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Thema: Libet-Experimente

  1. #31
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    Zitat Zitat von Pansapiens Beitrag anzeigen
    Wenn die QT vollständig ist, dann ist somit das Schicksal eines einzelnen Atoms nicht exakt vorbestimmt (wenn man mal der Kopenhagener Deutung folgt).
    Diese gewonnene Freiheit ist aber nur eine zufällige.
    Oder würdest Du einem instabilen Atom einen freien Willen zugestehen?
    ich würde ihm einen freien Willen zugestehen, ja. Innerhalb der Handlungsgrenzen, die so einem Atömchen möglich sind.

    Wie sollte denn eine Ansammlung von vielen Atomen (zB "Mensch" genannt) einen Willen her haben, wenn der nicht schon in den kleinsten Bausteinen angelegt ist?

    Man hält es ja auch für selbstverständlich, dass die Gesamtmasse des Menschen berechnet werden kann, indem man die Masse aller Atome zusammenzählt, aus der der Mensch besteht. und alle würden es absurd finden, masselose Atome zu haben, die sich dann zu einem Lebewesen mit Masse zusammenfügen. (und dann noch womöglich sowas behaupten wie, dass die komplexe Interaktion aller masselosen Atome erst die Masse erzeugt, oder so... absurd.)

  2. #32
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    Zitat Zitat von Pansapiens Beitrag anzeigen
    Ich vertrete weniger Auffassungen, als dass ich mir überlege, wie es sein könnte und prüfe, was für oder gegen bestimmte Auffassungen spricht.
    In Bezug auf das Köper-Geist-Problem habe ich da mehr Fragen als Antworten.
    in Bezug auf den freien Willen, habe ich durchaus den Eindruck, dass ich selbstbestimmt handle, kann das aber auf einer theoretischen Ebene kritisch hinterfragen und als Illusion begreifen.
    D´accord!

    Zitat Zitat von Pansapiens Beitrag anzeigen
    Wenn jemand etwas tut, was einem abwegig erscheint, fragt man doch oft "warum?'
    Da liegt doch die Denkweise zugrunde, dass auch Handlungen eine Ursache haben.
    Wenn Handlungen eine Ursache haben, dann sind die nicht frei.
    Wie die Libet- und Nachfolgeexperimente zeigen, kann man Handlungen auch stoppen, aber auch dieses Stoppen hat eine Ursache.
    Wenn nun jemand aus freiem Willen handelt, dann ist die Ursache der Handlung ein freier Wille.
    Der freie Wille selbst hat dann wohl keine Ursache sonst wäre er ja nicht frei, sondern verursacht.

    Beim Körper-Geist-Problem ist die Frage, inwiefern Köper und Geist [kausal] aufeinander einwirken.
    Kann das Bewusstsein auf den Köper zurückwirken, oder íst Bewusstsein nur ein Epiphänomen körperlicher Prozesse?
    Wird Bewusstsein verursacht durch ein genügend komplexes neuronales Netzwerk oder bedient sich Bewusstsein genügend komplexer neuronale Netzwerke, wird die Entwicklung komplexer neuronaler Netzwerke eventuell gar durch Bewusstsein verursacht?
    Hmm...
    Ich weiß nicht, ob Freiheit nur über vollständige Ursachenlosigkeit zu bestimmen ist - falls es das ist was du meinst, wenn du schreibst "Wenn Handlungen eine Ursache haben, dann sind die nicht frei".

    Körper-Geist: Ich kann da im Moment eher nur wiedergeben was ich wo lese, aber:
    Zum einen ist meine Eindruck der, dass das Problem der mentalen Verursachung in den neueren Ansätzen meist versucht wird dadurch zu lösen (oder zu vermeiden?), dass man eben gar keinen Substanz- oder Eigenschaftsdualismus mehr annimmt. D. h. mentale und physische Phänomene werden als nicht grundverschieden angesehen (--> Identitätstheorien).
    (Während der Epiphänomenalismus, soweit ich es verstanden habe, mit einem dualistischen Modell arbeitet, dann aber dem Geist eben jegliche Wirksamkeit abspricht. Das scheint wohl noch unbefriedigender zu sein als die Probleme, welche sich in den monistischen Modellen ergeben...)

    Was die Willensfreiheit angeht, unterscheidet Albert Newen ("Philosophie des Geistes - Eine Einführung", S.115 ff.) vier derzeit vertretene Positionen:
    1. Inkompatibilismus (1.1 harte Deterministen und 1.2 Libertarier) sowie 2. Kompatibilismus (2.1 skeptischer Kompatibilismus und 2.2 wissenschaftlicher Kompatibilismus). Aber da bin ich noch nicht weiter eingestiegen, v. a. was die Position 2.2 betrifft.

  3. #33
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    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    Hmm...
    Ich weiß nicht, ob Freiheit nur über vollständige Ursachenlosigkeit zu bestimmen ist - falls es das ist was du meinst, wenn du schreibst "Wenn Handlungen eine Ursache haben, dann sind die nicht frei".
    Ich habe nun festgestellt, dass ich wohl Inkompatibilist bin, und dass das, was ich mit diesem Satz ausdrücken wollte, hier besser formuliert ist:


    Das Freiheitsbild vieler Inkompatibilisten sieht also so aus: Freiheit kann es nur geben, wenn es neben dem Verursachtsein durch andere Ereignisse und dem bloßen Zufall noch etwas Drittes gibt – das Verursachtsein durch die Person selbst. Freiheit setzt voraus, dass es neben der "normalen" Ereigniskausalität noch eine andere Art von Kausalität gibt – Akteurskausalität. Frei ist in ihren Augen eine Handlung (oder Entscheidung) dann, wenn sie (a) zwar verursacht ist, aber nicht durch andere Ereignisse, sondern durch die Person selbst und wenn (b) die Tatsache, dass die Person diese Handlung (oder Entscheidung) verursacht, selbst nicht wieder durch andere Ereignisse kausal determiniert ist.


