Tschetschenischer Präsident getötet

Gezielter Anschlag: Der Sprengsatz explodierte in der Mitte der Haupttribüne. Mindestens sechs Menschen starben, 56 wurden verletzt.

Grosny - Bei einem Bombenanschlag in der tschetschenischen Hauptstadt Grosny ist am Sonntag der pro-russische Präsident Achmad Kadyrow getötet worden. Das Attentat traf während einer Militärparade die in einem Stadion versammelte Führung der russischen Teilrepublik Tschetschenien und forderte nach offiziellen Angaben sechs Menschenleben und 56 Verletzte. Möglichererweise starben sogar bis zu 32 Menschen.

Putin droht mit Vergeltung

Nach Angaben des tschetschenischen Innenministeriums explodierte der Sprengsatz am Morgen während einer Feier zum Sieg Russlands über Nazi-Deutschland. Die Bombe ging direkt unter der Haupttribüne des Stadions hoch. Neben Kadyrow und zwei seiner Leibwächter seien der Vorsitzende des tschetschenischen Staatsrates, Hussein Issajew, ein Journalist und ein achtjähriges Mädchen getötet worden, teilte der Präsidialbevollmächtigte für Südrussland, Wladimir Jakowlew, nach seiner Ankunft in Grosny mit. Der Kommandeur der russischen Truppen in Tschetschenien, General Waleri Baranow, musste notoperiert werden. Die Bombe habe ihm einen Fuß abgerissen.

Fünf Verdächtige festgenommen

Die Polizei nahm fünf Verdächtige fest. Es werde überprüft, ob sie in den Anschlag verwickelt seien, sagte ein Spredcher des tschetschenischen Innenministeriums der russischen Nachrichtenagentur Interfax. In Grosny laufe ein "Spezialeinsatz" auf der Suche nach den Attentätern, zahlreiche Autos würden durchsucht, hieß es.

Tausende Menschen im Stadion

Im Dynamo-Stadion in Grosny hatten sich am Sonntagmorgen Tausende Menschen versammelt, um - wie überall in Russland am 9. Mai - den Tag des Sieges 1945 zu feiern. Um 10.35 Uhr Ortszeit explodierte der Sprengsatz. In der obersten Reihe der Haupttribüne saßen Kadyrow, Kommandeur Baronow und der tschetschenische Innenminister Alu Alchanow. Tschetschenische Sicherheitskräfte und russische Soldaten schossen in Panik in die Luft. Der blutende Kadyrow wurde von seinen Leibwächtern ins Krankenhaus gebracht. Er sei auf dem Weg dorthin seinen Verletzungen erlegen, sagte sein Sprecher, der bei dem Anschlag ebenfalls verletzt wurde.

Pro-russischer Präsident

Putin bestätigte einige Stunden später den Tod des Präsidenten, der im Oktober in einer von Moskau gesteuerten Abstimmung gewählt worden war. Kadyrow sei ein "echter Held" gewesen. Er habe bewiesen, dass "Banditen, Terroristen und das tschetschenische Volk nicht dasselbe sind". Kadyrow war vor seiner Wahl zum Präsidenten, die international als Farce kritisiert wurde, bereits mehr als drei Jahre Chef der pro-russischen Verwaltung Tschetscheniens. Im ersten Tschetschenien-Krieg von 1994 bis 1996 hatte Kadyrow noch gegen die russische Besatzung gekämpft. Als Verwalter überlebte er mehrere Attentate.

Zwei weitere Sprengsätze gefunden

Zunächst bekannte sich niemand zu dem Anschlag. Augenzeugen berichteten, sie hätten eine Frau mit einem Sprengstoffgürtel gesehen. Das tschetschenische Innenministerium dagegen teilte mit, das kürzlich erbaute Stadion sei mehrmals gründlich auf Sprengstoff durchsucht worden. Die Bombe sei während der Bauarbeiten in einer Betonplatte genau unter dem Bereich der Haupttribüne versteckt worden, der für ranghohe Persönlichkeiten reserviert ist. Nach der Explosion seien zwei weitere Sprengsätze in dem Stadion gefunden worden.

Putin ernennt Abramow zum Interims-Präsidenten

Putin sagte laut der russischen Nachrichtenagentur RIA Nowosti nach dem Anschlag: "Es darf keinen Zweifel geben, dass die Strafe für diejenigen unausweichlich sein wird, die wir heute bekämpfen. Sie wird unausweichlich für die Terroristen sein". Die russische Führung bezeichnet die für die Unabhängigkeit kämpfenden tschetschenischen Rebellen als "Terroristen". Putin ernannte den tschetschenischen Regierungschef Sergej Abramow zum Interims-Präsidenten.

In Tschetschenien kämpfen Rebellen seit mehr als vier Jahren gewaltsam gegen die russische Besatzung. Sie verübten bereits mehrfach an russischen oder tschetschenischen Feiertagen Anschläge. (joe/AFP/dpa)