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Thema: Yiquan: Die zentrale Achse des Weges der Kampfkünste (Wang Xiangzhai) (Central Pivot)

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  1. #1
    gast Gast

    Standard Lehrverse

    Ich denke es ist klar, dass hier nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden sollte. Einmal, wegen der Übersetzung an sich, zum anderen weil sich das Yiquan nach 1940 auch stetig weiterentwickelt hat. Man muss immer im Hinterkopf behalten, dass kein Originaltext sondern nur Abschriften die unter Schülern gemacht wurden erhalten sind. Letztendlich weiss man nicht ob Wang, wenn er diesen Text heute lesen würde überhaupt alles gutheißen würde. Mit seinen eigenen Worten aus dem Vorwort:
    Das, worauf es bei dieser Kampfkunst nun ankommt, ist den Sinn der Sache zu begreifen; das Gefühl für eine Idee zu entwickeln und eine natürliche Form von Kraft zu entwickeln.
    Dennoch muss gesagt werden, dass dieser Text ursprünglich eigentlich nur privat für gleichgesinnte zum besseren Studium der Kampfkünste gedacht war und nicht als Text zur Veröffentlichung vorgesehen war.
    Doch da ich nun schon recht alt bin und von allen sehr darauf gedrängt werde, komme ich nicht darum etwas wie Spuren einer Wildgans im Schneematsch als Wegmarkierung zu hinterlassen.
    So ist es mir nicht möglich die Feinheiten dieser Kampfkunst im vollen Umfang hier zu erläutern, sondern es soll in erster Linie ein Grundgerüst darstellen.
    Es ist einfach zu komplex hier alles in voller Tiefe auszubreiten um das was mir auf dem Herzen liegt umfassend darzustellen.
    Es ist somit dem Leser überlassen sich aus den Ansätzen hier selbst einen Reim zu machen.
    Lehrverse

    Früher wurden oft Lehrverse als didaktische Methode verwendet um sein Wissen weiterzugeben. In diesem Sinne habe ich in etwas freierer Form die folgenden Lehrverse für Studierende gedichtet.

    Der Sinn der Kampfkunst ist von tiefster Subtilität
    und sollte nicht nur als kleiner Nebenpfad betrachtet werden.

    Im Anfang lag der Schwerpunkt auf dem militärischen,
    auch Handwerk und Wissenschaft sind daraus hervorgegangen.

    Heute ist es zum größten Teil verloren gegangen,
    und zu etwas total absurdem geworden.

    Diese Kampfkunst wird im Herzen getragen,
    es gibt nichts was nicht in ihr enthalten wäre.

    Meine innigste Absicht ist die Kampfkunst zu fördern,
    wieder zurück an ihren Ursprung zu gehen.

    Sein Wesen verstehen und logische Prinzipien erforschen,
    Kampfanwendung kommt an zweiter Stelle.

    Versteht! Die eigentliche Essenz der Kampfkunst,
    entspringt zu aller erst aus dem Stehen.

    Die Wahrnehmung verweilt im leeren Raum,
    mit seinem Körper lernt man durch experimentieren die Kraft kennen.

    Der ganze Körper ist aufgespannt in Wohlspannung,
    gebogen, gewunden, entstehend mit Flächen.

    Es ist so als ob man bis in die Wolken reicht,
    der Atem ist ruhig, fein und lang.

    Ganz gemütlich lässt man sich treiben und schaukeln,
    als ob man total von Sinnen wäre.

    Man löst sich von wirren Gedanken und äusseren Reize,
    sammelt den Geist und lauscht dem Nieselregen.

    Der ganze Körper ist wie voll von lebendiger Leere,
    nicht einmal der geringste Federflaum kann sich darauf absetzen.

    In der Form ist es wie Wasser,
    formlos wie die Atmosphäre.

    Der Geist ist weich und ungebrochen, wie im Rausch,
    ganz entspannt, als ob man im Wasser verweilt.

    In Stille schaut man in den Himmel,
    in lebendiger Leere muss man seine Wahrnehmung festigen.

