Hallo,
Karate-Einheitsbrei wurde und wird zubereitet von den mitgliedsstarken, auf Monopolstellung bedachten Fachverbänden für Sport-Karate. Deren Einheitsbrei geht auf den Wunsch, nachvollziehbare Wettkämpfe abhalten zu können, zurück. Aber auch einheitliche Richtlinien für Prüfungsprogramme sowie die Mitgliederzahl selbst fördern den Einheitsbrei. Denn einerseits sorgt die große Mitgliederzahl für die Verbreitung des Einheitsbreis, andererseits produziert sie ihn, weil ein einheitlicher Nenner gefunden werden muss. Natürlich lässt sich Einheitsbrei auch leichter „kontrollieren“.
Ich schrieb schon früher, dass mir Beispiele von eigentlich recht individuellen älteren Übertragungslinien (z. B. aus dem Shōtōkan-Ryū) bekannt sind, in denen die technische und ideologische Individualität bewusst zugunsten des Einheitsbreis aufgegeben worden ist, um den Mitgliedern dieser Übertragungslinien innerhalb der JKF höhere Dan, Posten und/oder Wettkampferfolge möglich zu machen.
In der Propaganda des größten Fachverbands für Sport-Karate in Deutschland werden dann auch nicht zugehörige Karate-Gruppen als „nicht ernstzunehmend“ dargestellt, was dazu führt, dass nur der eigene Einheitsbrei wahr- und ernstgenommen werden soll und tatsächlich auch wird.
Karate-Einheitsbrei wurde in den letzten Jahren zudem mittels Youtube gefördert, wo etliche Leute ihre Karate-Filmchen präsentier(t)en. Durch den Austausch über heute leicht zugängliche Internet-Kanäle werden dabei bestimmte Vorstellungen als praktikabler (MMA-„Bunkai“ etc.) wahrgenommen als andere. Diese modernen Systeme werden über herkömmliches Karate gestülpt, online gestellt, für gut befunden, nachgeahmt und wiederum online gestellt usw. usf.
Ich bin ein Anhänger von Vielfalt in der Welt des herkömmlichen Karate, die historisch betrachtet Karate vom Ende des 19. Jahrhunderts, Anfang des 20. Jahrhunderts bis in die 1950er und 1960er Jahre kennzeichnete. Vielfalt bedeutet dabei für mich nicht, dass jede einzelne Ausformung automatisch über höchste technische Finesse verfügt. Aber ich weiß, dass ein individueller Ansatz hohe technische Finesse überhaupt erst ermöglicht. Diese Vielfalt wurde und wird durch den Einheitsbrei schrittweise verdrängt …
Grüße,
Henning Wittwer
PS: das schrieb ich als allgemeine Stellungnahme zu den Nachfragen, warum ich „außerhalb des Videothemas“ hin und wieder einzelne Themen mit Videoclips nicht so verbreiteter/bekannter herkömmlicher Karate-Richtungen eröffnete.