    [Hervorhebungen hier und in folgenden Zitaten von mir]

    http://www.philosophieverstaendlich....ausalität.html


    mein Zweifel an der Existenz einer solchen Akteurskausalität finde ich ebenfalls gut wiedergegeben:

    Wenn es Akteurskausalität tatsächlich gibt, dann können Akteure entweder auch da kausal eingreifen, wo die Ereignisse ansonsten naturgesetzlich determiniert sind, oder nur da, wo es in den Naturgesetzen Indeterminiertheitslücken gibt. Im ersten Fall würden erstens die Naturgesetze nicht ausnahmslos gelten. Und zweitens müsste Akteurskausalität in diesem Fall empirisch nachweisbar sein. Für beides gibt es keinerlei empirische Anhaltspunkte. Weder haben sich empirisch belegte Abweichungen von den normalen Naturgesetzen nachweisen lassen, noch hat je jemand z.B. ein neuronales Phänomen beobachtet, das nur dadurch erklärt werden konnte, dass eine Person es akteurskausal hervorgerufen hat.

    Wenn Akteurskausalität nur da zum Zuge kommen kann, wo es Indeterminiertheitslücken gibt, liegen die Dinge auch nicht besser. Zum einen stellt sich dann die Frage, ob die Wirkungen, die ein Akteur auf diese Weise hervorbringen kann, tatsächlich ausreichen, um makroskopische Phänomene wie die Bewegung einer Hand zustande zu bringen. (Wenn sich in einem Neuron ein einziges Atom auf eine bestimmte Weise verhält, hat das kaum einen Einfluss auf das Verhalten des gesamten Neurons. Und auch das Verhalten eines einzelnen Neurons hat in der Regel keinen Effekt auf das gesamte neuronal verursachte Verhalten. Wenn das so wäre, wäre das ganze System viel zu instabil.) Außerdem: Quantenphysikalische Phänomene mögen indeterminiert sein; aber auch für sie gelten gewisse Wahrscheinlichkeiten. Akteurskausale Eingriffe auf dieser Ebene müssten aber diese Wahrscheinlichkeiten verändern, und auch dafür gibt es keinerlei empirische Belege.


    Das Eingreifen eines "freien Willens" im Sinne einer Akteurskausalität, die in den durch Naturgesetze bestimmten Ablauf eingreifen kann oder probabilistische Indeterminiertheitslücken nutzt, erinnert mich übrigens an die Frage, inwieweit Gott in die Welt eingreifen kann. Beides wäre ein Eingriff von "außen":

    Wenn nicht andere Umstände festlegen, wie ich mich entscheide, sondern ich selbst diese Entscheidung herbeiführe, muss ich selbst offenbar ein Wesen sein, das außerhalb des normalen Weltverlaufs steht und in der Lage ist, von außen in diesen Weltverlauf einzugreifen. Die Auffassung, dass handelnde und entscheidende Personen nicht Teil der natürlichen Welt sind, sondern von außen in diese Welt eingreifen, ist aber mit allem unvereinbar, was uns die Naturwissenschaften über die Welt sagen.

    http://www.philosophieverstaendlich.de/freiheit


    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    Körper-Geist: Ich kann da im Moment eher nur wiedergeben was ich wo lese, aber:
    Zum einen ist meine Eindruck der, dass das Problem der mentalen Verursachung in den neueren Ansätzen meist versucht wird dadurch zu lösen (oder zu vermeiden?), dass man eben gar keinen Substanz- oder Eigenschaftsdualismus mehr annimmt. D. h. mentale und physische Phänomene werden als nicht grundverschieden angesehen (--> Identitätstheorien).
    (Während der Epiphänomenalismus, soweit ich es verstanden habe, mit einem dualistischen Modell arbeitet, dann aber dem Geist eben jegliche Wirksamkeit abspricht. Das scheint wohl noch unbefriedigender zu sein als die Probleme, welche sich in den monistischen Modellen ergeben...)
    Das, was ich als "epiphänomalistischer" Ansatz wiedergegeben habe, speist sich aus den Naturwissenschaften, bzw. dem, was ich darüber weiß:

    Theoretischer Hintergrund der Biologie, wie in den modernen Naturwissenschaften allgemein, ist meist ein materialistischer Ansatz. Als Studienobjekt fungieren zunächst physische Vorgänge, die als Grundlage von mentaler Tätigkeit und Verhalten angesehen werden. Der zunehmende Erfolg der Biologie als Erklärungsansatz mentaler Phänomene lässt sich vor allem durch das Ausbleiben einer Widerlegung der Grundannahme: „Keine Veränderung der mentalen Zustände eines Menschen ohne eine Veränderung seines Gehirns“ verstehen.

    Da mentale Zustände ihrer Natur nach subjektiv sind, ist klar, dass sich empirische Wissenschaften eher auf die messbaren physischen Vorgänge konzentrieren.
    Libet hat z.B. Änderungen eines elektrischen Feldes gemessen. Den Zugang zum mentalen Zustand versuchte er über Befragungen herzustellen.
    Das Modell, dass physische und mentale Zustände identisch sind, kann man sich in kankens Eisbergbild betrachten:
    Dem bewussten Beobachten ist nur der Teil des körperlich-mentalen Zustands zugänglich, der über der Wasserlinie liegt, die Entscheidung wurde allerdings schon vorher unter der Wasserlinie getroffen, bzw. die Willenshandlung begann mit physischen Vorgängen, die mit mentalen Zuständen identisch sind, die unbewusst sind.
    Wenn körperliche und mentale Zustände identisch sind, fragt sich dann, warum mir manche mentalen Zustände bewusst sind und andere nicht, bzw. ob unbewusste mentale Zustände überhaupt existieren.
    Grundsätzlich stelle ich mir die Frage, ob das Bewusstsein, (also der bewusste Teil des Bewusstseins) einen Vorteil bietet.
    Eventuell spielt es eine Rolle bei Lernprozessen.
    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    Geändert von Pansapiens (02-04-2018 um 17:35 Uhr)

  4. #34
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    Zitat Zitat von Pansapiens Beitrag anzeigen
    Ich habe nun festgestellt, dass ich wohl Inkompatibilist bin, ...
    Schwieriges Thema. Womit ich mir schwer tue, ist überhaupt genau zu verstehen, wie ein menschliches Leben, welches nur Determinierung und Zufall, aber keine Akteuerskausalität kennt, zu beschreiben wäre.
    Du hattest die Frage, ob quasi alles was Pansapiens gesagt, gedacht und getan hat und noch sagen, tun und denken wird "vorhersagbar" wäre, ja mit Referenz auf die Quantenphänomene verneint - wenn ich dich da richtig verstanden habe.
    Aber es bleibt für mich die Frage: wie ist ein komplexes Zusammenspiel aus Zufall und physikalischen Einflüssen mit Bezug auf menschliches Handeln denkbar, wenn wir die Ebene simpler Versuche wie Libet verlassen?

