Teil 1: Über Selbstschutz
In der Einleitung verwendet der Autor im Kapitel "Aktuelle Hintergründe" ziemlich oft den Ausdruck "mittlerweile" um das Bild einer stetig wachsenden Bedrohung des Einzelnen zu skizzieren. Das dabei entstehende Bild erweckt einen Eindruck von "früher war alles besser" der bei genauerer Betrachtung den Abgleich mit der Realität nicht standhält. Teilweise wird dabei auch die tatsächliche Faktenlage nicht berücksichtigt. Im Buch wird z.B. ein Anstieg der Einbrüche angegeben, tatsächlich gibt es hier aber einen Rückgang. Seltsam mutet es auch an, dass auf eine steigende Zahl von religiös motivierten Gewalttaten hingewiesen wird, die viel häufigeren, politisch motivierten Gewalttaten (aus verschiedensten Richtungen) aber unerwähnt bleiben.
Hier wäre eine differenzierte Betrachtung zu bevorzugen, in der zwar erläutert wird, dass jeder / jederzeit zum Opfer werden kann, in der aber das tatsächliche Risiko nicht überzogen dargestellt wird.
Im Bereich "Rechtslage" wird kurz aber hinreichend auf die
Teil 2: Das Konzept zum Selbstschutz
Im Kapitel "Konzept zum Selbstschutz" gibt der Autor einen guten Einblick in Themen wie die Auswahl von Opfern und viele sinnvolle Hinweise was man im Vorfeld beachten muss, um das eigene Risiko Opfer zu werden zu minimieren. Angenehm fällt hier auch auf, dass er zwischen verschiedenen Arten von Gewalt und damit verschiedenen Erfordernissen bezüglich der Verhaltensweise unterscheidet.
Dieses Kapitel hätte meines Erachtens nach durchaus noch umfangreicher ausfallen können in dem die einzelnen Punkte etwas ausführlicher behandelt würden. Ein kleines Defizit das aber durch aufmerksames Lesen und gründliches nachdenken zu den einzelnen Punkten vom Leser selbst "behoben" werden kann.
In Teil 3 Grundfähigkeiten werden Basistechniken und Fähigkeiten für das bestehend einer körperlichen Auseinandersetzung gegeben. Die Kapitel zur Fußarbeit und den Schutzhaltungen ist insgesamt gelungen, allerdings wären für Kampfsportunterfahrene ein paar Bilder mehr vermutlich hilfreich gewesen. Bei der Beschreibung des Rückwärtsschrittes sollte ein Hinweis darauf, dass die Ferse angehoben sein sollte ergänzt werden.
Im Kapitel Angriffstechniken und Verteidigungsgrundlagen werden grundlegende Angriff- und Verteidigungstechniken aufgezeigt. Durch den Background des Autors im MT sind diese Kapitel rundum gelungen.
Lediglich bei der Beschreibung des Faustbodenschlags gegen Umklammerung von hinten habe ich einige Bedenken, der Fokus in dieser Situation sollte unbedingt darauf liegen, erst einmal sicherzustellen, dass man nicht einfach ausgehoben wird.
************************************************** *****************
Anmerkungen (wird nicht Teil der Rezension): Beim Lesen empfand ich es als kleines Manko, dass bei der Beschreibung des Rückwärtsschritts nicht darauf hingewiesen wird, dass dieser in einer realen Auseinandersetzung möglichst vermieden werden sollte rückwärtszulaufen, allerdings wird darauf im Kapitel 4 Gameplan sehr ausführlich eingegangen. T
************************************************** *****************
Teil 4: Der Ernstfall
In Kapitel 4 „Der Ernstfall“ betont der Autor die Bedeutung eines „Gameplans“ und wie wichtig die richtige Einstellung (Mindset) und entschlossenes Vorgehen im „Ernstfall“ ist. Dazu gibt er gute Hinweise und Beispieltechniken wie man dieses Vorgehen konkret umsetzen kann. Wie auch in den vorherigen Kapiteln gibt es dort sehr viel sinnvolle Information in stark komprimierter Form. Hilfreich für den Leser sind hier ergänzende „Tafeln“ mit Zusammenfassungen der wichtigsten Punkte.
Bei den Kampftaktiken gegen Hieb- und Stichwaffen wird zwar nur auf sehr grundlegende Angriffe eingegangen, sehr angenehm ist es aber, dass ganz klar dargestellt wird, dass der Vorteil beim bewaffneten Angreifer liegt und dass die vorgestellten Kampftaktiken nur dann anzuwenden sind, wenn es keine Alternative zum waffenlosen Kämpfen gibt. Im Gegensatz zu vielen anderen Büchern/Videos, werden hier keine falschen Versprechungen bzgl. Chancen einer waffenlosen Abwehr vermittelt. Wie oft im Buch, wird auch hier darauf hingewiesen, dass man sich für dieses Thema an einen qualifizierten Lehrer wenden sollte. Auch die Empfehlung sich einen Lehrer zu suchen, der einen die Grundlagen solcher Angriffe vermitteln kann, ist sehr zu begrüßen.
Nicht Teil der Rezension:
************************************************** *******************************************
Etwas riskant fand ich die häufigen Hinweise, welche Abwehrarten bei nicht lebensbedrohlichen Situationen zu vermeiden sind. Zwar ist es generell richtig zu betonen, dass nicht jede Bierzelt Schlägerei ein „Worst-Case“ ist dem nur mit absoluter Zerstörung des Gegners beizukommen ist, aber an manchen Stellen hatte ich das Gefühl, dass dem unerfahrenen Leser teilweise zuviel Entscheidungen in einer Stresssituation zugemutet werden. Auch bezüglich rechtlicher Fragen, würde ich vor einer Neuauflage noch einmal einen Experten querlesen lassen.
