Ja. So ist es gemeint.
Es geht um die Art und Weise, wie man sich in das System des Angreifers "einlogged". Um es dann manipulieren zu können.
Interessant ist, daß Ellis in der zweiten Auflage dieses Ereignis anders einordnet, als in der ersten. Seine Sicht darauf hat sich verändert im Laufe der Jahre und er spricht in der zweiten Auflage von einer Schuld, die er nicht auslöschen kann, sondern mit der er bis zu seinem Tode leben müsse. Er habe durch diesen Kontrollverlust gelernt, sich selber niemals aus den Augen zu lassen ...
Was nichts daran ändert, daß sein Verhalten einem Weiterüben in der Schule angemessen war. Während das Verhalten seines Freundes, der sich seiner Erschöpfung und seiner Angst geschlagen gegeben hatte, ihn genötigt hat, die Schule zu verlassen.
Ich glaube, dieses Erlebnis illustriert das, worum es in diesem thread geht, und was in einem budô u.a. zu lernen ist:
Ethisch betrachtet lädt man Schuld auf sich, wenn man die Kontrolle über sich selbst so vollständig verliert, daß der Lehrer einen davon abhalten muß während des keiko einen guten Freund schwer zu verletzen.
Aus der Sicht des budô hat Ellis aber gerade das verkörpert, was gelernt werden soll. Wohingegen sein Partner, der aus Schwäche "überreagiert" hat - und ja seinerseits die Kontrolle verloren hat und genauso zurückgehalten werden mußte, um Ellis nicht schwer zu verletzen - das Soll der Schule eben gerade nicht erfüllt hat.
@ aiki50+:
Aus meiner Sicht gibt es keine Möglichkeit, aikidô zu üben, ohne diesem Dilemma zu entgehen. Selbst wenn es einem denn gelänge, gedanklich alle aggressiven Anteile nur bei uke zu versammeln - auch diese Rolle muß man ja angemessen ausfüllen. Die heißt dann ggf. nicht "aikidôka", sondern "Angreifer". Aber auch die muß ich seriös erfüllen. Ich beschäftige mich eben dann als "Angreifer" mit Hauen und Stechen ... das bin immer noch ich, der dann eben in dieser Rolle Gewalt ausübt und - um es gut zu machen - ein entsprechendes mindset entwickeln muß.
Aber auch die Techniken selber haben ja alle ein heftiges Potential, andere Menschen zu schädigen. Die atemi sind nur das, was man auf den ersten Blick sieht. Ellenbogen kaputt machen. Oder die Halswirbelsäule. Oder ein Handgelenk, die Schulter ... und was man da alles übt ... ist doch auch nicht viel netter ....
Um mit diesem Dilemma umgehen zu lernen, ist ein dôjô genau der richtige Ort:
Es wird faktisch niemand verletzt. Im Gegenteil: Wir üben so, daß unsere Partner gesund bleiben.
Es gibt einen Lehrer und die sempai, die dieses Thema selber hinter sich haben und den Schülern in ihrer Entwicklung helfen können.
Es gibt rei, dôjôkun, das weltanschauliche Gerüst der jeweiligen Schule ... (Ich habe im dôjô meines ersten Lehrers z.B. auch Heilkunde in ihren Anfängen gelernt. Shiatsu, Akkupressur, Massagen ... auch das hat mit dazu gehört.)
Man hat also eine Art Experimentierbaukasten, in dem man üben kann, mit diesem Thema umzugehen. Man kann im wahrsten Sinne des Wortes damit spielen.
Und man wird meiner Erfahrung nach ganz sicher nicht über Nacht zum ethikfreien Gewaltäter, wenn man sich auf dieses Spiel einläßt. Diese Dinge sitzen zu tief.
Aber man lernt unendlich viel über sicht selbst und über das Leben, wenn man sich darauf einläßt.
Ich habe eine Parallele gefunden in dem, was im Buddhismus manchmal mit Klarheit bezeichnet wird.
Ich habe noch nie bei Shirakawa sensei geübt. Aber ich habe den Eindruck, daß er auch mit nicht kooperativen Angreifer umgehen kann. Denn ich meine zu sehen, daß er nicht tanzt, sondern seine Partner sehr klar bewegt.
Was meinst du, wie das, was hier aufgrund des gekonnten ukemi so geschmeidig federleicht aussieht, auf jemanden einwirkt, der kein ukemi beherrscht?
Shirakawa liebt es ja, die Knie zu blockieren. Das ist ja auch im jiyu waza bei dan-Prüfungen ganz beliebt. Hast du mal erlebt, was passiert, wenn uke da nicht wegkommt?
Wie definierst du dieses zum Bewegungsablauf gehören?*) und in dem ich nebenbei bemerkt, auch keine Atemis sehe, außer denen, die zum Bewegungsablauf gehören.
Worin besteht für dich der Unterschied, ob ich irmi nage durch atemi zum Gesicht werfe oder "einfach so" atemi zum Gesicht mache? Warum ist atemi "zum Gesicht" anders als zum Kehlkopf oder zu den Augen?
An dieser Stelle habe ich das Gefühl, daß du dir selbst gegenüber nicht wirklich klar und ehrlich bist.
Nur um das klar zu stellen: Ich kenn Ellis nicht persönlich. Allerdings haben wir uns vor einiger Zeit über einen längeren Zeitraum sehr intensiv schriftlich ausgetauscht. Früher hätte man gesagt: Wir haben korrespondiert.
Inhalte waren dabei das Manuskript der Neuauflage von Duelling with O Sensei.
Wir haben uns über bestimmte Lehrer ausgetauscht. Und über den Bezug von aikidô und koryû.
Zudem hat einer der Lehrer, bei denen ich übe, mit ihm zusammengearbeitet bei der Entstehung von HIPS.