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Thema: Messer gegen MMA: Notwehr oder versuchter Mord?

  1. #1
    vstm Gast

    Standard Messer gegen MMA: Notwehr oder versuchter Mord?



    Messer gegen MMA: Notwehr oder versuchter Mord?
    Der Einsatz von bis zu zehn Messerstichen im Kopf-, Hals-, und Bauch- und Brustbereich gilt gegen einen unbewaffneten Angreifer als Notwehr.
    Ist das nicht eine völlige Fehleinschätzung des Gefährdungspotentials "Messer" gegenüber "unbewaffneter Sportler" ?
    Das ist rechtlich gedeckt - aber sind dann unsere Gesetze noch zeitgemäß?

    PROZESS IN WIEN


    Es war Notwehr: Freispruch für 17-Jährigen von versuchtem Mord
    2017 hatte ein 17-Jähriger vor einem Lokal in Wien einen 16-Jährigen niedergestochen. Die Geschworenen billigten dem Angeklagten mit 7:1 Stimmen zu, in Notwehr gehandelt zu haben.


    Wien – Ein 17 Jahre alter Bursch, der am 20. Oktober 2017 vor einem Billard-Lokal in Wien-Favoriten nach einem Streit einen 16-Jährigen niedergestochen und lebensgefährlich verletzt hatte, ist am Donnerstag am Landesgericht vom versuchten Mord freigesprochen worden. Die Geschworenen billigten dem Angeklagten mit 7:1 Stimmen zu, in Notwehr gehandelt zu haben.


    Dieser hatte seinem Kontrahenten mit einem Springmesser acht bis zehn Stich- und Schnittwunden im Kopf-, Hals-, Bauch- und Brustbereich zugefügt. Das Opfer überlebte mit viel Glück und dank rascher ärztlicher Hilfe. Der Freispruch ist bereits rechtskräftig. Die Staatsanwältin verzichtete auf Rechtsmittel.


    Tränen der Erleichterung im Gerichtssaal
    Der 17-Jährige, der unmittelbar nach der Verhandlung enthaftet wurde, bedankte sich artig beim Gericht, während seine im Publikum anwesenden Eltern und sein jüngerer Bruder Tränen der Erleichterung vergossen und Verteidiger Robert Baum um den Hals fielen. Dieser hatte den 16-Jährigen in der Verhandlung als Kampfsportler überführt, nachdem der sich im Zeugenstand zunächst als Klavierspieler bezeichnet und versichert hatte, er habe nichts mit Boxen am Hut.


    Zwischen den beiden Jugendlichen, die sich bis dahin nicht gekannt hatten, war es in dem Lokal aus nichtigem Anlass zu einem Streit gekommen. Als der Ältere das Lokal verließ, folgte ihm der andere. In einer Sackgasse entwickelte sich aus einer Stänkerei eine Schubserei. Plötzlich hatte der 17-Jährige eine Waffe in der Hand und machte davon Gebrauch. Ein Schnitt durchtrennte dem 16-Jährigen die Luftröhre, ein Stich unterhalb des Rippenbogens eröffnete den Bauchraum und beschädigte die Leber, ein weiterer unterhalb der Achsel eröffnete die Brusthöhle. Während der Verletzte zusammenbrach, ergriff der Täter die Flucht.


    Der 16-Jährige kam mit dem Leben davon, weil sein Begleiter, mit dem er an jenem Abend unterwegs war, unverzüglich die Rettung verständigte. Der Bursch wurde notoperiert, musste ins künstliche Koma versetzt werden und verbrachte in weiterer Folge sechs Tage auf der Intensivstation. Der Verdächtige stellte sich eine Woche später freiwillig der Polizei.


