Zitat von
Julian Braun
Schwieriges Thema.
Womit ich mir schwer tue, ist überhaupt genau zu verstehen, wie ein menschliches Leben, welches nur Determinierung und Zufall, aber keine Akteuerskausalität kennt, zu beschreiben wäre.
Was bedeutet hier "beschreiben"?
Hier eine Beschreibung eines Geschehens:
Die 16-Jährige Brenda Ann Spencer schoss am Montag, den 29. Januar 1979 mit einem halbautomatischen Gewehr aus einem Fenster ihres Elternhauses auf das gegenüberliegende Gelände der Grover Cleveland Elementary School in San Diego. Dabei tötete sie den Schulleiter Burton Wragg und den Hausmeister Mike Suchar und verletzte einen Polizisten und acht Schüler.
Jetzt kann man noch weitere Menschen beobachten und feststellen, dass die eher selten mit Gewehren auf andere Menschen schießen.
Man kann eine Statistik machen, wie oft Menschen mit Gewehren auf andere Menschen schießen und welche Begleitumstände da jeweils herrschen.
Das wäre für mich eine Beschreibung.
Da steckt noch nicht drin, warum Menschen bisweilen, aber meistens nicht, auf andere Menschen schießen.
Der nächste Schritt wäre, aus den vorhandenen Daten Korrelationen herauszulesen, also ob die beobachteten Menschen, vielleicht häufiger unter bestimmten Begleitumständen auf andere Menschen schießen.
Diese Begleitumstände können sowohl äußere ("ist grade Bürgerkrieg") wie auch innere (Weltanschauung, Testosteronspiegel, Genetischer Code, Traumaerfahrungen....)
sein.
Hier wird versucht Muster zu erfassen, gerade weil man meint, dass das Weltgeschehen nach berechenbaren Gesetzmäßigkeiten abläuft.
Die Wiedergabe dieser Muster wäre auch noch die Beschreibung dessen, was man sieht.
Dann kommt die Modellbildung: Man fragt sich, ob den Mustern eine Kausalbeziehung zwischen den verschiedenen Variablen und der Beobachtung zugrunde liegt.
Meinst Du mit "Beschreiben" die Modellbildung? Ein Modell ist einerseits eine Erklärung für die beschriebenen Beobachtungen, andererseits natürlich auch die Beschreibung (angenommener) Wirkzusammenhänge.
Wenn man ein Modell aufstellt, dann soll das idealerweise nicht nur geeignet sein, die Vergangenheit richtig zu erklären, sondern auch die Zukunft vorherzusagen.
Das geht nur, wenn man annimmt, dass die Zukunft durch Gesetzmäßigkeiten, die in dem Modell angenommen werden, vorherbestimmt (determiniert) ist.
Ansonsten hat das Modell eine Erklärungslücke.
Entsprechend war die QT ein Schock für die empirischen Naturwissenschaften und z.B.: Einstein hat sich ja dagegen gesträubt ("der Alte würfelt nicht") dass etwas geben kann, was indeterminiert, echt "zufällig" geschieht.
Zurück zu oben erwähnter Brenda Ann Spencer.
Während der Schießerei wurde sie von einem Journalisten angerufen, dem sie als Grund für die Tat angab: „I don't like Mondays. This livens up the day.“ („Ich mag keine Montage. Das belebt den Tag.“) Nach über sechs Stunden beendete sie die Schießerei und wurde von einem SWAT-Team verhaftet. Auch bei ihrer Verhaftung sagte sie zu den Polizisten: „Nothing's happening today. I don't like Mondays.“ („Heute passiert nichts mehr. Ich mag keine Montage.“)
Brenda Ann Spencer
Nehmen wir an, diese Erklärung (eventuell Beschreibung einer mentalen Wahrnehmung) beschreibt die Zusammenhänge korrekt.
Dann stellen wir fest, dass der Zustand "heute ist Montag" zusammen mit der Einstellung "Ich mag keine Montage" weder bei jedem Menschen, noch bei Brenda ein hinreichender (zwingender) Grund ist, andere Menschen mittels einer Schusswaffe zu töten.
Die Tat war also nicht monokausal verursacht.
Es ist wahrscheinlicher, dass es mehrere (eventuell unabhängige) Umstände gibt, die erst zusammentreffen mussten, dass Brenda so handelte, wie sie handelte.
