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Thema: "Lazy Guard" - kennt ihr das?

  1. #1
    Dean12 Gast

    Standard "Lazy Guard" - kennt ihr das?

    Hi! :-) (entschuldigt den langen Beitrag, aber es ging nicht kürzer. Und mit jedem Wort, das ich hier schreibe, wird der Beitrag noch länger. Aaah, verdammt!)

    Ich hatte nach meinem gestrigen Training eine wichtige Erkenntnis, die ich euch nicht vorenthalten will. Diese Erkenntnis hängt mit dem Begriff der sogenannten "Lazy Guard" ("die faule Guard") zusammen. Zwar gibt es diesen Begriff im allgemeinen BJJ-Jargon nicht (ich habe ihn gestern irgendwo aufgeschnappt und für gut befunden), aber das Problem, das er beschreibt, ist, wie ich nach eingehender Recherche herausgefunden habe, sehr viel bekannter als ich gedacht habe. Daher bin ich mir sicher, dass ich auch hier die eine oder andere Person erreichen werde, denen bei meinem Text ein kleines Licht aufgeht. ;-) Nun, was hat es mit es mit dieser ominösen Lazy Guard auf sich? Ich will euch ein Beispiel geben:

    Wenn du dieses Problem kennst, dann bist du vermutlich ein Anfänger (< 1 Jahr) oder ein etwas erfahrenerer Kämpfer. (< 3 - 4 Jahre) Bei dir steht Sparring auf dem Plan. Du klatscht mit deinem Partner ab, ihr seid in etwa gleich erfahren, der Kampf beginnt. Du siehst dich selbst als Guard-Player, also zerrst du ein bisschen an deinem Gegner und zwingst ihn dann in deine Guard. "So weit, so gut", denkst du dir. "Jetzt kann ich meinem Gegner mein Spiel aufdrücken." Aber ist das wirklich so? Wenn du (so wie ich) an der Lazy Guard krankst, dann wird in den meisten Fällen eher Folgendes passieren: Du wirst ein bisschen gegen deinen Gegner arbeiten, vielleicht seinen Kopf fixieren, den Overhook ansetzen oder sogar eine Submission-Möglichkeit suchen. (dann hättest du sogar schon mehr getan als ich in einigen Fällen) Deine Aktionen bringen aber keinen wirklichen Erfolg, dein Gegner befreit sich butterweich aus deiner Guard und hat dich zwei Sekunden später in der Side Mount / Full Mount, von wo aus er (beispielsweise) einen Choke ansetzt und dich zum Tappen bringt.

    Was ist hier geschehen? Ich dachte, du willst deinem Gegner dein Spiel aufdrücken? Warum konnte er deine Guard so leicht überwinden? Ich sag's dir:

    Du glaubst, du hättest deinem Gegner dein Spiel aufgedrückt, aber du hast es nicht. Du hast nur mit ihm gespielt, wohingegen er Ernst gemacht hat. Anstatt den Kopf und die Arme deines Gegners zu fixieren, dir ein bisschen Platz zu verschaffen und danach einen Submission-Ansatz zu suchen, hast du nur da gelegen und Alibi-mäßig gearbeitet. Dein Gegner hingegen hat seine Kraft und Schnelligkeit ins Spiel gebracht und die unzähligen Räume genutzt, die du ihm durch dein Game zur Verfügung gestellt hast. Das ist die Lazy Guard. Du willst den defensiven Part übernehmen, lauern, auf Fehler deines Gegners warten und dann im entscheidenden Moment zuschlagen. Dadurch versetzt du deinen Kopf automatisch in einen abwartenden Modus. Dein Gegner aber wartet nicht. Dein Gegner ist on fire, der will sich aus deiner Guard befreien, und wenn er das geschafft hat, dann wird er alles daran setzen, dich auf dem Boden zu halten und mittels Side Mount / Full Mount zu dominieren. Und da du unter Umständen immer noch in einem abwartenden Modus bist, wirst du deinen Gegner teilweise auch dann noch gewähren lassen, während er genüsslich seine Arme und deinen Hals schwingt und zuschnürt. Das ist mir selbst dutzende Male passiert - und erst jetzt habe ich dieses Problem realisiert.