    Der schmale, nicht besonders große Angeklagte behauptete in der Verhandlung, er habe sich schon im Lokal vor seinem Gegner gefürchtet und sei deshalb nach draußen gegangen. Dieser sei ihm nachgegangen, habe ihn zum Stehenbleiben aufgefordert, ihn schließlich eingeholt, zu Boden geschmissen und sei dann auf ihn gesprungen. Dabei habe der 16-Jährige ihm den Daumen gebrochen. Der andere Bursch habe sich dann auch noch auf ihn gesetzt und ihn verdroschen: „Er hat mich geschlagen wie ein Kämpfer. Vor meinem Auge war alles schwarz, ich konnte nichts mehr sehen.“ Da habe er das Messer aus seiner Hosentasche genommen und „blind hingestochen“.


    Verteidiger: „Messer als letztes Mittel zur Abwehr“
    Für den Verteidiger war der Griff zum Messer „das letzte Mittel zur Abwehr“. „Ich wollte nur, dass er weggeht“, pflichtete der Angeklagte bei. Er habe schon gespürt, „dass ich ihn verletzt habe. Ich wusste nicht, wie schwer ich ihn verletzt habe“. Er sei dann in Panik nach Hause gelaufen, wo er seinen Eltern vom Vorfall berichtete. Die gesamte Familie begab sich aus Angst vor einer möglichen Revanche der Angehörigen des Verletzten für eine Woche nach Holland, ehe sich der 17-Jährige auf den Rat seines Anwalts der Polizei in Wien stellte.


    Der 16-Jährige erzählte einen ganz anderen Tatablauf. Der Angeklagte habe ihn aufgefordert, mit ihm nach draußen zu gehen. Dort sei dieser sofort aggressiv geworden und habe zugestochen. Er selbst habe nichts gemacht und zuerst nur einen Schlag gespürt. Das Messer habe er zunächst gar nicht bemerkt. Die Frage vom Richterin Beate Matschnig, ob er Boxer sei, verneinte der Zeuge: „Ich spiel‘ Klavier.“ In sportlicher Hinsicht trainiere er in einem Fitness-Studio.


    „Gladiator“ auf Facebook
    Der Verteidiger legte dem Zeugen allerdings Fotos vor, auf denen der 16-Jährige als MMA (Mixed Martial Arts)-Kämpfer zu sehen ist. Ende Mai 2017 war er sogar in den Ring gestiegen und hatte sich an einer sogenannten Fight Night beteiligt. Auf seinem Facebook-Profil ist ein Foto zu sehen, das den 16-Jährigen in Siegerpose im Ring zeigt. Laut Facebook trägt der Jugendliche den Spitznamen „Gladiator“.


    Damit konfrontiert rückte der Zeuge von seinen ursprünglichen Angaben zumindest ein bisschen ab. Es könne sein, dass er zur „Abwehr mit den Fäusten um mich geschlagen“ habe, räumte er nun ein. Zu Beginn des Disputs habe auch er „hingeprügelt“, gab er zu. Der 16-Jährige betonte aber, er sei „kein Profiboxer“ und hätte den Angeklagten „sicher nicht“ zu Boden gebracht.


    (APA)


    http://www.tt.com/panorama/verbrechen/14136253-91/es-war-notwehr-freispruch-f%C3%BCr-17-j%C3%A4hrigen-von-versuchtem-mord.csp





    Geändert von vstm (15-03-2018 um 23:03 Uhr)

  2. #2
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    Und was möchtest du da jetzt diskutieren?
    Mein Englisch ist zu schlecht. Ich löse das physikalisch!

  3. #3
    vstm Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Schnueffler Beitrag anzeigen
    Und was möchtest du da jetzt diskutieren?
    Messer gegen MMA: Notwehr oder versuchter Mord?
    Der Einsatz von bis zu zehn Messerstichen im Kopf-, Hals-, und Bauch- und Brustbereich gilt gegen einen unbewaffneten Angreifer als Notwehr.
    Ist das nicht eine völlige Fehleinschätzung des Gefährdungspotentials "Messer" gegenüber "unbewaffneter Sportler" ?
    Das ist rechtlich gedeckt - aber sind dann unsere Gesetze noch zeitgemäß?

    https://link.springer.com/chapter/10...-322-81031-1_7

  4. #4
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    Notwehr, nein, ja.
    Mein Englisch ist zu schlecht. Ich löse das physikalisch!

