Die Uhrmacher-Analogie - neu betrachtet
Ich will die Welt mal allgemeiner betrachten, anhand eines berühmten Gleichnisses, das gerne als ein Argument für Gott benutzt wird, und das zeigt, dass wir es mit zwei generell inkompatiblen Weltsichten zu tun haben:
Stell' Dir vor, Du gehst am Strand spazieren. Du findest eine Uhr. Aus der Zweckmäßigkeit der Uhr schlussfolgerst Du, dass sie nicht durch Zufall so sein kann, sondern einen Schöpfer benötigt, der sie designed (gestaltet hat). Aber auch das Universum zeichnet sich durch eine gewisse Zweckmäßigkeit aus, daher muss man auch hier darauf schließen, dass es einen Schöpfer und Designer gab.
Dieses Uhrmachergleichnis gibt es auch im Islam in verschiedenen Formen, etwa einen Palast, den man in der Wüste findet etc.
Für einen Gläubigen endet das Denken an diesem Punkt. Aber sehen wir genauer hin: Wie entstand das Design einer Uhr?
Es ist nämlich falsch, dass es einen Designer und/oder einen Schöpfer einer Uhr gab. Grundfalsch. Tatsächlich gab es nie einen Designer der Uhr, denn jeder Designer einer Uhr nimmt das bereits vorhandene Design von Uhren, die er kennt, und ändert dieses ein wenig ab. Das ursprüngliche Design, dass er zu großen Teilen kopiert, ist nicht seine Erfindung. Ab und zu kommt mal jemand auf eine revolutionäre Idee, etwa, die Zeit durch unterschiedliche Farben anzuzeigen (gab es wirklich). Das hat sich nicht durchgesetzt, weil es nicht genug Käufer für so eine Uhr gab. Oder man ersetzt das 12-Stunden-Zifferblatt durch eines mit 24 Stunden. Es wird sich zeigen, ob sich das durchsetzen kann.
Man kann einen durchgehenden Stammbaum zeichnen, von der ersten einfachen Sonnenuhr (ein Stock in der Erde, ein paar Steine als Einteilung) bis hin zur modernen Smartwatch. Wir finden: Kleine Design-Schritte, von denen sich einige durchsetzen konnten, viele aber nicht. Selten gab es große Sprünge. Und so gibt es eine Linie von der ersten Sonnenuhr zur modernen Atomuhr, mit vielen „ausgestorbenen“ Seitenabzweigungen. Es gab nie einen Designer, und nie einen Schöpfer dieser Uhr - das ist eine Schlussfolgerung, die man nur ziehen kann, wenn man nie zuvor eine Uhr gesehen hat und nicht weiß, wie sie entsteht (nämlich als kollaborative Arbeit vieler Designer und Schöpfer über Jahrtausende).
Gleich, ob man nun Autos nimmt (die sich aus der Pferdekutsche entwickelt haben), oder Paläste, die sich aus Höhlen entwickelt haben, oder Uhren, oder sonstwas: Es gibt selbst bei allen menschlich designten Dingen IMMER eine kontinuierliche Entwicklung.
Das gilt aber auch für alle natürlichen Dinge, nicht nur die künstlich hergestellten. Auch Galaxien haben eine Entwicklungsgeschichte, Planeten, Sonnen, Materie. Alles, wirklich alles, hat sich über oft enorm lange Zeiträume aus einfacheren Dingen entwickelt. Man muss also, wenn man dies zu Ende denkt, annehmen, dass alles, was man beobachtet, sich aus einfacheren Dingen gebildet hat, aufgrund von Gesetzmäßigkeiten, und dass daher auch alles, was existiert, aus dem Einfachsten entstanden ist, was man sich vorstellen kann. Nichts ist jemals als Ganzes, auf einen Schlag, entstanden. Und für so eine Entwicklung ist kein Plan notwendig, kein Design, nichts davon hat von Anfang an existiert.
