringt auch außerhalb eines Kampftrainings – im ganz normalen Alltag – viele Vorteile mit sich.
Wer die Grundausbildung meines Vollkontakt-Lehrgangs absolviert hat, wird dieses Trainingssystem so verstanden haben, dass er / sie es problemlos in das eigene, spezifische Training übernehmen kann.
Soweit erst mal wieder ….
Gruss,
Klaus