Palisander (broschiert/24. November 2014)
ISBN 978-3-938305-59-1
Übersetzer: Frank Elstner
164 Seiten
€ 18,90

Wenn Nichtjapaner an japanische Schwertkampfkunst denken, dann denken sie in der Regel an Kendō. Tatsächlich sind die klassischen japanischen Filme um heldenhafte Schwertkämpfer, wie etwa Akira Kurosawas „Sanjuro“ oder „Die sieben Samurai“ Vorbilder für Wild-West-Geschichten wie „Die glorreichen Sieben“ gewesen, in denen das schnelle Ziehen und Auslösen einer Waffe mit tödlicher Akkuratesse einen wichtigen Bestandteil der Unterhaltung gebildet haben – dass man mit den betreffenden Waffen auf mehr als zehn Meter meist nur dann sicher treffen konnte, wenn man sie gezielt warf ist dabei eher unerheblich.

Das schnelle Ziehen und tödliche Zuschlagen mit einem Schwert entwickelte sich im japanischen Feudalismus zur Zeit der Einschränkungen der Kampfmöglichkeiten der Samurai, in der das Duell verboten wurde und die Auseinandersetzungen dadurch andere Formen annehmen mussten. Dabei wurden die Lehre und die Überprüfung des Gelernten aus verschiedenen Gründen, die der Autor anschaulich darstellt, hochgradig stilisiert und ritualisiert, so dass ein großer Teil der Lebenszeit auf das Erlernen dieser Techniken und ihrer rituellen Peripherie verwendet werden musste.

Das Iaídô ist sicherlich in der ein oder anderen Form immer schon Bestandteil des Schwertkämpfens gewesen, weil ein Kämpfer sein Schwert eben nicht 24/7 kampfbereit in der Hand mit sich herumtragen kann – zumindest nicht ohne große Einschränkungen seiner Lebensführung.

Nach einer ausgiebigen Darstellung der Geschichte und der verschiedenen Entwicklungslinien des Iaídô bis zu seiner Ausbreitung außerhalb Japans, geht Habersetzer zunächst auf den geistigen Hin-tergrund der modernen Formen en, bevor er dann die Stellung (tai), die Techniken (gi) und die innere Haltung (shin) beim Iaídô im Zusammenhang mit einer grundlegenden Kihon vieler Schulen vorstellt.

Darauf folgt ein großer Abschnitt über die zwölf Grundformen der vereinheitlichten Kata nach einer Einführung in Dōjō- und Begrüßungsetikette. Diese Texte sind mit überaus anschaulichen Zeichnungen versehen, die zumindest dem bereits seit einiger Zeit mit einem Schwert Praktizierenden sehr gute Möglichkeiten geben, die Bewegungen und die innere Haltung der Kata nachzuvollziehen. Hierbei wird auch auf scheinbare Kleinigkeiten eingegangen, die aber in der Anwendung und besonders in ihrer Wirkung auf den Übenden eine große Wirkung zeigen können, wie etwa das shimeru.

Im Anhang finden sich dann Aussagen zur Ausrüstung – auch unter der Berücksichtigung moderner Angebote bei den Waffen -, zu Schnitttests (Tameshi-giri) und eine Zeichnungsfolge zur Kata des Iaídô des Tenshin Shōden Katori Shintō-ryū, die einige sehr interessante Varianten zur vereinheitlichten Kata zeigt – wie zum Beispiel ein paar Sprünge. Das Buch endet mit einigen Aussprüchen von Schwertmeistern und einer Auflistung der bekanntesten Kendō- und Iaídô-Verbände.

Der historische Vorlauf hätte vielleicht ein wenig knapper ausfallen dürfen, aber das mag auch der Eindruck eines Lesers sein, der sich bereits länger mit der Materie des asiatischen Schwertkampfs beschäftigt. Die lehrenden Teile dieses Buchs sind allerdings sehr gut und anschaulich aufgebaut und gefüllt, so dass es zumindest für bereits mit einem Schwert vertraute Praktizierende eine gute Lern- und Übungsgrundlage bieten dürfte. In dem Zusammenhang hätte man eventuell die Aussagen zum Schwert- bzw. Bokken-Kauf vor die Übungsdarstellungen stellen sollen, damit jemand, der gerade erst anfängt sich mit Schwertern zu beschäftigen wahrhaft „einschneidende“ Erfahrungen in seinen Geldbeutel und in den eigenen Körper vermeiden kann. Doch davon abgesehen ein sehr anschauliches – und für seine Kürze thematisch erstaunlich breit angelegtes Lehrwerk, dass mir bestimmt einige erweiternde Trainingsmomente erlauben wird.


K.-G. Beck-Ewerhardy