  5. #5
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    Standard Messer gegen MMA: Notwehr oder versuchter Mord?

    Es gibt genauso Urteile bei denen sich derjenige der sich mit einem Messer „verteidigt“ hat verknackt wurde.

    Ob und in welchem Umfang eine Notwehrsituation vorgelegen hat entscheidet eben immer noch das Gericht bzw. in diesem Fall die Geschworenen nicht irgendwelche Gesetze.

    Und die haben wohl eher dem schmächtigen Messerschwinger geglaubt als dem „bösen“ MMAler (der sich zusätzlich natürlich auch selbst ins Knie geschossen hat weil er versucht hat, dass dilettantisch zu verheimlichen - wer einmal lügt dem glaubt man nicht auch wenn er dann die Wahrheit spricht...).
    Geändert von Little Green Dragon (16-03-2018 um 00:01 Uhr)
    "It's not the size of the dog in the fight, it's the size of the fight in the dog." M. Twain

    "Whoever said one person can’t change the world never ate an undercooked bat..."

  6. #6
    Wong F. Gast

    Standard

    Zitat Zitat von vstm Beitrag anzeigen
    Messer gegen MMA: Notwehr oder versuchter Mord?
    Der Einsatz von bis zu zehn Messerstichen im Kopf-, Hals-, und Bauch- und Brustbereich gilt gegen einen unbewaffneten Angreifer als Notwehr. Ist das nicht eine völlige Fehleinschätzung des Gefährdungspotentials "Messer" gegenüber "unbewaffneter Sportler" ?
    Das ist rechtlich gedeckt - aber sind dann unsere Gesetze noch zeitgemäß?
    Es geht nicht um das Gefährdungspotential. Es geht darum, dass der Verteidiger (und offenbar ist das Gericht zu dem Urteil gekommen, dass er der Verteidiger war) sich offenbar nicht anders zu helfen wußte als auf diese Art.

    Versuchter Mord kann es ja schon deshalb nicht gewesen sein, weil dazu eine Vorsatz vorliegen müßte.

    Die 8-10 Stiche wären vielleicht als Notwehrexzess zu bezeichnen, zurückzuführen auf die Panik des Angegriffenen.

    Wenn das Gericht das so gesehen hat, ist die Entscheidung richtig.

  7. #7
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    Standard

    Zitat Zitat von vstm Beitrag anzeigen
    Messer gegen MMA: Notwehr oder versuchter Mord?
    Der Einsatz von bis zu zehn Messerstichen im Kopf-, Hals-, und Bauch- und Brustbereich gilt gegen einen unbewaffneten Angreifer als Notwehr.
    Das erinnert mich an die Artikelüberschriften in Online-Medien.
    Weniger irreführend wäre: Der Einsatz von zehn Messerstichen/schnitten im Kopf-, Hals-, und Bauch- und Brustbereich kann unter bestimmten Umständen gegen einen unbewaffneten Angreifer als Notwehr gewertet werden".
    Sonst könnte jemand auf die Idee kommen, aus dieser konkreten Einzelfallentscheidung eines Geschworenengerichts eine allgemeine Gesetzmäßigkeit abzuleiten (und z.B. darauf zu achten, dass er nicht häufiger als zehnmal zusticht)


    Zitat Zitat von vstm Beitrag anzeigen
    Ist das nicht eine völlige Fehleinschätzung des Gefährdungspotentials "Messer" gegenüber "unbewaffneter Sportler" ?
    Das ist rechtlich gedeckt - aber sind dann unsere Gesetze noch zeitgemäß?
    nehmen wir an, die Geschichte des Angeklagten stimmt...
    Wenn ich mit jemandem Streit habe, der folgt mir aus einem Lokal, greift mich an, bringt mich zu Boden und deckt mich aus der Mount mit Schlägen ein....
    Welche Verteidigung hieltest Du denn da für zeitgemäß?
    Natürlich ist es bedenklich, wenn sich in manchen Fällen Leute mit einem Messer in der Tasche in eine Konfliktsituation begeben und wenn es handgreiflich wird, das mitgeführte Messer einsetzen und mit Notwehr davon kommen.
    Allerdings ist vielleicht gerade das der heutigen Zeit gemäß...



