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Thema: Anatomie?

  1. #1
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    Standard Anatomie?

    Da ich mich in den HEMA Kreisen nicht auskenne habe ich mal eine Frage bzgl. der Quellenlage zur Anwendung von anatomischen Kenntnissen.

    In den CMA ist es ja so dass es dort ein sehr gutes anatomisches Wissen gegeben hat, jedenfalls lassen die Dinge, die ich lerne, über die Führung der Klinge im menschlichen Körper, diese Schlüsse mehr als zu.
    Es wird genau gelehrt wo man sticht, welche Leitstruktur man sucht und wie man dann ggf. den Schnittwinkel ändert. Da ich ja über gute anatomische Kenntnisse verfüge kann ich sagen dass damit in der Regel ein sofortiger Eintritt des Todes, bzw. eine sofortige Bewußtlosigkeit, bewirkt wurde. Euch bestimmte Drehungen des Körpers, bzw. des Kopfes nach einer Aktion zeigen dass die Leute sehr genau wußten was "auf sie zukommt" wenn die Aktion so geklappt hat wie beabsichtigt....

    Gibt es in den historischen Fechtquellen Stellen die auf eben dieses anatomische Wissen eingehen? Wird so etwas in den HEMA überhaupt geübt und wenn ja wie?
    Unsere kleine Truppe hier nehme ich ja ab und an mit und demonstriere bestimmte anatomische Dinge im Ultraschall, aber so etwas wird ja wohl kaum überall möglich sein. Habt ihr für so etwas "Theorieunterricht", oder wird es nicht gelehrt?

    Grüße

    Kanken

  2. #2
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    Zitat Zitat von kanken Beitrag anzeigen
    Gibt es in den historischen Fechtquellen Stellen die auf eben dieses anatomische Wissen eingehen?
    Ja und zwar massenhaft. Der Begriff "Historical European Martial Arts" bezeichnet nach allgemeinem Verständnis rekonstruierte Kampfkünst bis zum 1. Weltkrieg.
    Hast du zum Besipiel schonmal von der Deutschen Turnerbewegung im 19. Jhd gehört? Da wurden z.B. anatomische Bezeichnungen der Handwendungen eingeführt (Ell, Rist, Speich, Kamm).
    Es gibt außerdem in einem Fechtbuch zum Stoßfechten, das ich zuhause stehen habe (FAWL Roux, denke ich...) den Hinweis, dass man einen Gegner freundlich auf eine mangelnde deckung hinweist, indem man ihm durch den Unterarm stößt statt durch die Lunge

    Das beste Beispiel aber ist denke ich die "Rapier-Zeit" (ca. 16.-17. Jahrhundert), in der man geradezu Anatomie-besessen war. Praktisch alle Darstellungen von nackten Fechtern wurden gezeichnet, um die wichtigen Muskelgruppen besser darzustellen und im die Anatomiefans zu bedienen.
    Beispiel (achte auf die Armmuskeln des stoßenden Fechters):

    ("passata sotto" bei Capoferro)
    Geändert von Jadetiger (28-12-2015 um 11:29 Uhr)
    "Natürlich bewegen kannst du dich, wenn es egal ist." - ein Fechtlehrer
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  3. #3
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    Danke, genau so etwas meinte ich.
    Wird auch erklärt was man da verletzt, bzw. warum man genau da zusticht?

    Lunge ist ja ein wenig "grob". Obere/untere Thoraxhälfte, Rechts oder Links vom Brustbein, bzw. der Winkel in dem gestochen wird sind ja bzgl. der erzielten Wirkung mit der Drehung schon ein himmelweiter Unterschied, was sofortige Wirkung, und damit Handlungsunfähigkeit, angeht. Man will ja die gegnerische Klinge nicht noch abbekommen wenn man ihn schon "am Haken" hat.

    Gibt es solche Erklärung in den HEMA auch bzgl. der Anwendung von ringerischen Elementen mit der Klinge (z.B. wie man damit die Bauchschlagader durchtrennt beim Hüftwurf?).

    Grüße

    Kanken
    Geändert von kanken (28-12-2015 um 11:41 Uhr)

  4. #4
    itto_ryu Gast

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    Anatomie, Geometrie, Philosophie usw. spielten in den historischen europäischen Kampfkünsten eine Rolle, je nach Zeitgeist und Verwendungsgebiet mehr oder etwas weniger. Ich denke mal insbesondere im Rapierfechten wird man da fündig.

  5. #5
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    Ein Rapier ist doch aber eine Stichwaffe, oder? Da ist es jetzt nicht sooo extrem spannend wie sich dann weiterbewegt wird, da ist höchstens der Winkel und der Ort des Treffers interessant.