    Was sind Handlungs-, Entscheidungs-, Planungs- und Willensfreiheit überhaupt genau?
    Und wie sind soziale Beziehungen sinnvoll beschreibar und verstehbar ohne die Annahmen von Willensfreiheit?

    Geht es nur um die Ansicht, dass es keine mentale Verursachung gibt? (Was nach meinem jetzigen Kenntnisstand durchaus fraglich ist, die Frage ist eher, was man damit meint - also mit mental).

  5. #35
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    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    Schwieriges Thema.
    Womit ich mir schwer tue, ist überhaupt genau zu verstehen, wie ein menschliches Leben, welches nur Determinierung und Zufall, aber keine Akteuerskausalität kennt, zu beschreiben wäre.
    Was bedeutet hier "beschreiben"?

    Hier eine Beschreibung eines Geschehens:


    Die 16-Jährige Brenda Ann Spencer schoss am Montag, den 29. Januar 1979 mit einem halbautomatischen Gewehr aus einem Fenster ihres Elternhauses auf das gegenüberliegende Gelände der Grover Cleveland Elementary School in San Diego. Dabei tötete sie den Schulleiter Burton Wragg und den Hausmeister Mike Suchar und verletzte einen Polizisten und acht Schüler.

    Jetzt kann man noch weitere Menschen beobachten und feststellen, dass die eher selten mit Gewehren auf andere Menschen schießen.
    Man kann eine Statistik machen, wie oft Menschen mit Gewehren auf andere Menschen schießen und welche Begleitumstände da jeweils herrschen.
    Das wäre für mich eine Beschreibung.
    Da steckt noch nicht drin, warum Menschen bisweilen, aber meistens nicht, auf andere Menschen schießen.
    Der nächste Schritt wäre, aus den vorhandenen Daten Korrelationen herauszulesen, also ob die beobachteten Menschen, vielleicht häufiger unter bestimmten Begleitumständen auf andere Menschen schießen.
    Diese Begleitumstände können sowohl äußere ("ist grade Bürgerkrieg") wie auch innere (Weltanschauung, Testosteronspiegel, Genetischer Code, Traumaerfahrungen....)
    sein.
    Hier wird versucht Muster zu erfassen, gerade weil man meint, dass das Weltgeschehen nach berechenbaren Gesetzmäßigkeiten abläuft.
    Die Wiedergabe dieser Muster wäre auch noch die Beschreibung dessen, was man sieht.

    Dann kommt die Modellbildung: Man fragt sich, ob den Mustern eine Kausalbeziehung zwischen den verschiedenen Variablen und der Beobachtung zugrunde liegt.

    Meinst Du mit "Beschreiben" die Modellbildung? Ein Modell ist einerseits eine Erklärung für die beschriebenen Beobachtungen, andererseits natürlich auch die Beschreibung (angenommener) Wirkzusammenhänge.
    Wenn man ein Modell aufstellt, dann soll das idealerweise nicht nur geeignet sein, die Vergangenheit richtig zu erklären, sondern auch die Zukunft vorherzusagen.
    Das geht nur, wenn man annimmt, dass die Zukunft durch Gesetzmäßigkeiten, die in dem Modell angenommen werden, vorherbestimmt (determiniert) ist.
    Ansonsten hat das Modell eine Erklärungslücke.



    Entsprechend war die QT ein Schock für die empirischen Naturwissenschaften und z.B.: Einstein hat sich ja dagegen gesträubt ("der Alte würfelt nicht") dass etwas geben kann, was indeterminiert, echt "zufällig" geschieht.

    Zurück zu oben erwähnter Brenda Ann Spencer.

    Während der Schießerei wurde sie von einem Journalisten angerufen, dem sie als Grund für die Tat angab: „I don't like Mondays. This livens up the day.“ („Ich mag keine Montage. Das belebt den Tag.“) Nach über sechs Stunden beendete sie die Schießerei und wurde von einem SWAT-Team verhaftet. Auch bei ihrer Verhaftung sagte sie zu den Polizisten: „Nothing's happening today. I don't like Mondays.“ („Heute passiert nichts mehr. Ich mag keine Montage.“)

    Brenda Ann Spencer

    Nehmen wir an, diese Erklärung (eventuell Beschreibung einer mentalen Wahrnehmung) beschreibt die Zusammenhänge korrekt.
    Dann stellen wir fest, dass der Zustand "heute ist Montag" zusammen mit der Einstellung "Ich mag keine Montage" weder bei jedem Menschen, noch bei Brenda ein hinreichender (zwingender) Grund ist, andere Menschen mittels einer Schusswaffe zu töten.
    Die Tat war also nicht monokausal verursacht.
    Es ist wahrscheinlicher, dass es mehrere (eventuell unabhängige) Umstände gibt, die erst zusammentreffen mussten, dass Brenda so handelte, wie sie handelte.
    Ungefähr so:



    Verschiedene Umstände (die selbst wieder kausal bedingt oder zufällig sind) wirken also gleichzeitig auf den Menschen Brenda ein, dadurch entsteht ein Wille zu einer Handlung, der, falls die Rahmenbedingungen stimmen, in eine Handlung umgesetzt wird.
    Ich habe hier sowohl äußere (z.B. Wetter) wie auch innere (z.B.: genetische Disposition, Einstellung zu Montagen) Gegebenheiten aufgeführt.
    Auch die inneren Gegebenheiten fallen ja nicht vom Himmel, sondern sind kausal verursacht.
    (viele Leute mögen keine Montage, weil da die Arbeits-/Schulwoche wieder beginnt.)
    Dieser Input wird nun von Brenda verarbeitet und es entsteht daraus eine Entscheidung.
    Da hier viele Gegebenheiten in einem komplexen Gefüge von dem als Wesen oder Akteur wahrgenommenen Menschen Brenda aufgrund innerer (Vor-)Einstellungen verarbeitet werden, könnte man die individuelle Verarbeitung/Reaktion auf dieses Bündel von Umständen als "Akteurskausalität" verstehen, da ja verschiedene Menschen unter gleichen Bedingungen unterschiedliche Entscheidungen treffen, die Entscheidung also in dem Menschen begründet ist.
    Wenn man den Menschen allerdings als vollständig in der Welt angesiedelt betrachtet, dann sind seine individuellen Voreinstellungen ebenfalls wieder kausal bedingt oder bestenfalls zufällig und daher sehen Inkompatibilisten unter der Annahme, dass menschliche Wesen komplett in einer determinierten Welt bzw. einer Welt, die deren Determiniertheitslücken allenfalls zufällig sind, keine Möglichkeit für einen echten freien Willen, d.h. für ein Mosaiksteinchen in der Entscheidungsfindung, das weder selbst determiniert noch zufällig ist.
    Einen solchen echten freien Willen habe ich in obiger Grafik als weiteren Einflussfaktor mit Fragezeichen eingezeichnet.
    Selbst wenn der aus einer anderen (geistigen) Welt käme, könnte man die Frage stellen, wie diese Welt denn beschaffen sein müsste, dass der dort wiederum weder kausal determiniert noch rein zufällig ist.

