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Gawan
Nehmen wir einmal ein Beispiel aus Star Trek, nämlich das Beamen. Dabei wird ein Objekt in seine Moleküle oder Atome zerlegt, als Materiestrom irgendwo hin geschickt und am Zielort rekonstruiert. Einmal angenommen, das wäre technisch möglich. Die Frage ist dann immer noch, ob ein gebeamter Mensch noch derselbe ist, denn er wurde ja in seiner Struktur zwischenzeitlich völlig zerstört.
Er ist, wenn er im zeitlichen Abstand identisch rekonstruiert wird, im selben Zustand.
Üblicherweise sprechen wir auch vom gleichen, gar selben Menschen, wenn er nicht im selben Zustand ist.
Die Identität ist nur ein roter Faden, der sich durch eine zumindest makroskopisch kontinuierliche aber wandelnde Existenz zieht.
Wir steigen in denselben Fluss und doch nicht in denselben, wir sind es und wir sind es nicht.
-Heraklit-
Ich meine, es gibt buddhistischen Interpretationen, da stirbt man nicht erst am Ende des Lebens, sondern in jedem Augenblick und wird in jedem Augenblick wiedergeboren.
Zitat von
Gawan
Machen wir den zeitlichen Abstand zwischen dem Zerstören und Rekonstruieren etwas größer, vielleicht auf ein paar Minuten, vielleicht auf 100 Jahre. Wie ist es da? Ist das immer derselbe Mensch? Was ist mit dem „Beobachter“, dem Ich-Bewusstsein? Wenn es in der Zwischenzeit nicht existiert und dann plötzlich wieder da ist, kann man da von demselben „Ich“ sprechen?
Seh ich kein Problem.
Ich schlaf fast jeden Abend ein und wache am nächsten Morgen auf.
Dazwischen liegen eventuell Phasen, in denen kein bewusstes Ich existierte, auf jeden Fall gibt es da deutliche Brüche, die mich üblicherweise nicht beunruhigen oder mich vermuten lassen, dass ich nun ein wesentlich anderer sei, als der, der da abends eingeschlafen ist.
War bei Narkosen auch nicht anders.
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Gawan
Noch ein anderes Beispiel: Es gibt Menschen, die anscheinend mehrere Personen oder „Ichs“ verkörpern (multiple Persönlichkeitsstörung bzw. dissoziative Identitätsstörung). Wie passt das zu der „normalen“ Wahrnehmung genau eines Bewusstseins?
Ich selbst kenne eine solche Störung nicht aus persönlicher Anschauung.
Zumindest in Wikipedia steht:
Die Patienten haben abwechselnde, unterschiedliche Vorstellungen von sich selbst, wobei scheinbar unterschiedliche Persönlichkeiten entstehen, die wechselweise die Kontrolle über das Verhalten übernehmen. An das Handeln der jeweils „anderen Persönlichkeit(en)“ können sich die Betroffenen entweder nicht oder nur schemenhaft erinnern, oder sie erleben es als das Handeln einer fremden Person.
[...]
können die Entwicklung einer einheitlichen Persönlichkeit verhindern. Stattdessen kann es zu einer Aufspaltung und Abkapselung von Gedächtnisinhalten kommen, die sich verfestigen und schließlich zu wechselnden und sich gegenseitig ausschließenden Teilpersönlichkeiten führen
Hervorhebungen von mir
Das kling für mich so, dass zu jeder Zeit höchstens ein Bewusstsein, ein Beobachter ("Erleber") existiert.
Der Beobachter erlebt dann das Handeln einer fremden Person, oder bemerkt, dass in der Zeit, als er abwesend war, ein "anderer" Beobachter aktiv war.
Mir scheint also, auch die Betroffenen von dieser Identitätsstörung erleben stets höchstens ein Bewusstsein.
Erwin Schrödinger, der von der indischen Mythologie beeinflusst war, hat sogar umgekehrt vorgeschlagen, dass es Bewusstsein überhaupt nur in Einzahl gäbe:
Bewusstsein gibt es seiner Natur nach nur in der Einzahl. Ich möchte sagen: die Gesamtzahl aller »Bewusstheiten« ist immer bloß »eins«."
In Anlehnung an diese Idee sprach ich weiter vorne von "Bewusstseinsfenster", d.h. von der Vorstellung eines einzigen Bewusstseins, dass in den vermeintlich unterschiedlichen Bewusstseinen nur aus verschiedenen Fenstern auf die Welt blickt.
Dass ich nun keine Erinnerung an den Blick durch andere Fenster habe, spricht dagegen, aber vielleicht hat das universelle Bewusstsein so etwas wie eine multible Persönlichkeitsstörung, wo ich dann sein Handeln in einer anderen Identität als das Handeln einer fremden Person erlebe...
