Seit 2011 unterrichte ich ja in Bonn eine hobbymäßige SV und Nahkampfklasse. Wir trainieren in einem Dojo, das hauptsächlich für Aikido genutzt wird. Der Besitzer und ich sind über die Jahre gute Freunde geworden und wir treffen uns eigentlich regelmäßig auf n paar Bier und quatschen über so allerhand. Irgendwann ist das Thema Selbstverteidigung und Kämpfen natürlich mal auf den Tisch gekommen, interessanterweise von ihm aus. René ist Aikidolehrer mit dem 4. Dan im BdAL und trainiert Aikido aus ganz anderen Gründen als Selbstverteidigung. Trotzdem fragt sich einer mit knapp 20 Jahren Training aufm Buckel natürlich, ob ihm sein Training in dem Bereich zugute kommt. Und so kam der Stein ins Rollen...

Nach ewig vielen Gesprächen fiel uns auf, dass wir in einigen entscheidenden Themen auf einem Nenner sind - obwohl unsere Trainings rein äußerlich überhaupt gar nichts gemeinsam haben. Technisch/taktisch könnten Gewalt und Aikido auf den ersten Blick kaum unterschiedlicher sein. Aber ein Level tiefer, eher auf der philosophischen und idealistischen Ebene, haben René und ich immer wieder Ähnlichkeiten festgestellt. Deswegen haben wir auf dieser Ebene weiter nach Schnittstellen gesucht und uns Hausaufgaben dazu gegeben. Namentlich sollte es darum gehen, die Perspektive des Aikidotrainierenden dahingehend zu verändern, dass er in Bezug auf die Handhabung von Gewalt etwas dazulernen kann - und zwar durch Aikidotraining.

Das hat jetzt einige Zeit gedauert, aber gestern war endlich der erste Probeschuss: Wir haben zwei Aikidoklassen, eine Anfängergruppe und eine für Fortgeschrittene, zusammengelegt und 2,5 Stunden mit ihnen herumexperimentiert. Von 15 bis Ü60, inklusive beider Geschlechter und in Bezug auf Trainingserfahrung total gemischt, war das ein ganz guter Testhaufen. Lief natürlich recht bröckelig, aber wir kamen zu einer befriedigenden WIN-WIN Erfahrung. Mein Freund und ich konnten eine Menge für unser Projekt dazulernen und die Teilnehmer haben nach eigenen Angaben auf der einen Seite ne Menge Spaß gehabt, auf der anderen auch was dazugelernt ohne dass irgendwelche Aikido-Glaubenssätze gebrochen werden mussten.

Wir arbeiten weiter an diesem Projekt und wenn das jemanden interessiert, schreib ich gerne noch mehr dazu oder erzähle mal, wie wir das inhaltlich so angegangen sind. Falls es keine Sau interessiert, würd ich mich einfach noch kurz für die Offenheit der Aikidoka in Bonn bedanken und ne kleine Lanze für sie brechen: Es ist enorm angenehm gewesen, mit Leuten zusammenzuarbeiten, die grundsätzlich nicht jede Flamme Neues sofort ersticken wollen oder glauben, die Weisheit mit Löffeln gefressen zu haben. Toller Freitagabend und echt was dazugelernt.