    Lange Rede kurzer Sinn:
    Mir scheint, bei der Frage nach dem freien Willen geht es eher darum, was man nun unter freiem Willen versteht, als um die Frage, ob in einer determinierten, bzw. allenfalls teilweise zufälligen Welt ein "echter" freier Wille nach der Definition von Inkompatibilisten existieren kann.

    es gibt ja bezüglich der Definition von Willensfreiheit verschiedene Ansätze, hier von der weiter vorne verlinken Seite:


    Eine Person ist in ihrem Wollen frei, wenn sie die Fähigkeit hat, ihren Willen zu bestimmen,
    zu bestimmen, welche Motive, Wünsche und Überzeugungen handlungswirksam werden sollen.
    [...]
    Willensfreiheit nach Moore
    Eine Person ist in ihrem Wollen frei, wenn sie wollen kann, was sie wollen will.
    [...]
    Willensfreiheit nach Frankfurt
    Eine Person ist in ihrem Wollen frei, wenn auf der erste Stufe die Wünsche handlungswirksam werden, von der sie auf der zweiten Stufe will, dass sie handlungswirksam werden.
    [...]
    Willensfreiheit nach Locke
    Eine Person ist in einer Entscheidung frei, wenn sie erstens die Fähigkeit besitzt, vor der Entscheidung innezuhalten und zu überlegen, was zu tun richtig wäre, und wenn sie zweitens die Fähigkeit besitzt, dem Ergebnis dieser Überlegung gemäß zu entscheiden und zu handeln.


    Als Ergänzung die Auffassung von Max Planck, der ja noch an die Determiniertheit der Welt glaubte und Willensfreiheit als Frage der Perspektive ansah:

    Der äußere Standpunkt ist für die wissenschaftliche Untersuchung der Gesetzlichkeit von Willensvorgängen geeignet, der innere Standpunkt ist es nicht. Es versteht sich von selbst, dass diese beiden Standpunkte sich gegenseitig ausschließen und dass es sinnlos ist, beide gleichzeitig zu benutzen. Wenn wir nun von dem hierfür allein zulässigen äußeren Standpunkt aus an die wissenschaftliche Betrachtung der Willensvorgänge herangehen, so lehrt uns die alltägliche Erfahrung, dass wir im Umgang mit anderen Menschen bei allen ihren Reden und Handlungen stets bestimmte Motive, also kausale Determiniertheit voraussetzen; denn sonst wäre ihr Verhalten unberechenbar und jeder geordnete Verkehr mit ihnen unmöglich. Auch die wissenschaftliche Forschung verfährt nicht anders. Wenn ein Historiker den Entschluss Julius Cäsars, den Rubikon zu überschreiten, nicht auf seine politischen Überlegungen und sein angeborenes Temperament, sondern auf seine Willensfreiheit zurückführen wollte, so würde das einfach den Verzicht auf ein wissenschaftliches Verständnis bedeuten. Darum werden wir schließen müssen, dass der Wille vom äußeren Standpunkt der Betrachtung aus als kausal determiniert anzunehmen ist.

    „Ganz anders steht es mit dem inneren Standpunkt. Hier versagt, wie wir sahen, die wissenschaftliche Betrachtungsweise. Dafür tut sich aber hier eine andere Erkenntnisquelle auf, nämlich das Selbstbewusstsein. Dieses sagt uns unmittelbar, dass wir in jedem Augenblick, wie unseren Gedanken, so auch unserem Willen jeden beliebigen Inhalt geben können, sei es nach reiflicher Überlegung, sei es nach Gutdünken, oder auch aus reiner Laune. Dabei ist wohl zu beachten, dass es sich hier nicht etwa um eine Willensbetätigung handelt, die ja oft durch äußere Umstände gehemmt wird, sondern allein um die gesinnungsmäßige Willensrichtung. In dieser verfügen wir vollkommen frei. Man denke nur an den stillschweigenden Vorbehalt, den wir bei jedem von uns gesprochenen Wort machen können, die sogenannte reservatio mentalis. Das ist eine wirkliche, unmittelbar zu erlebende, keine nur scheinbare Freiheit, wie manche behaupten, weil sie die beiden entgegengesetzten Standpunkte nicht auseinanderhalten können. Wer freilich nach der ,wirklichen‘ Willensfreiheit fragt, ohne auf den eingenommenen Standpunkt Rücksicht zu nehmen, der verfährt nicht anders als jemand, der ohne nähere Erläuterung die Frage aufwirft, welche Seite dieses Saales ‚wirklich’ die rechte ist…

    „Zusammenfassend können wir also sagen: Von außen betrachtet ist der Wille kausal determiniert, von innen betrachtet ist der Wille frei. Mit der Feststellung dieses Sachverhaltes erledigt sich das Problem der Willensfreiheit. Es ist nur dadurch entstanden, dass man nicht darauf geachtet hat, den Standpunkt der Betrachtung ausdrücklich festzulegen und einzuhalten. Wir haben hier ein Musterbeispiel für ein Scheinproblem. Wenn diese Wahrheit gegenwärtig auch noch mehrfach bestritten wird, so besteht doch für mich kein Zweifel darüber, dass es nur eine Frage der Zeit ist, wann sie sich zur allgemeinen Anerkennung durchringen wird.“


    http://www.solon-line.de/2007/12/27/...-determiniert/



    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    Du hattest die Frage, ob quasi alles was Pansapiens gesagt, gedacht und getan hat und noch sagen, tun und denken wird "vorhersagbar" wäre, ja mit Referenz auf die Quantenphänomene verneint - wenn ich dich da richtig verstanden habe.
    Mein Handeln ist wohl weitgehend vorhersagbar, wenn ich allerdings vollständig in einer Welt bin, die durch die QT vollständig beschrieben wird, dann gibt es die erwähnten Determiniertheitslücken.
    Wie groß sich die jetzt auf mein Handeln auswirken, ist fraglich, da das ja meist mikroskopische Vorgänge handelt und wenn mein Erkenntnisapparat all zu zufällig arbeiten würde, hätten meine Vorfahren eventuell nicht lange genug überlebt, um sich fort zu pflanzen.
    Allerdings kann man sich Szenarien ausdenken, in der solche Phänomene eine starke makroskopische Wirkung entfalten.
    Wenn man z.B. mittels Schrödingers Katzentötungsapparat nicht zwingend Giftgas freisetzt sondern eine Nuklearwaffe zündet, abhängig davon, ob das instabile Atom in einer geraden oder einer ungeraden Sekunde einer Zeitmessung zerfällt....