    Ein dazu passendes Zitat von Marcelo Garcia:

    "If you aren't attacking, you are defending, and if you are defending it means that you are losing the fight at that moment."

    "Wenn du nicht angreifst, dann verteidigst du, und wenn du verteidigst, dann bedeutet das, dass du den Kampf in diesem Augenblick verlierst."

    Es gibt keine andere Position, die derart prädestiniert dafür ist, sie in der Lazy-Variante zu spielen. Wenn du deinem Gegner überlegen bist (Side Mount / Full Mount / Back Mount), dann willst du angreifen. Wenn du hingegen selbst unter die Räder kommst, dann willst du dich befreien. Es erscheint dir offensichtlich, dass es sich weder bei der einen noch bei der anderen Situation lohnt, erst einmal gemütlich abzuwarten und locker zu lassen. Du kannst dadurch nur Nachteile erhalten. Das weißt du. Aber als Guard-Player glaubst du unter Umständen, dass du lediglich warten musst, bis dein Gegner einen Fehler begeht und dass du diesen dann mit deinem kleinen Finger zur Strecke bringen kannst. Selbst wenn er aus deiner Guard ausbricht, könntest du schließlich die Position sehr schnell zurück erobern oder irgendeinen Sweep ansetzen, der die explosionsartige Schnelligkeit deines Gegners ausnutzt, während er dich gerade in die Side Mount bringen will.

    Eine solche Denkweise ist fatal!

    Ich war schon immer ein Guard-Player. Und immer und immer und immer wieder bin ich genau wegen diesem Kram auf die Fresse geflogen. Das hängt auch damit zusammen, dass mir der Flow beim Rollen sehr wichtig ist. Wenn man aber ähnliche Voraussetzungen wie sein Gegner erfüllt und dieser lieber mit Kraft und Geschwindigkeit und nicht mit Flow arbeitet, dann wird er deine Guard im Handumdrehen passen - immer. Aber auch wenn ihr beide mit Flow rollt, wird eine solche Denkweise ein Nachteil für dich sein. Du kannst nicht warten und zusehen, was dein Gegner macht - vollkommen egal, ob dieser nun schnell oder langsam arbeitet. Du musst aus der Guard gegensteuern, ihn zu Fehlern zwingen, Möglichkeiten ausloten. Das heißt weder, dass man seinen Flow aufgeben noch dass man übermäßig aggressiv arbeiten muss. Aber man muss den Willen haben, es seinem Gegner so schwierig wie möglich machen. Der Raum, den du deinem Gegner lässt, ist der gleiche Raum, in den dein Gegner stößt, um dich platt zu walzen.

    Wenn ihr euch in diesem Problem wieder erkennt, dann hoffe ich, dass ich euch die Augen öffnen konnte. Sofern ihr dieses Problem nicht habt und auch noch nie davon gehört habt, so achtet darauf, ob die weniger erfahrenen Leute unter Umständen die oben beschriebenen Kriterien erfüllen. Ihre Fähigkeiten werden sich drastisch steigern, wenn sie sich dieses Fehlers bewusst werden.

    PS: Inspiriert wurde ich durch diesen Beitrag hier:

    The Myth of Relaxing in Training, by Andreh A. - Sherdog Mixed Martial Arts Forums

  2. #2
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    Standard

    Klasse Beitrag, danke!

    Ich selber bin als Bottom Player ein Halfguard Spieler. Und ich kenne das Problem der "lazy guard" sehr wohl. Bei mir, aber auch bei vielen Leuten, mit denen ich trainiert habe oder trainiere. Ich halte es in der Zwischenzeit für eine Entwicklungsphase, durch die viele, aber nicht alle, gehen. Hat meistens damit etwas zu tun, dass man den eigenen Fähigkeiten noch nicht vertraut oder sie noch nicht entwickelt hat. Closed Guard ist prädestiniert für eine "lazy guard", man hält den Gegner vermeintlich gut in seiner Kontrolle, hat aber nie den richtigen Moment für den eigenen Angriff. Man traut sich auch noch nicht, eine viel aktivere Open Guard zu spielen.
    Das muss sich erst entwickeln, man muss Vertrauen ins eine Techniken und sein Können entwickeln.
    Frank Burczynski

    HILTI BJJ Berlin
    https://www.hiltibjj.de


    http://www.jkdberlin.de

  3. #3
    Jörg S. Gast

    Standard

    meint das dasselbe wie lay'n'pray?

    bei uns im training sage ich immer, daß man auch drauf achten soll, welche möglichkeiten zum schlagen/treten (mit der hacke etc...) sich ergeben, auch wenn wir "nur rollen". das dynamisiert manche situation wieder.

