Es existiert bislang kein umfassendes Modell der Wirkungsmechanismen,
das den Placeboeffekt hinreichend erklärt. Derzeit
werden im Wesentlichen zwei – sich keineswegs ausschließende
– Erklärungsansätze diskutiert: der assoziative (lerntheoretische)
und der mentalistische (kognitivistische). Beide Ansätze decken
sich mit den derzeit akzeptierten Definitionen des Placeboeffekts
als Bedeutungseffekt:
1. Gemäß dem assoziativen Ansatz sind Placeboeffekte das Resultat
einer meist unbewussten Lernerfahrung. Diese Lernerfahrung
besteht in der Konditionierung auf eine bestimmte
psychische oder physische Reaktion, die mit der Gabe eines
Placebos assoziiert ist. Placeboeffekte sind demnach operant
oder klassisch konditioniert. Vor allem die klassische Kon -
ditionierung dient für zahlreiche Placeboeffekte (z. B. bei
Schmerz, Depression, Parkinson, Immunsystem) als valides
und zuverlässiges Erklärungsmodell. Wenngleich der durch
Lernen bedingte Placeboeffekt unbewusst (d. h. ohne Wissen
des Patienten) zustande kommt, ist er doch an die Wahrnehmung
bzw. Interpretation durch den Patienten gebunden.
2. Nach dem mentalistischen Ansatz ist der Placeboeffekt ein
Erwartungseffekt. Allgemein geht man dabei von einem positiven
linearen Zusammenhang der Höhe der Erwartung
und des Effekts aus. Erwartungen an die Wirkung einer Intervention
haben bisweilen keinen prädiktiven Wert für das
Auftreten des Effekts, was sich in entsprechenden Nullkorrelationen
zeigt. Es müssen daher auch andere Kognitionen
als Verursachungsgrößen in Betracht gezogen werden. Eine
solche Größe scheint die Befindlichkeit des Patienten zu
sein. Der Grund dafür ist, dass die Befindlichkeit einen viel
unmittelbareren Einfluss auf die Wahrnehmung des Kontexts
ausübt als z. B. eine Erwartung.
Trotz intensiver Forschungsbemühungen und bedeutender
Fortschritte sind die Mechanismen des Placeboeffekts nur teilweise
geklärt. Weitere Grundlagenforschung ist daher dringend
erforderlich.