    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    Aber es bleibt für mich die Frage: wie ist ein komplexes Zusammenspiel aus Zufall und physikalischen Einflüssen mit Bezug auf menschliches Handeln denkbar, wenn wir die Ebene simpler Versuche wie Libet verlassen?
    Auch wenn wir den echten Zufall mal außen vorlassen, der ja eine Determiniertheitslücke öffnet und damit eventuell als Argument pro Freiheit, wenn auch nicht Willensfreiheit angesehen werden kann...
    Dann ist es schon schwierig genug festzustellen, wie ein komplexes neuronales Netzwerk auf die Umwelt reagiert.
    Diese Dinger (KI) zeichnen sich ja meines Wissens eher dadurch aus, das man nicht mehr genau weiß, was passiert. Zwischen theoretischer Vorhersagbarkeit und tatsächlicher Vorhersagbarkeit klaffen gewaltige Lücken.
    Wettervorhersage, Dreikörperproblem, Doppelpendel...



    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    Was sind Handlungs-, Entscheidungs-, Planungs- und Willensfreiheit überhaupt genau?
    Definitionen zu Willensfreiheit siehe oben.
    Handlungsfreiheit: Möglichkeit, das, was man denn will, auch umzusetzen. (Schopenhauer: "man kann tun, was man will, man kann aber nicht wollen, was man will")
    Siehe die Brenda-Grafik: Hätte Brenda kein Gewehr gehabt, hätte sie ihren Willen nicht in eine Handlung umsetzen können.
    Entscheidungsfreiheit: Wenn eine Handlung nicht alternativlos ist.
    Planungsfreiheit: Das hängt wohl vom Vorstellungsvermögen ab. Ich kann z.B. planen, morgen um 5:00 aufzustehen. Ob ich das dann morgen um 5:00 Uhr auch noch will, oder kann (Wecker kaputt), steht auf einem anderen Blatt...
    Siehe Vorsätze zu Neujahr...

    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    Und wie sind soziale Beziehungen sinnvoll beschreibar und verstehbar ohne die Annahmen von Willensfreiheit?
    Kann dazu führen, dass man sich über seine Mitmenschen weniger ärgert.
    Das ist IMO wieder eine Frage der Perspektive.
    Siehe die Ausführungen von Max Planck:

    Wenn wir nun von dem hierfür allein zulässigen äußeren Standpunkt aus an die wissenschaftliche Betrachtung der Willensvorgänge herangehen, so lehrt uns die alltägliche Erfahrung, dass wir im Umgang mit anderen Menschen bei allen ihren Reden und Handlungen stets bestimmte Motive, also kausale Determiniertheit voraussetzen; denn sonst wäre ihr Verhalten unberechenbar und jeder geordnete Verkehr mit ihnen unmöglich.

    Sinnvolle soziale Beziehungen setzen also einen gewisse Berechenbarkeit der Handlungen der anderen voraus. Es gab ja schon Leute, die meinten, wir Menschen hätten so große Gehirne, um die Absichten unserer Mitmenschen abschätzen zu können.
    Leute, die auf übliche Umstände nicht innerhalb erwarteter Parameter reagieren, werden eher aus der Gesellschaft entfernt (Brenda sitzt noch im Knast).
    Da wir von idealen Geistern weit entfernt sind, können wir andere Menschen durchaus als Wesen behandeln, die mittels eines komplexen neuronalen Netzwerks Umweltbedingungen und innere Zustände in einer Art und Weise in Handlungen umsetzen, die für uns nicht determiniert erscheint.
    Wir sind ja, selbst wenn, keine stumpfen Automaten, sondern reagieren auf vielerlei Inputs und sind auch Lernfähigkeit, d.h. wir können unsere Reaktion anpassen, wenn
    die nicht zum gewünschten Ergebnis führt.
    Daher sehe ich auch bei Leugnung eines freien Willens nicht die üblich thematisierten Probleme bezüglich des Strafrechts.
    Denn eine zu erwartende Strafe ist eine Veränderung der Umweltbedingungen, die zu einer Veränderung der Handlungen führt, sofern der andere in der Lage ist, den Zusammenhang zwischen Handlung und Konsequenz zu verstehen und dies eine Auswirkung auf seine Handlungen haben kann.
    Bei einem Kind, dessen Erkenntnisapparat die Zusammenhänge nicht erkennen und daher nicht entsprechend reagiert, ist diese Form der Entscheidungsfreiheit genauso wenig gegeben, wie bei einem Triebtäter oder jemand, der in Ausnahmesituationen handelt, wo das Frontalhirn nicht in der Lage war, die Handlung aufzuhalten.


    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    Geht es nur um die Ansicht, dass es keine mentale Verursachung gibt? (Was nach meinem jetzigen Kenntnisstand durchaus fraglich ist, die Frage ist eher, was man damit meint - also mit mental).
    Ja, das ist die Frage.
    Offenbar gibt es Bewusstsein.
    Quasi das Licht, dass Teile der Welt beleuchtet oder einen Beobachter.
    Ob es "Geist" oder das "mentale" auch unbewusst gibt, scheint mir schwer zu entscheiden.

    Erwin Schrödinger hat darüber mehrere Jahrzehnte nachgedacht....

    Läßt sich vermuten; welchen materiellen Vorgängen diese Fähigkeit zukommt, welchen nicht? Einfacher ausgedrückt: welche materiellen Vorgänge sind direkt mit Bewußtsein verknüpft?