    Der Körper ist wie ein großer Schmelzofen,
    alles wird darin geschmolzen, gewandelt und geläutert.

    Das geistige Sinnen wandelt sich von innen heraus,
    den Atem regulieren und der Stille lauschen.

    In Ruhe verweilen wie eine Jungfrau,
    und in Bewegung wie ein schlummernder Drache der sich plötzlich erhebt.

    Die Kraft ist entspannt, während die Wahrnehmung gespannt ist,
    alle Härchen am Körper stehen ab wie Speerspitzen.

    Muskeln und Sehnen sind kräftig und bereit zum entladen,
    am Auflagepunkt ist die Kraft wie Gewinderollen.

    Als Spirale ist die Kraft ohne Form,
    der ganze Körper ist wie eine Feder.

    Die Gelenke sind wie Rotationskörper,
    man muss die Kraft durch Wahrnehmung ergründen.

    Muskeln und Sehen sind wie eine aufgeschreckte Schlange,
    die Schritte wie ein Wirbelwind.

    Nach allen Seiten entstehen riesige Wellen,
    wie ein Wal, der beim Schwimmen alles in Bewegung bringt.

    Die Kraft über dem Scheitel ist wie lebendig und nicht zu fassen,
    der ganze Körper wie an einem Faden aufgehängt.

    Der Blick beider Augen ist gesammelt,
    man lauscht nach Innen und die Ohren sind für das Äussere geschlossen.

    Der Bauchraum ist stets rund,
    und der Brustraum leicht gewölbt.

    Die Fingerspitzen sind wie von Strom durchströmt,
    an Knochen und Gelenken entstehen scharfe Schneiden.

  2. #2
    Registrierungsdatum
    21.06.2010
    Beiträge
    739

    Standard

    Zitat Zitat von beniwitt Beitrag anzeigen
    Lehrverse
    ...
    Danke!

  3. #3
    Registrierungsdatum
    23.03.2004
    Ort
    Rhein-Main Gebiet
    Alter
    45
    Beiträge
    14.039

    Standard

    @beniwitt - ikken hissatsu ist das 'one hit, one kill' Prinzip. Wird in einigen Karaterichtungen propagiert und kommt vermeintlich aus dem Schwertkampf.

  4. #4
    gast Gast

    Standard


    Wäre interessant wo Etarak beim Lesen des Textes diese Assoziation kam.

  5. #5
    Registrierungsdatum
    24.11.2011
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    173

    Standard

    Zitat Zitat von beniwitt Beitrag anzeigen
    Hallo Etarak: wie ich gerade sehe habe ich die Lehrverse sogar nicht mal auf meiner Homepage veröffentlich. Obwohl ich sie noch übersetzt hatte. Sie sind immer eine recht harte Nuss und wenn ich jetzt nochmal drüberlese sind viele Stellen die definitiv einer Überarbeitung bedürfen. Vor allem die Lehrverse werden ohne Anmerkungen nicht auskommen. Ich werd sie aber einfach hier der Vollständigkeit halber nochmal veröffentlichen.
    Vielen Dank, ein weiteres Mal! Der gute Mann hatte eine gewisse Intelligenz, die ich sehr zu schätzen weiß. Ich werde dem nicht mehr möglichen Plausch mit ihm ein paar Tage hinterhertrauern. Dennoch wertvoll.

    Zitat Zitat von beniwitt Beitrag anzeigen
    Inhaltlich zerrissen?? Was diesen Text angeht soweit ich mich erinnern kann eigentlich nicht. Vielleicht erinnert sich ja jemand? Das müssen andere Diskussionen gewesen sein wo es wahrscheinlich auch irgendwie um Yiquan und ähnliches ging. Der Thread wo es mal ziemlich gefunkt hatte und die Ursache vieler Tastaturkleinkriege hier im chin. Unterforum geworden ist wird wohl der hier gewesen sein.
    Der verlinkte Strang hatte mit seinem Text, resp. der darin steckenden Einsicht, nicht wirklich etwas zu tun. Ganz im Gegenteil. Der war eher ein gutes Bespiel für seine Kritikpunkte.