Ungefähr so:
Verschiedene Umstände (die selbst wieder kausal bedingt oder zufällig sind) wirken also gleichzeitig auf den Menschen Brenda ein, dadurch entsteht ein Wille zu einer Handlung, der, falls die Rahmenbedingungen stimmen, in eine Handlung umgesetzt wird.
Ich habe hier sowohl äußere (z.B. Wetter) wie auch innere (z.B.: genetische Disposition, Einstellung zu Montagen) Gegebenheiten aufgeführt.
Auch die inneren Gegebenheiten fallen ja nicht vom Himmel, sondern sind kausal verursacht.
(viele Leute mögen keine Montage, weil da die Arbeits-/Schulwoche wieder beginnt.)
Dieser Input wird nun von Brenda verarbeitet und es entsteht daraus eine Entscheidung.
Da hier viele Gegebenheiten in einem komplexen Gefüge von dem als Wesen oder Akteur wahrgenommenen Menschen Brenda aufgrund innerer (Vor-)Einstellungen verarbeitet werden, könnte man die individuelle Verarbeitung/Reaktion auf dieses Bündel von Umständen als "Akteurskausalität" verstehen, da ja verschiedene Menschen unter gleichen Bedingungen unterschiedliche Entscheidungen treffen, die Entscheidung also in dem Menschen begründet ist.
Wenn man den Menschen allerdings als vollständig in der Welt angesiedelt betrachtet, dann sind seine individuellen Voreinstellungen ebenfalls wieder kausal bedingt oder bestenfalls zufällig und daher sehen Inkompatibilisten unter der Annahme, dass menschliche Wesen komplett in einer determinierten Welt bzw. einer Welt, die deren Determiniertheitslücken allenfalls zufällig sind, keine Möglichkeit für einen echten freien Willen, d.h. für ein Mosaiksteinchen in der Entscheidungsfindung, das weder selbst determiniert noch zufällig ist.
Einen solchen echten freien Willen habe ich in obiger Grafik als weiteren Einflussfaktor mit Fragezeichen eingezeichnet.
Selbst wenn der aus einer anderen (geistigen) Welt käme, könnte man die Frage stellen, wie diese Welt denn beschaffen sein müsste, dass der dort wiederum weder kausal determiniert noch rein zufällig ist.
Lange Rede kurzer Sinn:
Mir scheint, bei der Frage nach dem freien Willen geht es eher darum, was man nun unter freiem Willen versteht, als um die Frage, ob in einer determinierten, bzw. allenfalls teilweise zufälligen Welt ein "echter" freier Wille nach der Definition von Inkompatibilisten existieren kann.
es gibt ja bezüglich der Definition von Willensfreiheit verschiedene Ansätze, hier von der weiter vorne verlinken Seite:
Eine Person ist in ihrem Wollen frei, wenn sie die Fähigkeit hat, ihren Willen zu bestimmen,
zu bestimmen, welche Motive, Wünsche und Überzeugungen handlungswirksam werden sollen.
[...]
Willensfreiheit nach Moore
Eine Person ist in ihrem Wollen frei, wenn sie wollen kann, was sie wollen will.
[...]
Willensfreiheit nach Frankfurt
Eine Person ist in ihrem Wollen frei, wenn auf der erste Stufe die Wünsche handlungswirksam werden, von der sie auf der zweiten Stufe will, dass sie handlungswirksam werden.
[...]
Willensfreiheit nach Locke
Eine Person ist in einer Entscheidung frei, wenn sie erstens die Fähigkeit besitzt, vor der Entscheidung innezuhalten und zu überlegen, was zu tun richtig wäre, und wenn sie zweitens die Fähigkeit besitzt, dem Ergebnis dieser Überlegung gemäß zu entscheiden und zu handeln.