    Ein Verstandesmensch mag geneigt sein, dieFrage kurz abzutun. Nach unserer eigenen Erfahrung und nach Analogieschlüssen - für die höheren Tiere (so wird er sagen) sei Bewußtsein mit einer gewissen Art von Vorgängen in der organisierten, lebenden Materie verknüpft, mit gewissen Nervenfunktionen. Wie weit es in
    der Tierreihe zurück oder ,,hinab“ Bewußtsein gibt, wie es in seinen ersten Stadien etwa be-schaffen sein möge, das sei eine überflüssige Spekulation; eine nicht zu beantwortende Frage; man solle das müßigen Träumern überlassen. Noch müßiger sei es, sich Gedanken darüber zu machen, ob etwa auch andere Vorgänge, auch in der unorganischen Materie, oder gar ob alles Geschehen überhaupt mit irgendwelcher Art von Bewußtsein verknüpft sei. Das wäre Phantasterei, ebenso unwiderlegbar wie unbeweisbar, also ohne jeden Erkenntniswert.

    Wer dieses Beiseiteschieben der Frage akzeptiert, sollte gesagt bekommen, welche ungeheure Lücke er damit in seinem Weltbild unausgefüllt läßt. Das Auftreten von Nervensubstanz und von Gehirnen ist ein sehr spezielles Ereignis in der Organismenreihe, dessen Sein und Bedeutung wir recht gut verstehen. Es ist eine spezielle Form von Anpassungsmechanismus, wodurch sein Träger auf Alternativen in einer variablen Umwelt jeweils ,,günstig“ reagiert. Es ist der komplizierteste und kunstreichste unter allen solchen Mechanismen, dem, wenn er vorhanden ist, eine überragende, eine beherrschende Stellung zukommt, aber es ist nicht sui generis. Große Gruppen, vor allem die Pflanzen, erreichen sehr ähnliches auf ganz andere Weise.

    Sollen wir uns nun bereit finden, zu glauben, daß diese ganz spezielle Wendung in der Entwicklung der höheren Tiere, diese Wendung, die füglich auch hätte unterbleiben können, notwendig war, damit die Welt sich selbst im Lichte der Bewußtheit aufleuchte? Wäre sie ohne das ein Spiel vor leeren Bänken geblieben, für niemanden vorhanden, und darum recht eigentlich nicht vorhanden? Das scheint mir der Bankrott eines Weltbildes. Hier einen Ausweg zu suchen, dürfen wir uns nicht hindern lassen, sollte auch rationalistische Weisheit darüber lächeln oder spotten.


    http://www.quantum-cognition.de/texts/srod2.html


    ----------------------------------------
    [Hervorhebungen in Zitaten alle von mir]
    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    Geändert von Pansapiens (07-04-2018 um 11:31 Uhr)

  6. #36
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    @pansapiens

    Ein Nachgedanke zum Epiphänomenalismus:
    Soweit ich diesen verstehe, werden dabei mentale Phänomen als reine Begleiterscheinungen der neuronalen Prozesse angesehen, welche eben keine kausale Wirkung ausüben.
    Das Problem ist dabei Folgendes: Person A erzählt Person B einen Witz, woraufhin Person B lacht. Bei Anerkennung einer mentalen Verursachung ist das Ablaufschema einleuchtend und simpel: a) Witz wird erzählt b) Witz wird "verarbeitet" und als lustig empfunden (mentaler Zustand) c) es wird Lachen ausgelöst (physischer Zustand). In einem epiphänomenalistischen Szenario ist dies aber nicht möglich. Hier haben wir den sehr unglaubwürdigen Ablauf a) Witz wird erzählt (physisches Ereignis) b) Lachen wird ausgelöst (physisches Ereignis) c) Heiterkeit wird begleitend empfunden (mentales Phänomen).
    Das Auslösen des Lachens müsste dabei ja rein durch die Schallfrequenz, Tonhöhe etc. erfolgen, oder nicht? Denn eine mentale Rückwirkung aufgrund des eigentlichen Witzes welche zum Lachen führt, ist ja ausgeschlossen. Überhaupt scheint mir die Bedeutung von Sprache damit nicht erfasst werden zu können, und das Beispiel ließe sich natürlich auch auf Befehle, Bitten etc. übertragen.
    Wenn nicht die Bedeutung als Auslöser angesehen wird, was dann? (Dabei kann das Szenario ja noch zugespitzt werden, wenn A und B beispielsweise gar nicht sehen, sondern z. B. nur hören, und auch die Stimmmodulation kann ja weitgehend neutral gehalten werden.) Wie können in diesem Fall die Gehirnzustände zweier Personen aufeinander einwirken?

  7. #37
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    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    @pansapiens

    Ein Nachgedanke zum Epiphänomenalismus:
    Soweit ich diesen verstehe, werden dabei mentale Phänomen als reine Begleiterscheinungen der neuronalen Prozesse angesehen, welche eben keine kausale Wirkung ausüben.
    Unabhängig davon, ob Dein Verständnis der korrekten Definition dieses -Ismus entspricht, meine ich, dass das dies der aktuellen naturwissenschaftlichen Sicht* auf diese Prozesse und deren Phänomenen entspricht.
    (kann mich natürlich irren, eventuell hast Du da (inzwischen) einen besseren Einblick.)
    ---------------------------------------------------------------------------------------------------------------

    *"aktuelle naturwissenschaftliche Sicht" meint hier nicht, dass diese Vorstellung naturwissenschaftlich bewiesen sei, sondern eher, dass dies einer Mehrheitsmeinung der Vertreter von naturwissenschaftlichen Disziplinen entspricht, die sich mit neuronalen Prozessen und Phänomenen von biologischen oder künstlichen neuronalen Netzwerken beschäftigen.



    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    Das Problem ist dabei Folgendes: Person A erzählt Person B einen Witz, woraufhin Person B lacht. Bei Anerkennung einer mentalen Verursachung ist das Ablaufschema einleuchtend und simpel: a) Witz wird erzählt b) Witz wird "verarbeitet" und als lustig empfunden (mentaler Zustand) c) es wird Lachen ausgelöst (physischer Zustand). In einem epiphänomenalistischen Szenario ist dies aber nicht möglich. Hier haben wir den sehr unglaubwürdigen Ablauf a) Witz wird erzählt (physisches Ereignis) b) Lachen wird ausgelöst (physisches Ereignis) c) Heiterkeit wird begleitend empfunden (mentales Phänomen).
    ich bau mal das zweite Szenario um:

    a.) Witz wird erzählt b.) Witz wird verarbeitet und als lustig bewertet c.) es wird Lachen ausgelöst d) Heiterkeit wird begleitend empfunden (mentales Phänomen).

