An diesem nun ausklingenden Wochenende war ich nach langer Zeit mal wieder auf einem Seminar von Tobias Brodala (Brodala-Gruppe). Nun habe ich ja schon diverse seiner Veranstaltungsformate erleben dürfen, wie bspw. das Seminar 127, ein Recap, das fürs TF entworfene "2 Sekunden" und auch das nicht-Seminar Fokustraining Messerkonfrontationen, aber ausgerechnet das, was Tobias selbst als sein "bestes Seminar" bezeichnet, kannte ich bis dato noch nicht: Praktische Gewalthandhabung.

Ich bin mit Forenkollege Daniel G. angereist, Veranstaltungsort war das G2A-Gym in Hürth bei Köln. Ein geiles Gym, nur so nebenbei bemerkt.
Das Seminar leitete Tobias gegen 14:00 ein mit einem etwa einstündigen Briefing inklusive kurzer Vorstellungsrunde der etwa 20 Teilnehmer. Spannend fand auch Tobias selbst, wie heterogen die Gruppe tatsächlich war, selbst von Teilnehmerinnen und Teilnehmern abgesehen, die von ihren Ehepartnern zur Teilnahme genötigt worden waren Sowohl Justizvollzugsbeamte als auch Philosophie-Studenten, Krav Maga sowie Judo - eine große Bandbreite galt es da abzudecken.
Das Briefing selbst leitete anschaulich auch mittels Videos (primär CCTV-Footage) insbesondere SPEAR/PDR-Grundlagen ein wie die Startle-Flinch-Response, C-C-C (Clear Control Counter), die drei "stances" (Primal, Protective, Tactical).

Der praktische Teil fand dann bei bestem Wetter draußen auf dem Parkplatz statt. Hier konnten wir uns zunächst mit physiologischen Grundlagen wie dem Outside-90-Prinzip, sozusagen der Basis des "SPEAR" beschäftigen, inklusive erster Drills. Hier waren mir jedenfalls viele Dinge schon bekannt. Zugegeben: Eigentlich macht man es ja anders: zuerst PGH, dann Recap - da bin ich also selbst Schuld
Die Drills beinhalteten unter anderem Konter gegen Schwinger, Tackle, Duckunder etc., wobei stets im Hinterkopf behalten werden musste, dass es sich nicht um Kontertechniken im eigentlichen Sinne handelte, sondern dass es darum ging, die vorher theoretisch besprochenen Aspekte von Startle-Flinch, C-C-C und die stances praktisch zu erfahren.

Überraschend wie dabei die Zeit vergeht - jedenfalls beendete Tobias um 18:00 die erste Einheit und ein Großteil der Gruppe ließ den Tag gemütlich in einer nahegelegenen Pizzeria ausklingen.

Die zweite Einheit heute morgen ab 10:00 begann ebenfalls mit einem etwa einstündigen Briefing. Aufbauend auf den Inhalten von gestern zeigte Tobias bspw. den mir bereits von "Nur 2 Sekunden: Zerebrale Selbstverteidigung" bekannten Cycle of Behaviour und den (darin enthaltenen) Fear Loop. Dazu kamen Konzepte wie CWCT (Closest Weapon, Closest Target), 3I (Instinkt, Intuition, Intelligenz) etc.

Umsetzen durften wir das Gehörte dann wieder in Drills, wobei es heute deutlich mehr zur Sache ging als gestern. Von zunächst wenig invasiven SPEAR-Drills erweiterten wir das Repertoire sozusagen auf deutlich atheltischere und viel mehr auf aggressive Interaktion ausgelegte Drills. Das fing bei leichten Slaps an und endete mehr oder weniger bei richtigen Szenario-Auskopplungen, wo wir dann schließlich auch Handschuhe und Mundschutz zum Einsatz bringen durften (!), was auch die meisten getan haben.

So kam letztlich das ganze Seminar über jeder auf seine Kosten. Mir hat es - obwohl oder vielleicht gerade weil mir bereits einiges von vergangenen Veranstaltungen bekannt war - unheimlichen Spaß gemacht. Es war auch mein erstes zweitägiges Seminar bei Tobias, was dem ganzen nochmal eine ganz andere Dimension gibt. Man lernt immer neue Leute kennen und trifft alte Hasen wieder. Gerade Tobias selbst ist ein feiner Kerl mit einem scharfen Sinn für das Wesentliche und einem guten Gespür für die Fragen und Wünsche der Teilnehmer. Insgesamt prägt besonders eine No-Nonsense-Haltung seine Veranstaltungen.
Wie bereits zu früheren Gelegenheiten erwähnt, gefällt mir insbesondere der Ansatz, dass hier nicht versucht wird, ein neues fancy System über ein anderes zu stülpen oder es sogar zu verdrängen, sondern jedenfalls mir mit meinem Grappling-orientierten Background stellt sich SPEAR/PDR immer als ein gut passender zusätzlicher Baustein dar. Dass gerade Krav-Maga-Schulen zu den häufigsten Ausrichtern von Brodala-Seminaren gehören, stößt da ja wohl ins gleiche Horn. Wer an der Thematik interessiert ist - egal ob vorbelastet oder nicht - kann hier bei entsprechendem persönlichen Input viel Neues lernen. Und wenn nicht, dann steht jedenfalls eine erfrischende neue Perspektive in Aussicht.