Als Ergänzung die Auffassung von Max Planck, der ja noch an die Determiniertheit der Welt glaubte und Willensfreiheit als Frage der Perspektive ansah:
Der äußere Standpunkt ist für die wissenschaftliche Untersuchung der Gesetzlichkeit von Willensvorgängen geeignet, der innere Standpunkt ist es nicht. Es versteht sich von selbst, dass diese beiden Standpunkte sich gegenseitig ausschließen und dass es sinnlos ist, beide gleichzeitig zu benutzen. Wenn wir nun von dem hierfür allein zulässigen äußeren Standpunkt aus an die wissenschaftliche Betrachtung der Willensvorgänge herangehen, so lehrt uns die alltägliche Erfahrung, dass wir im Umgang mit anderen Menschen bei allen ihren Reden und Handlungen stets bestimmte Motive, also kausale Determiniertheit voraussetzen; denn sonst wäre ihr Verhalten unberechenbar und jeder geordnete Verkehr mit ihnen unmöglich. Auch die wissenschaftliche Forschung verfährt nicht anders. Wenn ein Historiker den Entschluss Julius Cäsars, den Rubikon zu überschreiten, nicht auf seine politischen Überlegungen und sein angeborenes Temperament, sondern auf seine Willensfreiheit zurückführen wollte, so würde das einfach den Verzicht auf ein wissenschaftliches Verständnis bedeuten. Darum werden wir schließen müssen, dass der Wille vom äußeren Standpunkt der Betrachtung aus als kausal determiniert anzunehmen ist.
„Ganz anders steht es mit dem inneren Standpunkt. Hier versagt, wie wir sahen, die wissenschaftliche Betrachtungsweise. Dafür tut sich aber hier eine andere Erkenntnisquelle auf, nämlich das Selbstbewusstsein. Dieses sagt uns unmittelbar, dass wir in jedem Augenblick, wie unseren Gedanken, so auch unserem Willen jeden beliebigen Inhalt geben können, sei es nach reiflicher Überlegung, sei es nach Gutdünken, oder auch aus reiner Laune. Dabei ist wohl zu beachten, dass es sich hier nicht etwa um eine Willensbetätigung handelt, die ja oft durch äußere Umstände gehemmt wird, sondern allein um die gesinnungsmäßige Willensrichtung. In dieser verfügen wir vollkommen frei. Man denke nur an den stillschweigenden Vorbehalt, den wir bei jedem von uns gesprochenen Wort machen können, die sogenannte reservatio mentalis. Das ist eine wirkliche, unmittelbar zu erlebende, keine nur scheinbare Freiheit, wie manche behaupten, weil sie die beiden entgegengesetzten Standpunkte nicht auseinanderhalten können. Wer freilich nach der ,wirklichen‘ Willensfreiheit fragt, ohne auf den eingenommenen Standpunkt Rücksicht zu nehmen, der verfährt nicht anders als jemand, der ohne nähere Erläuterung die Frage aufwirft, welche Seite dieses Saales ‚wirklich’ die rechte ist…
„Zusammenfassend können wir also sagen: Von außen betrachtet ist der Wille kausal determiniert, von innen betrachtet ist der Wille frei. Mit der Feststellung dieses Sachverhaltes erledigt sich das Problem der Willensfreiheit. Es ist nur dadurch entstanden, dass man nicht darauf geachtet hat, den Standpunkt der Betrachtung ausdrücklich festzulegen und einzuhalten. Wir haben hier ein Musterbeispiel für ein Scheinproblem. Wenn diese Wahrheit gegenwärtig auch noch mehrfach bestritten wird, so besteht doch für mich kein Zweifel darüber, dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann sie sich zur allgemeinen Anerkennung durchringen wird.“
http://www.solon-line.de/2007/12/27/...-determiniert/
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Julian Braun
Du hattest die Frage, ob quasi alles was Pansapiens gesagt, gedacht und getan hat und noch sagen, tun und denken wird "vorhersagbar" wäre, ja mit Referenz auf die Quantenphänomene verneint - wenn ich dich da richtig verstanden habe.
Mein Handeln ist wohl weitgehend vorhersagbar, wenn ich allerdings vollständig in einer Welt bin, die durch die QT vollständig beschrieben wird, dann gibt es die erwähnten Determiniertheitslücken.
Wie groß sich die jetzt auf mein Handeln auswirken, ist fraglich, da das ja meist mikroskopische Vorgänge handelt und wenn mein Erkenntnisapparat all zu zufällig arbeiten würde, hätten meine Vorfahren eventuell nicht lange genug überlebt, um sich fort zu pflanzen.