  4. #4
    Cillura Gast

    Standard

    Also ich bin jetzt nicht so versiert am Boden, da ich nicht so häufig die Gelegenheit für Bodenkampf habe. Allerdings ist mir das bei mir auch schon aufgefallen. Danke für den Hinweis und den Artikel, das erklärt so manches und gibt ganz neue Einblicke ins Game.

  5. #5
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    Zitat Zitat von jkdberlin Beitrag anzeigen
    Ich halte es in der Zwischenzeit für eine Entwicklungsphase, durch die viele, aber nicht alle, gehen.
    Das denke ich auch.
    Die Ursache ist m.E. im mentalen Bereich zu finden.
    -Dadurch, daß ich vor BJJ schon langjährigen Judo-Background hatte, habe ich diese Phase nicht so intensiv (bzw. wohl so intensiv, aber vor vielen Jahren im Judo) erlebt. Ich erkenne das Phänomen aber bei vielen wieder, die einen ähnlichen BJJ-Erfahrungsstand im Vergleich zu mir haben, aber BJJ ihr erster Kampfsport ist.
    "It‘ s not about who is good or who is bad. It‘ s about who is left.“
    Chris Haeuter

  6. #6
    Addario Gast

    Standard

    Passt zwar nur am Rande zum Thema, aber finde ich auch ganz interessant (man sollte also eher in der Escape-Position erst ein bisschen abwarten):



    @ Topic: Ich finde auch, dass die Guard im Gi-Bereich (zumindest für mich) weitaus besser funktioniert. Man kann z.B. zum Cross Collar Choke ansetzen und von da aus weiterarbeiten. In einer Nogi Situation finde ich das schwieriger durch die eingeschränkten Kontrollmöglichkeiten.

  7. #7
    MrDeifel Gast

    Standard

    Haha, klasse Beitrag.

    Ich erkenne mich 1:1 wieder, wenn ich nach ner anstrengenden Trainingseinheit noch rolle.

    Da denke ich, ach, mach einfach das, was du am besten kannst - hol ihn in die Guard und dann lauer auf Fehler.

    Was ich tatsächlich mache: Schau, dass ich in die Guard komm, lege mich erstmal gechillt auf den Rücken, Hände hinter den Kopf und schau mal, dass der Partner sich ein wenig austobt. Das Lauern auf die Fehler vergess ich meistens .

    Irgendwann wirds mir dann zu doof die geschlossene Guard, ich mach die Beine auf, aber weil ich die ganze Zeit im Chillmodus war, lass ich mich passieren wie Butter.

    Zum Glück schaff ichs im Wettkampf diese doofe Angewohnheit größtenteils abzustellen.

  8. #8
    Dean12 Gast

    Standard

    Zitat Zitat von jkdberlin Beitrag anzeigen
    Klasse Beitrag, danke!
    Vielen Dank für das Lob!

    Und ich kenne das Problem der "lazy guard" sehr wohl. Bei mir, aber auch bei vielen Leuten, mit denen ich trainiert habe oder trainiere.
    Sehr interessant! Dann ist die Lazy Guard wohl auf allen Erfahrungsleveln verbreitet.

    Hat meistens damit etwas zu tun, dass man den eigenen Fähigkeiten noch nicht vertraut oder sie noch nicht entwickelt hat.
    Absolut. Ich selbst bin immer viel zu zögerlich im Sparring - und das alleine reicht schon, um meinem weniger zögerlichen Partner einen großen Vorteil zu bescheren. Jetzt, da ich meinen eigenen Fehler entdeckt habe, werde ich mich in Zukunft natürlich umstellen.