    Zitat Zitat von Wong F. Beitrag anzeigen
    Versuchter Mord kann es ja schon deshalb nicht gewesen sein, weil dazu eine Vorsatz vorliegen müßte.

    Vorsatz ist nicht gleich Planung

    (1) Vorsätzlich handelt, wer einen Sachverhalt verwirklichen will, der einem gesetzlichen Tatbild entspricht;
    dazu genügt es, daß der Täter diese Verwirklichung ernstlich für möglich hält und sich mit ihr abfindet.

    klar gibt es deutsche Richter, die die Auffassung vertreten, man könne einem andern mit Absicht in den Bauch schießen, ohne damit zu rechnen, dass der andere dabei sterben könnte, aber eigentlich sollte jeder mündige Bürger wissen, dass Menschen sterben können, wenn man blindlings mit einem Messer auf die einsticht.

    Zitat Zitat von Wong F. Beitrag anzeigen
    Wenn das Gericht das so gesehen hat, ist die Entscheidung richtig.
    Diese Autoritätsgläubigkeit teile ich nicht. Unser Rechtssystem zum Glück auch nicht.
    Geändert von Pansapiens (16-03-2018 um 05:48 Uhr)

  8. #8
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    Standard

    Zitat Zitat von vstm Beitrag anzeigen
    Ist das nicht eine völlige Fehleinschätzung des Gefährdungspotentials "Messer" gegenüber "unbewaffneter Sportler" ?
    Das ist rechtlich gedeckt - aber sind dann unsere Gesetze noch zeitgemäß?
    Hast du denn den Artikel selbst gelesen? Was sollte das mit den Gesetzen zu tun haben...? Das Gericht hat in Anbetracht der Tatsachen und Umstände entschieden, dass das Notwehr war, also das mildeste zur Verfügung stehende Mittel diesen Angriff abzuwehren. Nun kennen wir die Umstände und Details in dem Fall nicht genau, nur wird es wahrscheinlich so sein, dass die Story des 16 jährigen einfach unglaubwürdig erschienen ist. Die Tatsache dass er ein trainierte MMA Fighter war spielt da natürlich mit ein...

  9. #9
    gast Gast

    Standard

    Da sieht man auch mal wie es in die Hose gehen kann wenn man versucht das Gericht anzulügen. In einer anderen Quelle wird noch genauer angeführt wie der 16-Jährige versucht zu erklären, dass er noch nie irgendwas mit Kampfsport gemacht hat und man kommt dann drauf, dass er sogar schon Kämpfe hat. Danach sind halt alle seine Aussagen nicht mehr sehr glaubwürdig...

    Und ja, klar kann auch ein Messer das mindeste erforderliche Mittel sein - z.B. wenn man glaubt gleich wird man tot gewürgt. Mal so als Input für den "Choke als SV"-Thread...

  10. #10
    Wong F. Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Pansapiens Beitrag anzeigen
    Das erinnert mich an die Artikelüberschriften in Online-Medien.
    Weniger irreführend wäre: Der Einsatz von zehn Messerstichen/schnitten im Kopf-, Hals-, und Bauch- und Brustbereich kann unter bestimmten Umständen gegen einen unbewaffneten Angreifer als Notwehr gewertet werden".
    Sonst könnte jemand auf die Idee kommen, aus dieser konkreten Einzelfallentscheidung eines Geschworenengerichts eine allgemeine Gesetzmäßigkeit abzuleiten
    Yes.

    Vorsatz ist nicht gleich Planung
    Aber Planung braucht Vorsatz, oder?

