Lotus Press (gebunden/2008)
ISBN 978-3935367400
328 Seiten
€ 12,-

Jan Silberstorff ist in der deutschen Tai Chi-Szene mit Recht eine stehende Größe (wenn nicht gar eine stehende Säule) und das vorliegende Buch - zu dem es im Übrigen auch noch eine begleitende DVD gibt - zeigt sehr deutlich weswegen. Der Autor ist seit 1989 staatliche anerkannter Lehrer für Taijijuan mit einer Lehrzulassung der VR China und Traditionsträger der Chen-Linie, die viele als die Ursprungslinie des Taijijuan betrachten. Zusammen mit seinem Shifu Chen Xiagong gründete er den Taiji-Weltverband WCTA und ist Vorsteher dessen deutscher Unterabteilung (WCTAG).

Ausgehend von der Idee, dem Publikum das Tou Shu, das San Shu und andere kämpferische Trai-ningsbereiche der inneren Kampfkünste näherzubringen gibt dieses BUch grundlegende - und weiterführende - Informationen zur Geschichte und Entwicklung des modernen Tai Chi mit besonderer Konzentration auf den Chen-Stil, Porträts der wichtigsten Chen-Meister (unter Auslassung Jan Silberstorffs selbst, was bei den Neigungen anderer Meister in anderen Stilen eine willkommene Abwechslung ist), Einführungen zu den Grundbewegungen und -haltungen des Tai Chi und zu abgestuften Routinen, die sich aus dem Tai Chi und der Formenarbeit zu einem kämpferischen, partnerschaftlichen Lernen weiterentwickeln.

Hierbei wird der Sinn von Routinen, Partnerübungen und Wettkampftraining in Hinblick auf die Selbstverteidigung eindringlich hinterfragt und auch hinterfragt, was denn eigentlich Selbstverteidi-gung (und Fremdverteidigung) genau ist - und zwar auch vor dem Hintergrund einer überaus natürlichen Kosten-Nutzen-Rechnung. Hierbei illustrieren einige Anekdoten sehr nachvollziehbar, was Jan Silberstorff unter Selbstverteidigung versteht und was Spontanität und Absichtslosigkeit in Krisensituationen wirklich bedeuten können.

Darüber hinaus gibt es einige Artikel zur daoistischen Theorie mit Bezug auf die inneren Kampfkünste und einen Anhang zu Grundbegriffen des Chen, sowie ein Verzeichnis der Lehrenden.

Einige Artikel in diesem Buch sind bereits an anderer Stelle erschienen und stammen zum Teil auch von anderen Autoren, wie Nabil Ranne und Frank Marquardt, wie auch innerhalb des Buchs immer detulich vermerkt wird. Das Buch selbst ist von Papier und Machart von hoher Fertigkeit, wie man es bei einem Buch, das sich oft begleitend in einem Ruck- oder Trainingssack befinden dürfte sicherlich notwendig ist.

Zwei Dinge sind bei diesem Buch leider kritisch anzumerken. Bei einigen Texten sind die Bezüge der Personalpronomina nicht unbedingt nachzuvollziehen oder das grammatikalische Geschlecht wurde nicht richtig beachtet und gelegentlich scheinen sich Wortfehler eingeschlichen zu haben - was aber auch so zu erklären sein mag, dass hier ein Nordrhein-Westfale den Text eines Hamburgers betrachtet. Auf jeden Fall aber für den Tai Chi-Enthusiasten ein wichtiger Beitrag zur Handbibliothek, den man sich vielleicht so ab dem dritten bis fünften Lehrjahr (je nach Trainingsintensität und Theorieverträglichkeit) gönnen sollte.


K.-G. Beck-Ewerhardy