    Es ist übrigens ziemlich cool, wenn man so fundamentale Dinge für sich entdeckt. Da merkt man, wie sich das eigene Game von einer Sekunde auf die andere schlagartig verändert hat.

    Closed Guard ist prädestiniert für eine "lazy guard", man hält den Gegner vermeintlich gut in seiner Kontrolle, hat aber nie den richtigen Moment für den eigenen Angriff.
    Genau. Man muss lernen, dass Kontrolle nicht alleine dadurch entsteht, dass ich meine Füße um die Hüfte meines Gegners lege und ein bisschen an seinen Armen und seinem Kopf rumspiele. Es muss Festigkeit her. Und wenn diese Festigkeit da ist, dann muss ich handeln - alles andere kostet nur Energie, die ich besser in andere Aktionen stecken könnte.

    Zitat Zitat von Jörg S. Beitrag anzeigen
    meint das dasselbe wie lay'n'pray?
    "Lazy Guard" beschreibt die Situation, dass ich meinen Gegner in meiner Guard habe und defensiv agiere, also darauf warte, dass er einen Fehler macht, dabei aber stehts zu passiv bin und meinem Gegner dadurch jede Möglichkeit eröffne. "lay'n'pray" hingegen beschreibt ja, dass ich in der Guard meines Gegners bin und von dort aus eher passiv agiere - sei es nun, weil ich Punkte nach Hause fahren will oder auf eine bessere Position spekuliere.

    Zitat Zitat von Cillura Beitrag anzeigen
    Allerdings ist mir das bei mir auch schon aufgefallen. Danke für den Hinweis und den Artikel, das erklärt so manches und gibt ganz neue Einblicke ins Game.
    Super, genau das wollte ich erreichen. Freut mich.

    Zitat Zitat von Budo- Sensei Beitrag anzeigen
    Das denke ich auch.
    Die Ursache ist m.E. im mentalen Bereich zu finden.
    Richtig. Wie jkdberlin schon sagte: Man vertraut seinen Fähigkeiten nicht. Also begibt man sich in eine Position, von der man glaubt, dass man in ihr ohne große Anstrengung "überleben" könnte. Dass das keineswegs der Fall ist, habe ich schon mehrere Male erleben müssen.

    Zitat Zitat von MrDeifel Beitrag anzeigen
    Haha, klasse Beitrag.
    Dankeschön!

    Ich erkenne mich 1:1 wieder, wenn ich nach ner anstrengenden Trainingseinheit noch rolle.
    Nach einer anstrengenden Einheit ist es besonders schlimm, ja. Eigentlich hat man gar keine Lust auf Sparring, also arbeitet man lieber halbherzig. Ist halt fatal.

    Probiere ruhig, das auch außerhalb des Wettkampfs abzustellen. Ich bin mir sicher, dass sich dein Game stark verbessern wird.

    Danke für die vielen Beiträge bisher!

  9. #9
    Gordo Gast

    Standard

    Guter Beitrag, ich kenne das Problem nur zu gut.
    Ein Teil des Problems liegt meiner Einschätzung nach darin dass man mit einer Lazy Guard gegen Leute auf gleichem Level noch halbwegs durchkommt oder faul im technischen Sinne mit mehr Kraft ausgleichen kann.
    Das Problem bei mir war dass ich in dem BJJ Verein in dem ich zu Anfangszeiten mittrainiert habe meist "nur" mit den Weißgurten gerollt habe, diese gaben mir anfangs genug zu arbeiten und die höheren rollen sowieso gerne unter sich.
    Nur haben die anderen Anfänger auch noch nicht den Druck beim Passen und sind sich ihrer Sache auch noch nicht so sicher selbst wenn sie besser sind als man selbst, oft kompensieren sie die Lazy Guard dann mit einer Lazy oberen Position würde ich vermuten.
    Im Ju-Jutsu Verein hatte ich sowieso niemanden der über diesem Level war.
    Dann hatte ich Glück dass ich eine Zeit lang einen sehr guten Grappler als WG Mitbewohner hatte der ansonsten im Ausland bei Top-Leuten trainiert.
    Weil wir dann befreundet waren und er mangels Alternativen öfter bei mir im Ju-Jutsu Verein mitgekommen ist war das dann das erste mal dass ich länger und häufiger mit jemand wirklich guten gerollt bin.