Starkes Argument gegen die Existenz Gottes
Die zweite Betrachtungsweise: Alles Komplexe hat sich aus dem noch Komplexeren entwickelt. Ein Mensch (sehr komplex!) kann einfache Dinge herstellen, wie einen Stuhl, aber nichts, was so komplex wie er selbst ist. Wenn man diese verengte, beschränkte Sichtweise hat, bei der man nichts betrachtet außer dem, was man selbst kann - und weder lange Zeiträume berücksichtigt, noch irgendwelche Entwicklungslinien betrachtet, dann, und nur dann, kann man auf die absurde Vorstellung kommen, alles sei von einem Schöpfer designed und aus dem Nichts geschaffen worden (wobei: „aus dem Nichts“ kann man aus nichts schlussfolgern - das haben wir noch nie beobachtet, außer bei der Nullpunktenergie, also bei ganz einfachen Verhältnissen, so einfach, dass es einfacher kaum geht).
Das Uhrmachergleichnis - weit genug durchdacht - ist ein starkes Argument gegen die Existenz Gottes. Nur wenn man es an „passender“ Stelle abbricht, und sich weigert, weiter zu denken, kann man zu einem Schöpfergott kommen. Betrachtet man aber das Gesamtbild, und nicht nur punktuelle Ereignisse, aus denen man sich bestimmte Dinge willkürlich herauspickt, dann kommt man zu der Ansicht, dass das Sein ein permanentes Werden aus dem Einfachsten ist, und nicht ein „geschaffenes Sein“.
Der Koran ist durchsetzt - wie auch die Bibel - von einer Sichtweise, bei der man das Komplexe voraussetzt, um (mindere) Komplexität zu erschaffen. Es handelt sich also um eine generell falsche Sichtweise, und man kann beide nicht miteinander verschmelzen.
Woher kommt das Design einer Uhr? Aus einem langen, schrittweisen, oft zufälligen Entwicklungsprozess.
Woher kommt das Design des Universums, und damit auch letztlich der Uhr, wenn man einen Schöpfer voraussetzt? Aus dem Nichts. Denn ein Allwissender musste jedes Design „schon immer“ kennen, seit ewigen Zeiten, er kann sich nichts ausdenken, denn dann wäre er nicht allwissend. Das Design hat keinen Ursprung, keine Ursache - es kommt aus dem Nichts. Es gibt keinen Urheber, keinen Designer, keinen, der sich das ausgedacht hat, oder entwickelt hat. Aber dann ist Gott vollkommen überflüssig - er ist nicht der Designer, vielleicht der Schöpfer, der nach Plänen handelt, die er „immer schon kannte“, von denen nicht einmal er selbst weiß, woher sie kommen, denn er kannte sie, seit er zurückdenken kann. Es gibt keinen Designer - weder in der einen Sichtweise, noch der anderen. Aber in der einen, der ohne Gott, gibt es eine Erklärung für das Design, in der anderen gibt es keine, und kann es auch keine geben: Gott erklärt nicht das Design, sondern beschreibt einen unmöglichen Zustand.
Daher, wenn man sich die Evolution betrachtet, kann man nur zu dem Schluss kommen: Es gibt keinen Gott, und es kann auch nie einen gegeben haben. Wenn man die Realität beobachtet, statt sein eigenes Denken vorauszusetzen, ist der Schluss unausweichlich.
Und so kehrt sich das Argument gegen den Gläubigen - er sieht nur nicht weit genug. Das Argument widerlegt die Existenz Gottes. Und die Angst davor gebiert seltsame Synthesen: Man versucht beide Sichtweisen miteinander zu vereinen, weil das, was man beobachtet, einem Gott stark widerspricht (vor allem dem Gott gewisser Religionen). Aber das geht nicht, nur eine davon kann wahr sein. Wenn es einen Gott gäbe, so könnte man dies daran erkennen, dass alles Natürliche ab einem Zeitpunkt existiert, ohne eine Entwicklung durchzumachen. Nur dann kann man auf einen Gott schließen. Beim Versuch einer Synthese sägt man sich den Ast ab, auf dem man sitzt, und fällt dann auf die Nase.