    Diese Autoritätsgläubigkeit teile ich nicht. Unser Rechtssystem zum Glück auch nicht.
    Wenn Du mir grade kurz erklären könntest, wo in meinem Beitrag "Autoritätsgläubigkeit" zum Ausdruck kommt?

  11. #11
    MasterKen Gast

    Standard

    Zitat Zitat von vstm Beitrag anzeigen
    Messer gegen MMA: Notwehr oder versuchter Mord?
    Der Einsatz von bis zu zehn Messerstichen im Kopf-, Hals-, und Bauch- und Brustbereich gilt gegen einen unbewaffneten Angreifer als Notwehr.
    Ist das nicht eine völlige Fehleinschätzung des Gefährdungspotentials "Messer" gegenüber "unbewaffneter Sportler" ?
    Das ist rechtlich gedeckt - aber sind dann unsere Gesetze noch zeitgemäß?

    https://link.springer.com/chapter/10...-322-81031-1_7
    Masgeblich ist doch der Tatverlauf, da der eine nachweislich gelogen hat, muß man dem anderen wohl glauben.
    2 gegen 1, am Boden liegend. Denke Notwehr ist vertretbar.
    Wies wirklich war wissen nur die drei Beteiligten.

    Es geht hier auch nicht um MMA gegen Messer sondern, Messer gegen dreist gelogen.

  12. #12
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    Standard

    Eben. Wahrscheinlich ist da einer mal an den Richtigen geraten, der glaubt jedes Problem so lösen zu können wie im Ring.
    Und dann noch so dämlich sein und die Frage ob er Kampfsport mache zu beantworten mit "ich spiele Klavier..." selber Schuld.

    Achja, und wenn ein durchtrainierter MMA-Kämpfer, der in der Szene als "Gladiator" bekannt ist mich auf der Straße angeht, würde ich auch ein Messer ziehen um mich zu verteidigen.
    Eigentlich nur logisch, dass ich das mit dem nicht ausboxe wenn mir meine Gesundheit am Herzen liegt, oder? Erst recht nicht wenn noch einer seiner Kumpels daneben steht...

  13. #13
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    Vom mildesten Mittel steht nur weder in Österreich noch im deutschen Gesetz etwas unter Notwehr. Es geht um "notwendig" und "erforderlich" in den Texten.
    Grapple&Strike
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  14. #14
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    Das steht so direkt nicht da, das stimmt. Meine Wissens nach sagt die deutsche Rechtsprechung sinngemäß aber, habe ich mehr als ein geeignetes Mittel zur Verfügung, die alle gleich erfolgversprechend erscheinen, muss jenes Mittel gewählt werden, welches dem Angreifer den wenigsten Schaden zufügt. Von daher könnte man das schon etwas freier als "mildestes" Mittel auslegen.

  15. #15
    vstm Gast

    Standard

    Danke für die zahlreichen Rückmeldungen!
    Ich schlüssel den Sachverhalt und die rechtliche Denkweise ein bisschen auf:


    Sachverhalt:
    "Wie berichtet, war der Teenager gemeinsam mit seinem Cousin am Freitag in einem Lokal im Bezirk Favoriten gewesen und dort mit den drei Unbekannten in Streit geraten, als es offenbar um das Bezahlen der Zeche ging. Die Auseinandersetzung verlagerte sich vor die Tür, vor dem Lokal gingen die Kontrahenten dann aufeinander los. Einer der drei bis dato Unbekannten zückte im Zuge dessen ein Messer und stach auf den 16-Jährigen ein. Der Bub erlitt Stichverletzungen am Kopf, am Hals sowie am Oberkörper und wurde ins Krankenhaus eingeliefert. Die Ermittlungen laufen weiterhin auf Hochtouren."
    http://www.krone.at/594735