    Jedesmal in der Guard dachte ich mir das kann doch nicht sein, selbst wenn man den gewaltigen Könnensunterschied miteinrechnet, das war als hätte ich einfach gar keine Guard und er könnte nach Belieben innerhalb von 2 Sekunden heraus steigen selbst ohne wirklich mit den Händen zu arbeiten oder gute Griffe zu haben.
    Noch schlimmer bei einer Halfguard diese war dann endgültig nicht mehr vorhanden.
    Und dann hat er mir auch gesagt dass ich zu passiv bin, viel mehr arbeiten muss und so weiter.
    Vor allem in der Halfguard habe ich mich einfach nur flach auf den Rücken gelegt und damit schon die Hälfte seiner Aufgabe übernommen.
    Und das war einfach nur Kopfsache, ich hatte das so im Kopf dass Guard und Halfguard Verteidigungspositionen sind und man deswegen defensiv ist.
    Und siehe da nach wenigen Trainings wo ich versucht habe das zu ändern sah es schon anders aus.
    Natürlich hatte ich nach wie vor keinen Auftrag aber zumindest war er gezwungen aktiv zu passen statt einfach nur mit Timing und Körpergefühl heraus zu rutschen oder mein Guard anstrengungslos "abzuschütteln".

    Mittlerweile rolle ich regelmäßig auch mit den höchst Graduierten damit sich so Fehler nicht einschleichen.
    Ich glaube faul sollte man dabei nicht nur darauf beziehen ob man etwas macht sondern ob man etwas sinnvolles macht, wie du ja beschrieben hast, das halbherzige Arbeiten ist leider nichts wert.

  10. #10
    Dean12 Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Gordo Beitrag anzeigen
    Guter Beitrag, ich kenne das Problem nur zu gut.
    Danke!

    Ein Teil des Problems liegt meiner Einschätzung nach darin dass man mit einer Lazy Guard gegen Leute auf gleichem Level noch halbwegs durchkommt oder faul im technischen Sinne mit mehr Kraft ausgleichen kann.
    Bei mir ist es so: Leute, die eher langsam und technisch arbeiten, kann ich länger in meiner Lazy Guard halten - auch, weil ich sehr lange und kräftige Beine habe. Sie arbeiten ein bisschen gegen meinen Oberkörper, meine Arme oder direkt nach hinten gegen meine Beinschere. Sobald sie aber merken, dass dies nicht sehr sinnvoll ist, bringen sie Kraft und Geschwindigkeit ins Spiel. (natürlich genauso wie die Leute, die von Anfang an mit mehr Elan bei der Sache sind) Da es mir häufig nicht gelingt, mich diesem Umstand mental anzupassen (wir reden hier immerhin von wenigen Sekunden - wenn überhaupt), passen sie meine Guard und bringen mich in eine unterlegende Position. Das muss man sich einmal wirklich vor Augen führen:

    Dadurch, dass ich mich für die Lazy Guard entschieden habe, habe ich meinem Gegner von Anfang an einen mentalen Vorteil für den gesamten Kampf gegeben. Selbst wenn mein Gegner nicht direkt mit sehr viel Energie bei der Sache ist, so gebe ich ihm alle Zeit der Welt, diese Einstellung im Laufe des Kampfes zu verändern. (und das wird spätestens dann der Fall sein, wenn er merkt, dass er hier ohne Kraft und Geschwindigkeit nicht weiter kommt) Ich hingegen werde meine Einstellung vermutlich erst dann verändern, wenn mein Gegner tatsächlich meine Guard durchbrochen hat, denn bis dahin habe ich die Illusion von Kontrolle aufrecht erhalten können. Dann ist es aber in der Regel schon zu spät und mein Gegner wird mich in den meisten Fällen in eine dominante Position bringen.