Zitat von
Gawan
Im Falle des Gebeamten würde ich sagen, ihm bleibt nichts anderes übrig, als sich mit der Person, die vor dem Beamen existierte, zu identifizieren, d.h. sie als zum eigenen Ich gehörend anzuerkennen. Dasselbe hätten wir bei der Auferstehung: Auch wenn ich tausendmal (vielleicht in verschiedenen Altersstufen) auferstehe, muss ich mich mit jedem der Auferstandenen identifizieren bzw. eher anders herum: jeder der auferstandenen „Klone“ wird sich mit „mir“ (der „ursprünglich realen“ Person) identifizieren müssen. Was hätte man auch sonst für eine Wahl?
IMO deuten die verschiedenen Identitätsstörungen darauf hin, dass man keine Wahl hat.
Was zum Ich gehört oder nicht, wird vom Gehirn konstruiert.
Es gibt Leute, die ihr Bein aus dem Bett werfen, weil die meinen, das gehöre jemand anderem.
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Gawan
Etwas muss ich noch ergänzen: Angenommen, man (z.B. Gott) wäre in der Lage, ein Lebewesen durch so einen Klonvorgang auferstehen zu lassen und es gäbe mehrere Klone. Jeder Klon wäre anfänglich mit dem Original identisch. Doch sofort würden sich Unterschiede ergeben: der eine ist an einem anderen Ort als der andere und macht andere Erfahrungen. Letztlich würden alle Klone zwar alles vom Original erben, aber sich in verschiedene Richtungen entwickeln, ihre eigene Geschichte haben. Sicher würden sie sich in vieler Beziehung für lange Zeit sehr ähnlich bleiben, doch letztlich hätte man auch wieder verschiedene Personen.
Und diese Personen hätten dann doch auch ein unterschiedliches "Erleben" im Sinne der multiblen Persönlichkeitsstörung des kosmischen Bewusstseins.
Man kommt ja heute leicht an Drohnen mit einer Kamera.
Da kann man dann die Welt aus einer ganz anderen Perspektive sehen, als mit den angeborenen Sinnen.
Dennoch betrachtet man die Welt mit seinem eigenen Bewusstsein.
Umgekehrt:
Wenn jemand meinem Klon eine Nadel in die Hand sticht und der erlebt bewusst Schmerzen.
Erlebe ich die dann auch?
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Gawan
Wir möchten gerne an unserem kulturell geprägten Konzept von individueller Einzigartigkeit und Einmaligkeit festhalten. Ich glaube aber, dass das eine Illusion ist, die wir letztlich aufgeben werden müssen.
Wer ist denn "wir"?
Ich habe keine Schmerzen damit, mir vorzustellen, dass es mich noch mehrmals gibt (solange die anderen nicht mit mir um wichtige Ressourcen konkurrieren)
In der Vielweltendeutung der Quantentheorie spaltet sich das Universum an jeder Abzweigung in mehre unabhängige Universen auf.
Da gibt es dann jede Menge Pansapiens in extrem vielen Universen, nur stehen die halt nicht in Kontakt.
Ich erlebe nicht, was die anderen in den anderen Universen erleben.
Macht für mich also keinen Unterschied.
Das wesentlichere Konzept, das nicht nur kulturell sondern eben auch biologisch geprägt ist, scheint mir das der unwandelbaren Identität.
Man (was immer das ist) möchte erhalten bleiben.
Daher will man nicht sterben und die Vorstellung, dass es da etwas gäbe, was ewig sei (unsterbliche Seele) ist tröstlich und wenn dann noch einer leibliche Auferstehung verspricht, d.h. man wird irgendwann wieder körperlich hergestellt, dann ist das sicherlich für einige attraktiv.
„Ich sehe das Gehirn als einen Computer, der aufhört zu arbeiten, wenn seine Bestandteile versagen.
[...]
Es gibt keinen Himmel oder Leben nach dem Tod für kaputte Computer. Das ist ein Märchen für Leute, die sich im Dunklen fürchten.“
-Steven Hawking-
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Wobei Menschen, neben dem Bedürfnis, erhalten zu bleiben, auch das Bedürfnis nach Veränderung zeigen:
Die machen Ausbildungen, rennen in's Fitnessstudio oder legen sich unter das Messer von plastischen Chirurgen.
Dabei soll dann das Kontinuum der Ich-Vorstellung möglichst erhalten bleiben, nur unter anderen Umständen.
Klone sollen eher als Organ- oder Körperspender dienen...als körperlich identische Existenzen mit eigenem Bewusstseinsstrom scheinen die nicht so attraktiv.