Ich denke es ist klar, dass hier nicht jedes Wort auf die Goldwaage gelegt werden sollte. Einmal, wegen der Übersetzung an sich, zum anderen weil sich das Yiquan nach 1940 auch stetig weiterentwickelt hat. Man muss immer im Hinterkopf behalten, dass kein Originaltext sondern nur Abschriften die unter Schülern gemacht wurden erhalten sind. Letztendlich weiss man nicht ob Wang, wenn er diesen Text heute lesen würde überhaupt alles gutheißen würde. Mit seinen eigenen Worten aus dem Vorwort:
Das, worauf es bei dieser Kampfkunst nun ankommt, ist den Sinn der Sache zu begreifen; das Gefühl für eine Idee zu entwickeln und eine natürliche Form von Kraft zu entwickeln.Dennoch muss gesagt werden, dass dieser Text ursprünglich eigentlich nur privat für gleichgesinnte zum besseren Studium der Kampfkünste gedacht war und nicht als Text zur Veröffentlichung vorgesehen war.
Doch da ich nun schon recht alt bin und von allen sehr darauf gedrängt werde, komme ich nicht darum etwas wie Spuren einer Wildgans im Schneematsch als Wegmarkierung zu hinterlassen.LehrverseSo ist es mir nicht möglich die Feinheiten dieser Kampfkunst im vollen Umfang hier zu erläutern, sondern es soll in erster Linie ein Grundgerüst darstellen.
Es ist einfach zu komplex hier alles in voller Tiefe auszubreiten um das was mir auf dem Herzen liegt umfassend darzustellen.
Es ist somit dem Leser überlassen sich aus den Ansätzen hier selbst einen Reim zu machen.
Früher wurden oft Lehrverse als didaktische Methode verwendet um sein Wissen weiterzugeben. In diesem Sinne habe ich in etwas freierer Form die folgenden Lehrverse für Studierende gedichtet.
Der Sinn der Kampfkunst ist von tiefster Subtilität
und sollte nicht nur als kleiner Nebenpfad betrachtet werden.
Im Anfang lag der Schwerpunkt auf dem militärischen,
auch Handwerk und Wissenschaft sind daraus hervorgegangen.
Heute ist es zum größten Teil verloren gegangen,
und zu etwas total absurdem geworden.
Diese Kampfkunst wird im Herzen getragen,
es gibt nichts was nicht in ihr enthalten wäre.
Meine innigste Absicht ist die Kampfkunst zu fördern,
wieder zurück an ihren Ursprung zu gehen.
Sein Wesen verstehen und logische Prinzipien erforschen,
Kampfanwendung kommt an zweiter Stelle.
Versteht! Die eigentliche Essenz der Kampfkunst,
entspringt zu aller erst aus dem Stehen.
Die Wahrnehmung verweilt im leeren Raum,
mit seinem Körper lernt man durch experimentieren die Kraft kennen.
Der ganze Körper ist aufgespannt in Wohlspannung,
gebogen, gewunden, entstehend mit Flächen.
Es ist so als ob man bis in die Wolken reicht,
der Atem ist ruhig, fein und lang.
Ganz gemütlich lässt man sich treiben und schaukeln,
als ob man total von Sinnen wäre.
Man löst sich von wirren Gedanken und äusseren Reize,
sammelt den Geist und lauscht dem Nieselregen.
Der ganze Körper ist wie voll von lebendiger Leere,
nicht einmal der geringste Federflaum kann sich darauf absetzen.
In der Form ist es wie Wasser,
formlos wie die Atmosphäre.
Der Geist ist weich und ungebrochen, wie im Rausch,
ganz entspannt, als ob man im Wasser verweilt.
In Stille schaut man in den Himmel,
in lebendiger Leere muss man seine Wahrnehmung festigen.
Der Körper ist wie ein großer Schmelzofen,
alles wird darin geschmolzen, gewandelt und geläutert.
Das geistige Sinnen wandelt sich von innen heraus,
den Atem regulieren und der Stille lauschen.
In Ruhe verweilen wie eine Jungfrau,
und in Bewegung wie ein schlummernder Drache der sich plötzlich erhebt.
Die Kraft ist entspannt, während die Wahrnehmung gespannt ist,
alle Härchen am Körper stehen ab wie Speerspitzen.
Muskeln und Sehnen sind kräftig und bereit zum entladen,
am Auflagepunkt ist die Kraft wie Gewinderollen.
Als Spirale ist die Kraft ohne Form,
der ganze Körper ist wie eine Feder.
Die Gelenke sind wie Rotationskörper,
man muss die Kraft durch Wahrnehmung ergründen.
Muskeln und Sehen sind wie eine aufgeschreckte Schlange,
die Schritte wie ein Wirbelwind.
Nach allen Seiten entstehen riesige Wellen,
wie ein Wal, der beim Schwimmen alles in Bewegung bringt.
Die Kraft über dem Scheitel ist wie lebendig und nicht zu fassen,
der ganze Körper wie an einem Faden aufgehängt.
Der Blick beider Augen ist gesammelt,
man lauscht nach Innen und die Ohren sind für das Äussere geschlossen.
Der Bauchraum ist stets rund,
und der Brustraum leicht gewölbt.
Die Fingerspitzen sind wie von Strom durchströmt,
an Knochen und Gelenken entstehen scharfe Schneiden.