    Und spinnen wir das Netz noch ein bisschen weiter: Ich habe in der Lazy Guard das Gefühl, meinen Gegner unter Kontrolle zu haben. Auch wenn das in den meisten Fällen nicht stimmt, so merkt mein Gegner dennoch, wie sich meine Beinschere fest um seine Hüfte zurrt, wie ich immer mal wieder an seinen Armen ziehe, seinen Kopf greife oder meinen eigenen Oberkörper aufrichte. Das heißt, bei meinem Gegner stellt sich automatisch das Gefühl ein, dass er hier ein bisschen unter Zugzwang steht. Wenn man es so betrachtet, dann animiere ich meinen Gegner dazu, sich aus meiner Guard zu befreien und gebe ihm dadurch einen psychologischen Vorteil an die Hand. Seine Willenskraft steigt, und eben diesen Schub wird er dann verwenden, um mich nach seinem erfolgreichen Guard Pass da zu halten, wo er mich haben will.

    Ich muss mit meinem Gegner auf mentaler Ebene mithalten, wenn ich ihn von Beginn an in die Guard nehme. (das gilt natürlich auch für den gesamten Kampf, aber an dieser Stelle zeigt sich das Dilemma besonders gut) Und das funktioniert nicht, wenn man nur fest daran glaubt, man muss es auch tatsächlich tun, man muss sich richtig reinkloppen, eng arbeiten, Kontrolle aufbauen, Submission- oder Sweep-Ansätze suchen und durchführen, auch wenn diese nicht immer mit Erfolg gekrönt sind. (Trial&Error-Prinzip)

    Alles andere ist immer nur ein Stück weit eine Einladung für meinen Gegner, mich zu dominieren.

  11. #11
    Droom Gast

    Standard

    Endlich hab ich eine Erklärung warum ich gegen exakt die selbe Leuten viel schlechter abschneide wenn ich Guard-Game spiele als wenn ich unbedingt der Topgamer sein will. Die Guard animiert mich immer zu sehr dazu kräftesparend und spielerisch zu agieren, während ich als Topgamer permanent meinen Gegner mit allen Mitteln die Position behalten bzw verbessern will oder eben die Submission suche.

    Mein komplettes Mindset ändert sich schon eigentlich nur dadurch das ich mich für eine andere Anfangssiution entscheide...
    Hätte mir wahrscheinlich mehrere hundert Taps sparen können, wenn ich nicht so mit diesem "ich kämpfe mit so wenig Energie wie möglich"-Bottomgame angefangen hätte

  12. #12
    Dean12 Gast

    Standard

    Wow, jetzt ernsthaft? Krass, das freut mich gerade richtig, dass ich dir so sehr helfen konnte. Geil!

    Zitat Zitat von Droom Beitrag anzeigen
    Mein komplettes Mindset ändert sich schon eigentlich nur dadurch das ich mich für eine andere Anfangssiution entscheide...
    Hätte mir wahrscheinlich mehrere hundert Taps sparen können, wenn ich nicht so mit diesem "ich kämpfe mit so wenig Energie wie möglich"-Bottomgame angefangen hätte
    Ja, bei mir ist es ganz genauso. Es ist eigentlich auch sehr leicht zu erklären: Der menschliche Körper hegt den Wunsch, so wenig Energie wie möglich zu verbrauchen, da die (möglicherweise nicht vorhandenen) Reserven in einem Notfall über Leben und Tod entscheiden könnten - zumindest war das so, als wir Menschen noch in der Savanne gelebt haben, auf die Jagd gegangen sind und zu jeder Zeit von einem Tier getötet hätten werden können. Das ist heutzutage natürlich nicht mehr der Fall, aber so schnell verändern sich die biologischen Prinzipien, nach denen wir funktionieren, nicht. Also verlangt unser Körper von uns, dass wir uns nach einem harten Arbeitstag lieber aufs Sofa fallen lassen als uns noch zum Sport aufzuraffen. Er will, dass wir unsere restliche Energie sparen.