    Gibt es Anweisung bei Klingen mit denen geschnitten wird? Gerade was Leitstrukturen angeht und wie der Winkel geändert wird wenn sie erreicht?

    @Jadetiger, Itto-ryu
    Übt ihr so etwas in Eurem Training?

  6. #6
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    Ja, ich denke auch, dass man sowas sehr gut in Rapierquellen finden kann. Leider kenne ich persönlich mich mit dem Rapier nicht aus. Mein Interesse beginnt erst im 18. Jahrhundert.

    Ein gutes Beispiel dürften aber auch die Anweisungen zum Einsatz von Säbel und Lanze für Kavallerie sein. Hier kommt es NACH dem Treffer darauf an, Hand und Arm im richtigen Moment korrekt zu bewegen, sonst bricht einem die im Körper des Feindes steckende Waffe das Handgelenk. Das Pferd hält ja schließlich nicht an.

    Angaben zur Klingenführung im Körper des Feindes im Zusammenhang mit Ringen finde ich irgendwie seltsam. Warum sollte ich Ringen, wenn meine Klinge schon im Feind steckt? Ringen kommt im Fechten eher im Zusammenhang mit dem Unterlaufen der Waffe vor, also wenn der Gegner zu nah ist bzw. die Waffe zu lang, um noch was Ordentliches damit zu machen.
    Geändert von Jadetiger (29-12-2015 um 11:02 Uhr)
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  7. #7
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    Interessante Diskussion. gibt es solche anotomischen Hinweise auch bei den älteren Quellen die sich z.B mit dem Langen Schwert beschäftigen ebenfalls solche Hinweise liefern?

    ich als Langschwert Mensch habe mich nämlich schon immer gefragt ob sich in den alten Quellen auch mit diesen Punkten in den alten Quellen beschäftigt hat..

  8. #8
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    Man kann ja auch mit einer Waffe in der Hand Ringen
    Zumindest im Karate und in den CMA, die ich unabhängig voneinander beigebracht bekommen habe, wird dies so gemacht, wobei Karate natürlich sehr starke chinesische Wurzeln hat.

    Jeder Wurf ist ein Schlag und jeder Schlag ein Stich hieß es z.B. bei uns im Karate. Greifen tue ich nur wenn ich die Waffe verloren habe, die Bewegung kann ich aber auch immer mit Waffe machen. Dazu gibt es ja z.B. explizite Anweisungen wie man sich zu bewegen hat damit man bestimmte Dinge verletzt.

  9. #9
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    Sorry, gerade erst gesehen:
    Zitat Zitat von kanken Beitrag anzeigen
    Ein Rapier ist doch aber eine Stichwaffe, oder?
    Jain. Das kommt sehr auf die Quelle an. Meyer-Rapier hiebt und stößt praktisch gleichberechtigt. Generell kann man sagen dass das Rapier nach und nach immer stichlastiger wurde, es aber nicht von Anfang an war.

    Zitat Zitat von kanken Beitrag anzeigen
    @Jadetiger, Itto-ryu
    Übt ihr so etwas in Eurem Training?
    Wieder Jain. Weil:
    1) Im deutschen Degen/Säbel/Pallasch trainiere ich im Moment hauptsächlich Duellfechten. Da kommt es primär darauf an, dass man den Gegner zuerst trifft, ohne mitgetroffen zu werden. Nicht so sehr darauf was man danach macht.

    2) Im italienischen Messer unterrrichte ich das schon, z.B. schneidet man in der Hippe, bewusst an antomisch wichtigen Stellen (Muskelansätze, Arterien, usw.). Auch in meiner Hauptmethode "coltello settentrionale" versucht man z.B. erreichbare Adern diagonal zu schneiden, um einen Selbstverschluss der Wunde zu erschweren.
    Geändert von Jadetiger (28-12-2015 um 12:18 Uhr)
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  10. #10
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    "passata sotto" bei Capoferro
    sieht mehr nach Alfieri aus, für Capoferro haben die ja viel zu viel an

    Detailierte Beschreibungen (besonders frühere) abseits des Oben gesagten fallen mir aber auch nicht ein.

  11. #11
    itto_ryu Gast

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    Zitat Zitat von kanken Beitrag anzeigen
    @Jadetiger, Itto-ryu
    Übt ihr so etwas in Eurem Training?
    Nicht wirklich, denn das militärische Hiebfechten mit Broadsword und Säbel, welches wir trainieren, ist simpel strukturiert und beschäftigt sich mit solchen Dingen nicht.

  12. #12
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    Zitat Zitat von itto_ryu Beitrag anzeigen
    Nicht wirklich, denn das militärische Hiebfechten mit Broadsword und Säbel, welches wir trainieren, ist simpel strukturiert und beschäftigt sich mit solchen Dingen nicht.
    Interessant wäre ja die Frage ob es Überlieferungen gibt die sich mehr mit solchen Dingen beschäftigen als wiederum andere Überlieferungen?

