Liebe Wing Chun Praktizierende,
ich, als VTler wollte dem Geheimnis der Chi Sao Sektionen auf die Spur kommen, da ich sowas nur aus dem Forum kenne, allerdings bis jetzt noch nicht genau verstanden habe wozu das gut ist. Als ich also danach recherchierte kam mir ein Video von Erwin Kastl auf YouTube entgegen. Erst war ich beim Titel des Videos nicht ganz sicher ob es ernsthaft Chi Sao mit der Holzpuppe gibt, aber gemeint sind die Abläufe aus der Holzpuppenform im normalen Chi Sao.
Ein paar Dinge fand ich bemerkenswert und durchaus diskussionswürdig:
1. Zitat ins hochdeutsch "übersetzt": (00:12 bis 00:31)
An der Stelle möchte ich mal kurz folgendes feststellen: 2016 wurde das Video veröffentlicht. 2016 - 1989 = 27 Jahre. Er hat Schüler die 27 Jahre lang bei ihm trainieren. Das ist auf jeden Fall mal bemerkenswert, dass es Leute gibt, die so lange bei ihm trainieren. Das Leute so lange bei ihm bleiben spricht einerseits für ihn. Aber andererseits finde ich es erschreckend, dass keiner seiner Schüler es in dieser Zeit geschafft hat das komplette waffenlose WT System zu lernen. (oder er es nicht geschafft hat das waffenlose System zu lehren) Das lässt 2 Schlüsse zu: 1. er hat unglaublich faule und unbegabte Schüler die seit 27 Jahre bei ihm trainieren und kaum fortschritte machen. 2. seine Schüler sind zwar fleißig und auch nicht unbegabt - nur ist seine Lehrmethodik nicht so "optimal" und führt zu dieser enormen Schwierigkeit, dass seine Schüler es irgendwie nicht verstehen. Evtl. gibt es auch noch 3. irgendwas dazwischen. Also ich sag es mal so: ich finde die Aussage von ihm hat mindestens mal ein "Gschmäckle", wie der Schwabe so schön sagt.Ich habe jetzt, vor allem auch für meine eigenen Schüler, eben das komplette Wing Tsun System, das waffenlose Wing Tsun System, auf DVD aufgezeichnet und zwar hauptsächlich deswegen, weil ich seit 1989 unterrichte und durchaus auch einige Schüler habe, die schon so lange dabei sind, und trotzdem hat es bis jetzt keiner geschafft, dass er mit dem waffenlosen System durchkommt.
Gut, dann kommt inhaltlich irgendwie seine Interpretation der Anwendung der Bewegungsabläufe aus der Holzpuppe. Ich denke, wenn man jetzt darüber diskutieren würde, kommt man auf keinen grünen Zweig (vor allem hier nicht) - aus VT Sicht verstehe ich es nicht, ich denke, dass das vor allem daran liegt, dass mir hierzu die fundierten WT Kenntnisse fehlen. Deswegen würde ich gerne einen zweiten Aspekt diskutieren wollen:
2. Zitat (wieder ins hochdeutsche übersetzt) (04:03 - 04:34)
Wenn ich das Buch "Vom Zweikampf" inhaltlich noch so halbwegs im Kopf habe (ich war gerade im Keller und hab das Buch aus einem Regal herausgekramt), ging es doch eben darum, dass das tolle am WT ist, dass es nicht so viele Techniken hat. Im Buch vom Zweikampf (11., korrigierte und neu gesetzte Auflage von 2002) auf Seite 288 und 289 heißt es hierzu:Also insgesamt ist es im Wing Tsun das zurückgeht auf die Leung Ting Linie, ist es technisch einfach viel viel umfangreicher, das heißt nicht, dass es besser ist,
aber wir haben einfach viel mehr Techniken als andere Wing Chun Interpretationen; im Wong VT gibt es nur eine einzige DVD zum Thema Holzpuppenform, weil die haben einfach nicht so viele komplexe Kampfanwendungen und bei uns gibts eben - ich brauche 7 DVDs, und die brauche ich wirklich, weil eben jede DVD zwischen einer halben und einer ganzen Stunde <dauert>. (Das in Spitzen klammern <> war eine Ergänzung durch mich, da er hier mit einem "und" einen weiteren Satz aufmacht und der alte nicht abgeschlossen wird)
Herkömmliche Stile: Vorgeplante ("tote") Techniken
WingTsun-System: lebendige, angepasste Reaktionen
Herkömmliche Stile: Hunderte von Techniken
WingTsun-System: Vier Formeln (Prinzipien)
Ich finde, dass das zwei widersprüchliche Sachen sind. (also die Aussagen aus dem Buch und die Aussage aus dem Video von Erwin Kastl) Beide Aussagen kommen aber vom LT/KRK WT. Bzw. beschäftigen sich damit. Also der Zweikampf behandelt ja zweifelsohne das LT/KRK WT. Und Erwin Kastl bezieht sich auch auf das LT/KRK WT. Wie kann es also sein, dass es einerseits so komplex ist, dass 27 Jahre nicht reichen um das waffenlose System zu lernen - aber andererseits sind es eben nicht (!) hunderte von Techniken sondern nur 4 Formeln (Prinzipien) (aus welchen sich vermutlich diese Techniken ableiten). D.h. man müsste nur diese 4 Formeln verinnerlichen und der Rest erschließt sich dann.
Diese Prinzipien von denen hier immer gerne die Rede ist, die können doch unmöglich solange dauern bis man sie so versteht, dass man sie selbstständig üben kann. Ich kann mir schon vorstellen, dass man "mal" zur Veranschaulichung einer Bewegung bzw. eines Prinzips eine "Anwendung" übt. Aber braucht es dafür so viele komplexe Anwendungen. Vermutlich auch die Anwendungen die auf dem Video so schön in der Zeit von (01:28 - 04:00) dargestellt werden. Die Frage die sich doch da aufdrängt ist: wie viele Anwendungen muss man gesehen haben um ein Prinzip zu verinnerlichen? Und braucht es wirklich mehr als 27 Jahre dafür?
Wie sind Eure Meinungen dazu?
Gruß
wusau