    Wenn wir uns also einreden, dass man aus der Guard heraus ohne jeglichen Kraftaufwand arbeiten und den Gegner trotzdem kontrollieren und dominieren kann, dann nimmt unser Körper dieses Geschenk natürlich gerne an. Es ist für ihn der effizienteste Weg Richtung Ziel. (dass wir dabei aber ordentlich auf die Mütze kriegen, interessiert ihn nicht mehr )

  13. #13
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    Standard

    Zitat Zitat von Droom Beitrag anzeigen
    Hätte mir wahrscheinlich mehrere hundert Taps sparen können, wenn ich nicht so mit diesem "ich kämpfe mit so wenig Energie wie möglich"-Bottomgame angefangen hätte
    Die Idee ist gar nicht schlecht, nur sollte man nicht mit weniger Energie als möglich kämpfen
    Gesendet mittels Unterhaltungselektronik ohne Tapatalk.

  14. #14
    Dean12 Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Tyrdal Beitrag anzeigen
    Die Idee ist gar nicht schlecht, nur sollte man nicht mit weniger Energie als möglich kämpfen
    Ich würde eher sagen, man sollte mit "so viel Energie wie nötig" kämpfen, nicht mit "so viel Energie wie möglich".

    "So viel wie nötig" setzt voraus, dass ich weiß, was für ein Ziel ich durch eine bestimmte Position erreichen will. Hierfür muss man sich im Klaren darüber sein, wie ich als Sieger aus einem Grappling-Kampf hervorgehen kann: durch Punkte oder Submission. Alles, was ich tue und was mir nicht direkt einen Punkt oder einen Submission beschert, darf insofern maximal als Brücke dienen, die mich zu einem dieser beiden Dinge führt. Die Lazy Guard wird diese Rolle als Brücke in vielen, vielen Fällen nicht übernehmen können, da sie lediglich Kontrolle suggeriert, wo in Wahrheit gar keine Kontrolle besteht. Schlimmer noch: Zwar dient sie nicht mir als Brücke, unter Umständen aber sehr wohl meinem Gegner, da ich ihm (wie in den vorherigen Beiträgen angesprochen) einen großen psychologischen Vorteil an die Hand gebe.

    Zu beachten ist auch, dass ich zu dem Zeitpunkt, an dem ich in die Lazy Guard gehe (also vermutlich zu Anfang des Kampfes), keinerlei Kapital aus der Kontrolle an sich schlagen kann. (so es sie denn überhaupt geben würde) Weder habe ich Punkte erzielt, die ich über die Zeit bringen könnte noch bin ich so erschöpft, dass ich eine Pause benötigen würde. Wenn wir also in diesem Zusammenhang über Kontrolle reden, dann kann diese nur zwei Aufgaben erfüllen:

    - verhindern, dass mein Gegner aus meiner Guard ausbricht und mich in eine dominante Position bringt (was für sich genommen aber erst einmal keinen Vorteil darstellt, sondern lediglich die Grundvoraussetzung ist, damit das Guard Game überhaupt funktionieren kann)

    - Festigkeit herstellen (das heißt: dem Gegner den Raum zur Entfaltung nehmen) und damit die Rolle der oben erwähnten Brücke annehmen, die dann direkt zu einem Submission oder zu einer Verbesserung der eigenen Position führt.

    Die Guard ist die Brücke, die Ziele sind sind die Verbesserung der eigenen Position (um Punkte zu erzielen und gleichzeitig die Wahrscheinlichkeit auf einen erfolgreichen Submission zu erhöhen) oder der direkte Submission. Die Rolle als Brücke kann die Guard aber nur dann übernehmen, wenn ich voll und ganz bei der Sache bin und weiß, was ich will. Wahlloses Rumfummeln am Gegner hat keinen Effekt. (außer, dass ich unnötig Kraft verschwende)

    Korrigiert mich bitte, wenn sich hier irgendwo ein grober Denkfehler eingeschlichen haben sollte.

    Lieben Gruß!

  15. #15
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    Standard

    Zitat Zitat von Dean12 Beitrag anzeigen
    Ich würde eher sagen, man sollte mit "so viel Energie wie nötig" kämpfen, nicht mit "so viel Energie wie möglich".
    Ja, das meinte ich eigentlich.
    Gesendet mittels Unterhaltungselektronik ohne Tapatalk.

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