    Eine "Bewertung" im Sinne von Einordnen von Input in bestimmte Kategorien (kalt/warm) und eine entsprechende Reaktion traut man gemeinhin ja auch einer unbewussten Maschine mit entsprechendem Regelsystem zu (Von der Heizung bis zum autonom gesteuerten Auto).
    Oder wäre das dann schon ein "mentaler Prozess"?



    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    Das Auslösen des Lachens müsste dabei ja rein durch die Schallfrequenz, Tonhöhe etc. erfolgen, oder nicht? Denn eine mentale Rückwirkung aufgrund des eigentlichen Witzes welche zum Lachen führt, ist ja ausgeschlossen.
    Überhaupt scheint mir die Bedeutung von Sprache damit nicht erfasst werden zu können, und das Beispiel ließe sich natürlich auch auf Befehle, Bitten etc. übertragen.
    Wenn nicht die Bedeutung als Auslöser angesehen wird, was dann?
    Es gibt doch schon Spracherkennungsprogramme und Sprachsteuerung.
    Also kann man einer einfachen Maschine Befehle geben, so dass die z.B. auf die Worte "Hell" und "Dunkel" entweder das Licht an oder ausschaltet, ohne eine Vorstellung oder weitergehende Bedeutung von "Hell" oder "Dunkel" zu haben/kennen.
    Semantik (Bedeutungslehre) ist ja ein weites Feld und auch die theoretische Informatik beschäftig sich damit, daher weiß ich nicht, ob "Bedeutung" tatsächlich einen mentalen Prozess voraussetzt.

    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    (Dabei kann das Szenario ja noch zugespitzt werden, wenn A und B beispielsweise gar nicht sehen, sondern z. B. nur hören, und auch die Stimmmodulation kann ja weitgehend neutral gehalten werden.) Wie können in diesem Fall die Gehirnzustände zweier Personen aufeinander einwirken
    Der Hirnzustand von A erzeugt einen Datenstrom der in Hirn B eine Zustandsänderung hervorruft.
    Irgendeine Information wird ja übertragen werden.
    Diese Information wird im Hirn B verarbeitet und dann entweder als lustig bewertet oder nicht.

    hier mal Skizzen Deiner Szenarien (1. und 2.).
    Ich habe die mentalen Prozesse/Zustände blau bezeichnet und ohne Wertung die mentalen Zustände auf einer Ebene über den physischen dargestellt.
    3.) und 4.) sind detailliertere Darstellungen der "epiphänomenalistischen" Interpretation.
    5.) lässt die kausale Beeinflussung mal (mit einer Ausnahme) offen so dass die mentalen Phänomene als andere Seite der physischen Zustände interpretiert werden können.

    Angehängte Grafiken Angehängte Grafiken
    Geändert von Pansapiens (14-04-2018 um 08:08 Uhr)

  8. #38
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    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    Bei Anerkennung einer mentalen Verursachung ist das Ablaufschema einleuchtend und simpel: a) Witz wird erzählt b) Witz wird "verarbeitet" und als lustig empfunden (mentaler Zustand) c) es wird Lachen ausgelöst (physischer Zustand).

    Pointe hören, lustig finden, lachen.
    Hinter dieser so alltäglichen und selbstverständlich erscheinenden Kausalkette steckt ein aufwendiger kognitiver Prozess.
    Nach der so genannten Inkongruenztheorie basiert Humor auf der Wahrnehmung einer Unstimmigkeit, eines Paradoxons.
    Einen verbalen, also gelesenen oder erzählten Witz, zu verstehen, verlangt mehrere gedankliche Schritte. In der ersten Phase stellen wir Spekulationen
    über den logischen Ausgang der Geschichte an, die dann durch ein unerwartetes Ende über den Haufen geworfen werden.
    Zunächst ergibt die Pointe, da sie nicht in den Kontext passt, keinen Sinn.
    Wie Mr. Spock ganz richtig erkannte: Sie ist unlogisch!
    Ob der Inkongruenz sind wir einen kurzen Moment perplex, doch dann macht sich das Gehirn an die Lösung des Problems.
    Wir verlassen den bisherigen Standpunkt und suchen nach einem Blickwinkel, aus dem die Pointe mit dem Rest der Geschichte in Einklang steht.
    Auf der dritten Stufe fällt uns dann auf, dass der Sinn, den der Witz durch die veränderte Sichtweise bekommt,vielleicht nicht besonders nahe liegend, aber doch vergnüglich ist – und quittieren die überraschende Erkenntnis zumindest mit einem Schmunzeln.


    Ähnlich wie Libet beim Fingerheben haben da auch schon Leute beim Witzeverstehen verschiedene Gehirnparameter gemessen:

    Etwa eine fünftel Sekunde nach der Pointe schlugen die elektrischenPotenziale plötzlich durchgehend in den positiven Bereich aus.
    Weitere 140 Millisekunden später schwang das Pendel ebenso abrupt in die Gegenrichtung, die Hirnströme wurden jetzt negativ.
    Letzteres allerdings nur, wenn die Versuchspersonen den Witz erfassten und auch lachten.
    Blieb dieser Wechsel vom so genannten P300- zum N400-Muster aus, sorgten die Pointen höchstens
    für müdes Grinsen, jedoch nie für einen echten Heiterkeitsausbruch.
    Anhand der Hirnstrommessungen konnte Derks vorhersagen, ob seine Probanden einen Witz lustig finden würden, und
    zwar noch bevor der kleinste Anflug eines Lächelns über deren Antlitz huschte.
    [...]
    Das Gehirn macht sozusagen eine Vollbremsun und stoppt die gerade laufenden mentalen [?] Prozesse, um Kapazitäten für
    neue Gedankengänge zu schaffen. Übertragen auf die Inkon gruenztheorie entspricht das der Phase, in der sämtliche
    bisher angestellten Erwartungen über den Ausgang des Witzes aufgegeben werden.
    Die Reset-Taste.
    Negative Ausschläge des EEG repräsentieren neuronale Erregung.
    Um im Bild des Autos zu bleiben, steht die N400-Welle also für den Tritt aufs Gaspedal.
    Die Nervenzellen werden wieder von der Leine gelassen, können neuen Ideen nachgehen und so die geistige
    Wendung vollziehen, die zum Begreifen
    der Pointe nötig ist.