    Sichtweise, Denkweise und Argumentation der Richterin nach herrschender Lehre:
    Es gibt Streit in einem Lokal. 2 Jugendliche mit Migrationshintergrund gehen nach draussen. Der Rest der Gruppe greift nicht ein. Der Streit eskaliert in eine Rauferei 1 gegen 1. Der genaue Hergang ist nicht eruierbar, auch nicht ob die beiden schon am Boden lagen oder nicht - das ist nicht erwiesen. Der schmächtigere Jugendliche zieht sein Springmesser und sticht bis zu 10mal auf den anderen ein. Er leistet keine Hilfe, entzieht sich der polizeilichen Verfolgung und taucht eine Woche in Holland unter. Der andere überlebt mit viel Glück.
    Notwehr ist die Anwendung des gelindesten Mittels um einen unmittelbaren, rechtswidrigen Angriff auf eine notwehrfähiges Rechtsgut sofort und endgültig abzuwehren. Was ist das gelindeste Mittel um einen Faustangriff abzuwehren? Normalerweise körperliche Gewalt, Androhung von Waffengewalt oder einzelne Stiche in Arm oder Bein. Aber weil der der eine schmächtig ist und der andere MMA-Kampfsportler, ist das gelindeste Mittel halt das bis zu bis zu 10malige zustechen mit dem Messer in Hals und lebenswichtige Organe. Sie will dem Täter nicht die Zukunft verbauen und das Opfer hat ja überlebt. Das Opfer passt auch nicht so recht in das Opferschema, weil das so ein gefährlicher Kampfsportler ist.
    Das entspricht der gesetzlichen Grundlage.


    Meine Kritik daran:
    Die Richterin wusste gar nicht ob die beiden am Boden lagen oder wie der Kampfverlauf war. Das jemand am Rücken liegend ein Messer aus der Hosentasche nestelt und gegen einen aus der full mount schlagenden bis zu 10 lebensgefährliche Stiche anbringen kann ist genauso ein Märchen wie das vom klavierspielenden MMA-Sportler. Das ein 17 jähriger "zufällig" ein Springmesser dabei hat und anschließend eine Woche in Holland untertaucht ist zumindestens fragwürdig. Das er sich später nach eingehender rechtlicher Beratung stellt und eine überzeugende Geschichte auftischterhöht nicht seine Glaubwürdigkeit. Das Urteil gründet sich hauptsächlich darauf, dass das Opfer "als Kampfsportler überführt" wurde (Zitat).
    Dass diese beiden Jugendlichen beide keine Waisenknaben waren und ein latentes Risiko darstellten ist klar. Ich denke aber nicht, dass ein Freispruch statt einer Notwehrprovokation oder Notwehrüberschreitung eine positive präventive Wirkung auf die Gesellschaft oder den Täter hat. Wir werden in Zukunft noch mehr dieser Fälle erleben. Die Richterin hat dem geglaubt der besser gelogen hat. (= der den besseren Anwalt und mehr Zeit vor seine Aussage hatte.)


    Fazit:
    Leider geistert die Figur des "geübten Kampfsportlers" oder des "Profiboxers" seit Jahrzehnten durch die Lehrbücher und wird von zukünftigen Richtern auswendiggelernt.
    Dass man jemand ""als Kampfsportler überführt" reicht mir nicht für eine Urteilsbegründung, und das war es leider in dem Fall.
    Die Richterin hat ihr Urteil hauptsächlich auf diesen Punkt gestützt.




    Frage:
    Wenn jemand gut integriert in einem Sportverein einer exotischen Sportart (MMA) nachgeht sollte dieser dann rechtliche Nachteile haben?
    Warum sollte ein problematischer 16-Jähriger MMA-Hobbysportler schlechter behandelt werden als ein problematischer 17-Jähriger Messerstecher?
    Muss man vor Gericht über seine Hobbies lügen um nicht Vorurteilen ("Kampfsport= gefährlich/brutal/gewaltbereit") anheimzufallen?
    Was sendet das für eine Botschaft an die Gesellschaft wenn bis zu zehn Messerstiche in Kopf-, Hals-, und Bauch- und Brustbereich gegen einen unbewaffneten Angreifer als Notwehr gilt?

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