Allerdings kann man sich Szenarien ausdenken, in der solche Phänomene eine starke makroskopische Wirkung entfalten.
Wenn man z.B. mittels Schrödingers Katzentötungsapparat nicht zwingend Giftgas freisetzt sondern eine Nuklearwaffe zündet, abhängig davon, ob das instabile Atom in einer geraden oder einer ungeraden Sekunde einer Zeitmessung zerfällt....
Zitat von
Julian Braun
Aber es bleibt für mich die Frage: wie ist ein komplexes Zusammenspiel aus Zufall und physikalischen Einflüssen mit Bezug auf menschliches Handeln denkbar, wenn wir die Ebene simpler Versuche wie Libet verlassen?
Auch wenn wir den echten Zufall mal außen vorlassen, der ja eine Determiniertheitslücke öffnet und damit eventuell als Argument pro Freiheit, wenn auch nicht Willensfreiheit angesehen werden kann...
Dann ist es schon schwierig genug festzustellen, wie ein komplexes neuronales Netzwerk auf die Umwelt reagiert.
Diese Dinger (KI) zeichnen sich ja meines Wissens eher dadurch aus, das man nicht mehr genau weiß, was passiert. Zwischen theoretischer Vorhersagbarkeit und tatsächlicher Vorhersagbarkeit klaffen gewaltige Lücken.
Wettervorhersage, Dreikörperproblem, Doppelpendel...
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Julian Braun
Was sind Handlungs-, Entscheidungs-, Planungs- und Willensfreiheit überhaupt genau?
Definitionen zu Willensfreiheit siehe oben.
Handlungsfreiheit: Möglichkeit, das, was man denn will, auch umzusetzen. (Schopenhauer: "man kann tun, was man will, man kann aber nicht wollen, was man will")
Siehe die Brenda-Grafik: Hätte Brenda kein Gewehr gehabt, hätte sie ihren Willen nicht in eine Handlung umsetzen können.
Entscheidungsfreiheit: Wenn eine Handlung nicht alternativlos ist.
Planungsfreiheit: Das hängt wohl vom Vorstellungsvermögen ab. Ich kann z.B. planen, morgen um 5:00 aufzustehen. Ob ich das dann morgen um 5:00 Uhr auch noch will, oder kann (Wecker kaputt), steht auf einem anderen Blatt...
Siehe Vorsätze zu Neujahr...
Zitat von
Julian Braun
Und wie sind soziale Beziehungen sinnvoll beschreibar und verstehbar ohne die Annahmen von Willensfreiheit?
Kann dazu führen, dass man sich über seine Mitmenschen weniger ärgert.
Das ist IMO wieder eine Frage der Perspektive.
Siehe die Ausführungen von Max Planck:
Wenn wir nun von dem hierfür allein zulässigen äußeren Standpunkt aus an die wissenschaftliche Betrachtung der Willensvorgänge herangehen, so lehrt uns die alltägliche Erfahrung, dass wir im Umgang mit anderen Menschen bei allen ihren Reden und Handlungen stets bestimmte Motive, also kausale Determiniertheit voraussetzen; denn sonst wäre ihr Verhalten unberechenbar und jeder geordnete Verkehr mit ihnen unmöglich.
Sinnvolle soziale Beziehungen setzen also einen gewisse Berechenbarkeit der Handlungen der anderen voraus. Es gab ja schon Leute, die meinten, wir Menschen hätten so große Gehirne, um die Absichten unserer Mitmenschen abschätzen zu können.
Leute, die auf übliche Umstände nicht innerhalb erwarteter Parameter reagieren, werden eher aus der Gesellschaft entfernt (Brenda sitzt noch im Knast).
Da wir von idealen Geistern weit entfernt sind, können wir andere Menschen durchaus als Wesen behandeln, die mittels eines komplexen neuronalen Netzwerks Umweltbedingungen und innere Zustände in einer Art und Weise in Handlungen umsetzen, die für uns nicht determiniert erscheint.
Wir sind ja, selbst wenn, keine stumpfen Automaten, sondern reagieren auf vielerlei Inputs und sind auch Lernfähigkeit, d.h. wir können unsere Reaktion anpassen, wenn
die nicht zum gewünschten Ergebnis führt.
Daher sehe ich auch bei Leugnung eines freien Willens nicht die üblich thematisierten Probleme bezüglich des Strafrechts.