    Zitat Zitat von beniwitt Beitrag anzeigen

    Wäre interessant wo Etarak beim Lesen des Textes diese Assoziation kam.
    Daher

    Zitat Zitat von beniwitt Beitrag anzeigen
    7. Über den Gebrauch von Kraft

    ...

    ...

    Unter dem Aspekt auf Leben und Tod zu kämpfen, ist ein Kampf ein Entscheidungskampf. In einem Entscheidungskampf gibt es keine moralischen Grundsätze mehr. Vor allem muss man sich an 6 wichtige Leitlinien halten: Entschlossenheit, Willigkeit, Kaltblütigkeit, Vorsichtigkeit, Standhaftigkeit und Präzision. Darüber hinaus muss man die Entschlossenheit haben mit dem Gegner zusammen zu sterben.
    Ist man nicht in der Lage einen Volltreffer zu landen, dann darf man auch nicht zuschlagen. Sobald man sich bewegt (schlägt), muss es zum Tode führen. Erst dann darf man zuschlagen. Wenn man diese Entschlossenheit besitzt, dann führt eigentlich jeder Kampf zum Sieg. Das betrifft den Kampf mit einem gleichwertigen und starken Gegner.
    Wenn die Fähigkeiten (des Gegners) jedoch schlechter sind, dann hat man keinen Schaden dabei nachzugeben.
    Wenn es sich um einen Besuch unter Gleichgesinnten handelt und es geht darum sich in seinen Fähigkeiten zu vergleichen, dann fällt das in den Bereich freundschaftlicher Vergleich. Beim freundschaftlichen Vergleich geht es um das Erforschen und Diskutieren. Das ist etwas ganz anderes als ein Entscheidungskampf. Dabei ist es wichtig auf moralische Grundsätze zu achten. Dabei muss man vor allem darauf achten wie die Fähigkeiten seines Partners sind. Wenn sie sehr weit auseinander liegen, dann muss man ihn gewähren lassen, so dass er am Ende eine gewisse Ehrfurcht und Dankbarkeit empfindet. Vor dem Vergleich ist es wichtig jemanden mit Höflichkeit den Vortritt zu lassen. In seiner Wortwahl sollte man freundlich sein und in seinem Ausdruck auf eine gewisse Etikette achten. Man darf auf keinen Fall arrogant und ungeduldig sein. Das wäre eine Verletzung der Edelmütigkeit.

    ...
    Das ist ikken hissatsu! Wobei das natürlich noch viel mehr beinhaltet, was in seinem Text nicht behandelt wurde und auch gar nicht musste. Er adressierte da ein ganz anderes Problem.

    Einfach ein heftig wertvolles Dokument!

    Nochmals, Danke!

  6. #6
    gast Gast

    Standard

    Ja, an der Stelle tatsächlich. Wie gesagt kenne ich den Begriff nicht und mir würde spontan auch kein feststehender chin. Begriff einfallen, aber inhaltlich scheint es genau das wiederzugeben. Vor allem im Kontext eines Duelles/Kampfes wo keiner sich was schenkt und es auf Leben und Tod gehen kann.

    Mal andersherum gefragt, wäre das in solch einem Kontext nicht sowieso immer der Fall?
    Dabei muss ich spontan an die chin. Kungfu Romane und Filme denken. Dort ist es tatsächlich so, dass der Kampf immer über unzählige Runden geht..... Interessanterweise ganz anders in den alten jap. Filmen. Dort ist der Kampf immer in ein paar sek. vorbei. Meistens stehen sich die Duellierenden eine gefühlte Ewigkeit gegenüber, dann ist es meistens ein Angriff, und fertig.
    An dieser Gegenüberstellung find ich sieht man sehr schön, wie sich die jap. "Ästhetik" dann doch sehr an der Realität orientiert, während das chin. ganz im Fantasy ist.