    Scheint Fragmente von Anweisungen zum Schwertgebrauch der Römer zu geben, wo Anweisungen existieren die Innenseite vom Knie anzugreifen um eine Sehne oder etwas so ähnliches zu durchtrennen, was man durchaus als anatomisches Wissen bezeichnen könnte.

    Wie flächendenkend dieses Wissen in den europäischen KK aber verrbeitet war, verglichen mit den manchen chinesischen KK und auch den japanischen Koryu, (in der Katori Shinto Ryu scheint dieses Wissen an die Schüler weitergeben worden zu sein, wenn man einem Video über die Shinto Ryu glauben schenken darf) kann man heute wohl nicht mehr sagen.

    Nur weil man es vielleicht nicht niedergeschrieben hat, heißt das noch lange nicht das man über solche Dinge nicht bescheid wusste..

  13. #13
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    Die Frage ist auch, wie sehr man solches anatomisches Wissen braucht.

    Wenn ich z.B. jemanden zeige, wie man sich bewegt, um den Gegner mit einer schweren Axt zu erschlagen, sind anatomische Kenntnisse die über "Schlag ihm auf Kopf oder Hals" nicht so übermäßig interessant.

    Wenn ich jemandem etwas schnell beibringen will, wie in den von itto_ryu erwähnten Soldatensystemen, ist sowas auch zweitrangig.

    Dementsprechend gibt es halt in solchen Traditionen auch weniger weitergegebenes Wissen zu diesem Thema.
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  14. #14
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    Nun ja, es gibt sehr viel "einfaches" anatomisches Wissen was schon einen himmelweiten Unterschied machen kann.
    Z.b. bei deinem Hals-Axt Beispiel wie man sich wegzudrehen hat damit man von dem Blut nicht getroffen wird. Blut im Auge stört die Sicht und Blut an den Händen ist ziemlich rutschig (da es sofort gerinnt).

    Auch die "Man-Stop-Wirkung" kann ganz gewaltig unterschiedlich sein wenn man links und rechts vertauscht, oder eben die Klinge nicht dreht etc. So etwas sollte man dann schon wissen.
    Bei bestimmten Würfen muss man die Klinge hinter Knochen "verhaken" damit man Kraft in den Körper bringen kann (Ersatz für greifen). Durch den Wurf selber dann bewirkt die Klinge üble innere Verletzungen.

    All diese Dinge sind eigentlich sehr simpel und auch sehr schnell beigebracht, gerade in "Soldatensystemen". Ich weiß das solche Dinge in einigen CMA überliefert sind (und auch zumindest in meinem Karate). Ich bin mir ziemlich sicher das die Leute in Europa so etwas auch wußten und bedacht haben, zumindest wenn sie die Kämpfe überlebt haben.

    Grüße

    Kanken
    Geändert von kanken (29-12-2015 um 13:36 Uhr)

  15. #15
    itto_ryu Gast

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    Wie gesagt, die Anleitungen zum Waffengebrauch der Epoche mit der ich arbeite, lassen sich darüber nicht weiter aus. Einfache Dinge wie "stoß das Bajonett in den weichen Bauch, damit es sich nicht in den Rippen verfängt etc., dreh die Klinge nach dem Stich zum Herausziehen usw.", okay solches simples Wissen hatten die Ausbilder und Soldaten durchaus, insbesondere da viele der einfachen Soldaten oder Seeleute des 18. und frühen 19. Jhds. eben mit dem Kämpfen aufgewachsen sind. Einem Matrosen der Royal Navy drückte man ein Entermesser in die Hand und der wusste recht gut, was er damit anfangen sollte, auch schon bevor es offizielle Cutlass-Drills gab. Solche simplen Dinge wussten die Leute damals schon, da hast du natürlich recht.

    In der Cateran Society werden ja auch die etwas älteren "Clanmethoden" des Fechtens bearbeitet. Hier hat zum Gebrauch des Highland Dirks unser Trainer Chris Thompson die sog. 12 Doors Exercise ausfegbaut. Diese hängen mit den traditionellen "Toren" zur Heilung in der gälischen Tradition zusammen, die umgekehrt eben auch zum möglichst schnellen Umbringen helfen.

    Hier eine Umsetzung aus dem Training als Drill:


    Was definitiv für Diskussionen gesorgt haben muss, war wohl die Frage, was tödlicher ergo effektiver sei, der Hieb oder der Stich. Hier ein interessanter Artikel dazu bzgl- des Kavalleriewesens der napolenischen Kriege:
    http://hroarr.com/napoleonic-flame-war-cut-vs-thrust/
    Geändert von itto_ryu (29-12-2015 um 15:16 Uhr)

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