Der ideologische Grundpfeiler, auf den sich die These eines okinawanischen Pazifismus stützt, ist das angeblich historische Waffenverbot innerhalb der Inselkette. Zu Ehren des dreißigjährigen Thronjubiläums des Ryûkyû-Königs Shô Shin wurde zwischen 1507 und 1509 an der Momo-urasoe-Balustrade des Shuri-Schlosses ein mit Inschriften zu den Errungenschaften Shô Shins reich geschmücktes Monument errichtet.
Die vierte dieser Inschriften wurde u.a. von George H. Kerr, dem Autor des 1958 erschienenen Geschichtswerks "Okinawa: The History of an Island People" als das sogenannte allgemeine Waffenverbot der Ryûkyûs verstanden.
Kerr übersetzte wie folgt: "Private ownership and use of arms were done away with" (Kerr 2000: 105).
Historiker wie Sakihara Mitsuge, der u.a. das Nachwort zur im Jahre 2000 erschienenen Neuauflage von Kerrs Buch verfaßte, vermuten, daß Kerr sich bei seiner Übersetzung der Inschrift an die von Iha Fuyû, dem Begründer der Okinawa-Studien (Siddle 1998: 105), angefertigte Übersetzung anlehnte.
Ihas Übersetzung der vierten Inschrift, später als "This country used the armor for utensils" (Sakihara 2000: 543) ins Englische übertragen, war ursprünglich in seinem Sammelband "Ko Ryûkyû" (Das alte Ryûkyû) erschienen, der hinsichtlich der Forschungsergebnisse aus den Bereichen Geschichte, Volkskunde und Sprachlehre als Standardwerk der Okinawaforschung gilt (Okinawa-ken Seishi Kakei Daijiten Hensan Iinkai 1995: 297).
Kerr schließt aus Ihas Übersetzung der vierten Inschrift, Shô Shin habe alle aus Eisen gefertigten Waffen des Landes zu Werkzeugen umfunktionieren lassen, und stützt darauf seine These vom Waffenverbot.
Glaubhafter als Ihas Übersetzung und Kerrs daraus folgende Interpretation der vierten Inschrift am Monument der Momo-urasoe-Balustrade erscheinen derzeit der Mehrzahl der Historiker Okinawas die bereits 1955 - und damit nocn vor Kerrs Buch - publizierten Forschungsergebnisse Nakahara Zenchûs zu diesem Thema.
Nakahara interpretiert den fraglichen Punkt vier der Inschrift, hier im Englischen wiedergegeben, wie folgt:
"Fourth, brocade an embroidered silk are used for garments, and gold and silver are used for utensils. Swords, bows and arrows are exclusively accumulated as weapons in the protection of the country. In matters of finance and armament, this country excels other countries."
(Sakihara 2000: 544)
(...)
Berichten koreanischer Augenzeugen aus dem Jahr 1477 zufolge verfügten die Ryûkyûs tatsächlich auch über bewaffnete Truppen.
(Sakihara 2000: 544)
Der Versuch, einen Okinawa-Pazifismus historisch zu legitimieren, muß in den Bereich der Traditionalismen verwiesen werden.