  7. #7
    Gast Gast

    Standard

    Zitat Zitat von beniwitt Beitrag anzeigen
    Dabei muss ich spontan an die chin. Kungfu Romane und Filme denken. Dort ist es tatsächlich so, dass der Kampf immer über unzählige Runden geht..... Interessanterweise ganz anders in den alten jap. Filmen. Dort ist der Kampf immer in ein paar sek. vorbei. Meistens stehen sich die Duellierenden eine gefühlte Ewigkeit gegenüber, dann ist es meistens ein Angriff, und fertig.
    An dieser Gegenüberstellung find ich sieht man sehr schön, wie sich die jap. "Ästhetik" dann doch sehr an der Realität orientiert, während das chin. ganz im Fantasy ist.
    So in der Art?
    https://www.youtube.com/watch?v=GF5U83UIX1o

    Ist halt die Frage, inwieweit das so die Realität war.

  8. #8
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    173

    Standard

    Zitat Zitat von beniwitt Beitrag anzeigen
    Ja, an der Stelle tatsächlich. Wie gesagt kenne ich den Begriff nicht und mir würde spontan auch kein feststehender chin. Begriff einfallen, aber inhaltlich scheint es genau das wiederzugeben. Vor allem im Kontext eines Duelles/Kampfes wo keiner sich was schenkt und es auf Leben und Tod gehen kann.

    Mal andersherum gefragt, wäre das in solch einem Kontext nicht sowieso immer der Fall?
    Da fehlt heute wohl den meisten die Vorstellungskraft.
    Einerseits wird (aus eigener Erfahrung?) angenommen, dass man selber nicht in der Lage wäre einen Kampf, mit einer einzelnen Aktion zu beenden und andererseits das eigene Vermögen dahingehend überschätzt, dass man in einem längeren Zeitverlauf eines Kampfes durchaus überleben und sogar gewinnen könnte. Rückkopplung: ich kann nicht, er kann nicht? Das ist mit Sicherheit auch aufgrund von Sport- und Filmdarstellungen, aber auch durch andere unrealistische Setups, in den man mehr als eine Chance bekommt. Meist wird aber im Kopf nicht gegen den Tod und Verstümmelung, sondern gegen Kraft, Geschick, Kondition und Härte gekämpft.

    Zitat Zitat von beniwitt Beitrag anzeigen
    Dabei muss ich spontan an die chin. Kungfu Romane und Filme denken. Dort ist es tatsächlich so, dass der Kampf immer über unzählige Runden geht..... Interessanterweise ganz anders in den alten jap. Filmen. Dort ist der Kampf immer in ein paar sek. vorbei. Meistens stehen sich die Duellierenden eine gefühlte Ewigkeit gegenüber, dann ist es meistens ein Angriff, und fertig.
    An dieser Gegenüberstellung find ich sieht man sehr schön, wie sich die jap. "Ästhetik" dann doch sehr an der Realität orientiert, während das chin. ganz im Fantasy ist.
    Die japanischen Darstellungen sind da sicher näher dran, aber meist zu sauber dargestellt. Verstehe gar nicht, wieso das so schwer zu fantasieren ist - man stelle sich nur mal vor gegen ein wirklich reales Schwert anzutreten. Wieviel Selbstüberschätzung braucht man da eigentlich, um sich gute oder überhaupt eine Chance auszurechnen. Eine Faust, am rechten Arm kann ebenso das Leben beenden. Letzteres passiert noch ab und zu, geht aber irgendwie unter.

    Um damals freiwillig ein solches Duell einzugehen braucht es schon eine gehörige Menge an Testosteron oder Dummheit (also auch meist Testosteron) oder enormen gesellschaftlichen Druck.

    Heute muss man dazu nur einfach kurz die Augen schließen...

  9. #9
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    Zitat Zitat von egonolsen Beitrag anzeigen
    Danke!
    Da hänge ich mich mal dran.

    Liebe Grüße
    DatOlli

    Gesendet von meinem Mi MIX 3 mit Tapatalk

  10. #10
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    Danke Beni ! Und schöne Ostern dir
    Die verstehen sehr wenig , die nur das verstehen , was sich erklären lässt. ( Marie v. Ebner-Eschenbach)

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