************************************************** *******************************************
Im Kapitel 5 „Befreiungstechniken“ werden grundlegende Befreiungstechniken vorgestellt sowie der Bodenkampf kurz angesprochen. Bei den gezeigten Techniken fehlen meines Erachtens einige Details, was aber nicht weiter schlimm ist da auch hier wieder die Empfehlung ausgesprochen wird, wenigstens einige Monate in einen Bodenkampfstil zu trainieren. Generell wird das Kapitel Clinch meines Erachtens nach nicht ausreichend gewürdigt. Hier würde ich mir von einer neuen Auflage etwas mehr zu diesem sehr wichtigen Teilgebiet wünschen.
Beim Thema Bodenkampf wird zurecht betont, dass es in einer realen Auseinandersetzung meist Ziel sein muss, schnell wieder auf die Beine zu kommen. Leider werden dazu keine geeigneten Techniken (Technical Stand-up) gezeigt, obwohl gerade diese gut im Selbststudium zu erlernen sind. Gefährlich finde ich hier, dass der Eindruck erweckt wird, dass man mit „Dirty Tricks“ auch einen im Bodenkampf überlegenen Gegner besiegen kann. Zwar ist es richtig in einer lebensbedrohlichen Auseinandersetzung jede Chance zu nutzen, sei sie auch noch so klein, hier hat man dann auch nichts zu verlieren. In den viel Häufigeren nicht lebensbedrohlichen Auseinandersetzungen möchte ich aber nicht derjenige sein, der einen Kampf auf diese Weise eskaliert. Den auch wenn man als unterlegener in einer schlechten Position vielleicht einen Biss oder einen Augenstich setzen kann, kann das der überlegene Gegner in guter Position noch wesentlich besser.
Dass das Kapitel 5 dadurch nicht wirklich für das Selbststudium geeignet ist, ist allerdings nicht weiter dramatisch. Um Grundlagen im Grappling und Bodenkampf zu bekommen, wird man nicht umhin wenigstens einige Zeit in einem Grapplingstil intensiv zu trainieren und darauf weist der Autor auch hin.
In Kapitel 6 „Selbstschutz mit Waffen und Gegenständen“ werden gängige, legale Waffen, inklusive ihrer Vor- und Nachteil, sowie rechtliche Rahmenbedingungen vorgestellt. Dadurch erhält der Leser die Möglichkeit selbst zu bewerten und entscheiden ob und welche Waffe er führen möchte. Sehr positiv ist hier die Betonung, dass man eine Waffe nur dann mit sich führen sollte, wenn man auch bereit bzw. mental in der Lage ist, sie im Ernstfalle einzusetzen sowie im Umgang damit ausreichend geschult ist.
Auch Gaspistolen werden angesprochen, die Nachteile dabei gut aufgeführt, man könnte aber meiner persönlichen Meinung nach hier noch deutlicher herausstellen, dass sie zur SV eher nicht geeignet sind. Nicht überzeugt bin ich von den angesprochen Stichen zu Nervenpunkten beim Abschnitt über den Kubotan.
Trotz diese Einschränkungen gibt dieses Kapitel einen sehr guten Einstieg in eine schwierige Thematik.
Im Kapitel 7 „Selbstschutz Solotraining“ werden gute Tipps für das eigene Training gegeben. Dabei wird nicht nur auf den kämpferischen Teil eingegangen, sondern (was oftmals fehlt) auch auf Übungen um das eigene Auftreten sowie die Aufmerksamkeit zu verbessern. In wie fern die Übungen zur Verbesserung der Selbstsicherheit und Selbstbehauptung hilfreich sind, kann ich leider nicht beurteilen. Die Übung 5 in diesem Kapitel zu „Mindset und Gameplan“ trainieren, in der man potentielle Risikosituationen im Geist durchspielt ist aber durchaus sehr wichtig und kann einem dabei helfen im Ernstfall „den Schalter Scheller umzulegen“ zu können. Diese Übungsform wird auch im Sport bereits vielfach mit Erfolg genutzt.
************************************************** *******************************
Nicht Teil der Rez: Als weiterführende Literatur zu würde ich hier die Werke von Miller und De Becker empfehlen
************************************************** *******************************
Im letzten Kapitel „Selbstschutztraining“ im Verein gibt der Autor gute Ratschläge für die Auswahl eines Kampfsportvereins sowie für die Auswahl von SV Kursen. Dem Hinweis, dass man als Anfänger in diesem Thema eine geeignete Schule, geeignete Kurse besuchen soll, kann ich mich nur voll und ganz anschließen.
Fazit:
Christoph liefert eine gute Einführung in dieses sehr komplexe und umfangreiche Thema die auch sehr gut der Problematik gerecht wird, dass SV eben nur zu einem kleinen Teil „kämpfen“ ist.
Beim kämpferischen Teil machen sich vor allem bei Lösungen aus „schlagenden Stilen“, seine Erfahrung im Muay Thai positiv bemerkbar. Kleinere Mängel beim Thema Clinch und Bodenkampf, sowie beim Thema „bewaffnete SV“ sind nicht weiter tragisch, da hier sowieso ein Training bei einem erfahrenden Lehrer unabdingbar ist.
Positiv sticht auch die Ehrlichkeit bezüglich der Grenzen eines Buchs zum Erwerben von SV Fertigkeiten hervor, negativ allerdings das auch der allgemeine Trend zur überzogenen Verängstigung bedient wird.
Insgesamt ein Buch, dass für Personen die sich bisher nicht oder nur wenig mit dieser Thematik beschäftigt haben, sowie für Personen mit Kampfsporterfahrung, aber ohne größere „praktische“ Erfahrung, sehr gut als Einstieg geeignet ist.