Denn eine zu erwartende Strafe ist eine Veränderung der Umweltbedingungen, die zu einer Veränderung der Handlungen führt, sofern der andere in der Lage ist, den Zusammenhang zwischen Handlung und Konsequenz zu verstehen und dies eine Auswirkung auf seine Handlungen haben kann.
Bei einem Kind, dessen Erkenntnisapparat die Zusammenhänge nicht erkennen und daher nicht entsprechend reagiert, ist diese Form der Entscheidungsfreiheit genauso wenig gegeben, wie bei einem Triebtäter oder jemand, der in Ausnahmesituationen handelt, wo das Frontalhirn nicht in der Lage war, die Handlung aufzuhalten.
Zitat von
Julian Braun
Geht es nur um die Ansicht, dass es keine mentale Verursachung gibt? (Was nach meinem jetzigen Kenntnisstand durchaus fraglich ist, die Frage ist eher, was man damit meint - also mit mental).
Ja, das ist die Frage.
Offenbar gibt es Bewusstsein.
Quasi das Licht, dass Teile der Welt beleuchtet oder einen Beobachter.
Ob es "Geist" oder das "mentale" auch unbewusst gibt, scheint mir schwer zu entscheiden.
Erwin Schrödinger hat darüber mehrere Jahrzehnte nachgedacht....
Läßt sich vermuten; welchen materiellen Vorgängen diese Fähigkeit zukommt, welchen nicht? Einfacher ausgedrückt: welche materiellen Vorgänge sind direkt mit Bewußtsein verknüpft?
Ein Verstandesmensch mag geneigt sein, dieFrage kurz abzutun. Nach unserer eigenen Erfahrung und nach Analogieschlüssen - für die höheren Tiere (so wird er sagen) sei Bewußtsein mit einer gewissen Art von Vorgängen in der organisierten, lebenden Materie verknüpft, mit gewissen Nervenfunktionen. Wie weit es in
der Tierreihe zurück oder ,,hinab“ Bewußtsein gibt, wie es in seinen ersten Stadien etwa be-schaffen sein möge, das sei eine überflüssige Spekulation; eine nicht zu beantwortende Frage; man solle das müßigen Träumern überlassen. Noch müßiger sei es, sich Gedanken darüber zu machen, ob etwa auch andere Vorgänge, auch in der unorganischen Materie, oder gar ob alles Geschehen überhaupt mit irgendwelcher Art von Bewußtsein verknüpft sei. Das wäre Phantasterei, ebenso unwiderlegbar wie unbeweisbar, also ohne jeden Erkenntniswert.
Wer dieses Beiseiteschieben der Frage akzeptiert, sollte gesagt bekommen, welche ungeheure Lücke er damit in seinem Weltbild unausgefüllt läßt. Das Auftreten von Nervensubstanz und von Gehirnen ist ein sehr spezielles Ereignis in der Organismenreihe, dessen Sein und Bedeutung wir recht gut verstehen. Es ist eine spezielle Form von Anpassungsmechanismus, wodurch sein Träger auf Alternativen in einer variablen Umwelt jeweils ,,günstig“ reagiert. Es ist der komplizierteste und kunstreichste unter allen solchen Mechanismen, dem, wenn er vorhanden ist, eine überragende, eine beherrschende Stellung zukommt, aber es ist nicht sui generis. Große Gruppen, vor allem die Pflanzen, erreichen sehr ähnliches auf ganz andere Weise.
Sollen wir uns nun bereit finden, zu glauben, daß diese ganz spezielle Wendung in der Entwicklung der höheren Tiere, diese Wendung, die füglich auch hätte unterbleiben können, notwendig war, damit die Welt sich selbst im Lichte der Bewußtheit aufleuchte? Wäre sie ohne das ein Spiel vor leeren Bänken geblieben, für niemanden vorhanden, und darum recht eigentlich nicht vorhanden? Das scheint mir der Bankrott eines Weltbildes. Hier einen Ausweg zu suchen, dürfen wir uns nicht hindern lassen, sollte auch rationalistische Weisheit darüber lächeln oder spotten.
http://www.quantum-cognition.de/texts/srod2.html
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[Hervorhebungen in Zitaten alle von mir]