    Wenn das stimmt, dann geht der Prozess "lustig finden" mit messbaren physischen Gehirnprozessen einher.
    Zur "korrekten" Bewertung "Lustig", ist wohl das rechte Frontalhirrn wichtig. Leute, die in diesem Bereich eine Schädigung aufweisen, haben damit Probleme:

    Drei Jahre lang verglich die Neuropsychologin [Prathiba Shammi] das Humorverständnis hirngeschädigter Patienten mit dem gesunder Probanden.
    In einer Art Multiple-Choice-Test präsentierte sie den Versuchsteilnehmern Witze mit verschiedenem Ausgang:
    Erstens einem logischen, aber nicht humorigen Schluss,
    zweitens der eigentlichen Pointe und
    drittens einem Slapstick-Ende.
    Ein Beispiel:
    Ein Schüler bewirbt sich um einen Ferienjob. »Am Anfang bekommst
    du 150 Euro die Woche«, sagt der Chef.
    »Nach einem Monat steigt derLohn dann auf 200 Euro.«

    1. »Ich nehme den Job. Wann kann ich
    anfangen?«
    2. »Oh, großartig. Dann komme ich in
    einem Monat wieder.«
    3. »Hey Chef, Ihre Nase ist zu groß für
    Ihr Gesicht.«

    Aufgabe war, die lustigste Variante auszuwählen.
    Sowohl Gesunde als auch Personen mit einer Hirnschädigung außerhalb des rechten Frontalcortex vervollständigten
    die Witze immer mit der passenden Pointe und amüsierten sich dabei auch dementsprechend.
    Den Versuchsteilnehmern mit einer Verletzung des rechten Frontallappens gelang das nicht, in der Regel entschieden sie sich für das Slapstick-Ende.
    [...]
    Wie Shammi vermutet, entgehen ihnen anspruchsvollere Witze, weil sie den zum Verständnis unabdingbaren mentalen Sprung in eine andere Perspektive nicht vollziehen können. Dabei sind die hirngeschädigten Probanden aber nach wie vor in der Lage, vernünftige Schlussfolgerungen zu ziehen.
    Als die Forscherin sie bat, der Geschichte das logische Ende zuzuordnen, hatten sie keinerlei Probleme.
    Shammis ursprüngliche Vermutung ist damit bestätigt:
    Der rechte Frontalcortex muss unmittelbar mit dem Sinn für Humor zusammenhängen.
    Ist er beschädigt, erkennt das Gehirn nicht, was wirklich lustig ist.


    Wenn nun die Fähigkeit zum "lustig finden" eng mit der korrekten Funktion eines physischen Gehirnareals zusammenhängt, bei Leuten, die ansonsten keine Probleme haben, Zusammenhänge zu verstehen, erscheint die Einordung "lustig finden" als rein mentaler Prozess, der dann wieder auf das physische zurückwirkt, fraglich.

    Quelle:
    https://www.google.de/url?sa=t&rct=j...b6mf9GcnkICUlv

  9. #39
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    Standard Zuckerbrot und Peitsche, Freude und Schmerz

    Der Knackpunkt scheint mir die Frage zu sein, ob ein Witz auch von rein physischen Prozessen oder einer Maschine als "lustig" verstanden werden kann und eine entsprechende Reaktion zeigen, ohne dass diese innere Wahrnehmung vorhanden ist.
    Dann wäre diese innere Wahrnehmung nicht notwendig, damit ein Witz eine entsprechende Reaktion auslöst und der Hinweis auf dieses Phänomen kein zwingender Beweis, dass es mentale Verursachung tatsächlich gibt.

    Falls ja, stellt sich weiter die Frage nach dem "Sinn" der Heiterkeitsempfindung oder ob das nur eine angenehme Begleiterscheinung ist.
    So wie ich mich schon gefragt habe, ob es einen Sinn hat, dass einem bestimmte Dinge, die zum Selbst- oder Arterhalt beitragen (Essen, Sex...) Spaß machen und
    solche, die abträglich sind (Gewebsschädigungen, Gefahren..) eher als unangenehm empfunden werden.

    Einer Auster wird ja z.B. - zumindest von Leuten die gerne lebende Austern essen - unterstellt, dass das Zurückziehen bei Kontakt mit Zitronensäure, eine rein automatische Reaktion sei, die nicht mit einer entsprechenden Empfindung von Schmerz begleitet sei.
    Ebenso wird Pflanzen mangels Nervensystem üblicherweise Empfindungsfähigkeit abgesprochen, auch wenn die auf Verletzungen reagieren und diese Verletzungen auch an Artgenossen kommunizieren. Würde diese Kommunikation akustisch stattfinden, anstatt chemisch, würde das eventuell anders bewertet.
    Plakativ gesprochen: würden Schnittblumen beim Schneiden schreien....würden Blumenhändler darauf hinweisen, dass das sich nur anhört wie eine Schmerzempfindung, diese mangels entwickeltem Nervensystem allerdings nicht möglich sei.

    Beim Menschen scheint es zunächst offensichtlich, dass bewusste Emotionen, also mentale Zustände, Handlungen, also physische Zustandsänderungen bedingen.

    Wir meiden Schmerz und suchen Freude.
    Oder meiden wir nur Situationen, die schädigend sind und mit einer Schmerzempfindung einhergehen?

    Nehmen wir die Herdplatte:
    Hand auf heiße Herdplatte => Gewebsschädigung => Schmerz (mentale Wahrnehmung) => Zurückziehen der Hand

    Bei Wikipedia steht:

    Der Griff an einen unerwartet heißen Gegenstand bewirkt tatsächlich ein Zurückziehen der Hand, noch bevor der Schmerz überhaupt bewusst wird (auch wenn man sich in Nachhinein vielleicht denkt, man habe aufgrund des Schmerzes gehandelt)

    https://de.wikipedia.org/wiki/Schmer..._im_Rückenmark

    Zumindest in diesem Fall wäre also die bewusste Schmerzwahrnehmung nicht nötig, um die Hand in Sicherheit zu bringen.
    (Ist die eventuell (bei Menschen) nötig, um aus der Erfahrung zu lernen? Wurde das schon mal untersucht?)

    Wie sieht es mit Spaß aus?
    Der Spaß an Drogen, Sex, Essen scheint ja eine große Wirkung auf unser Verhalten zu haben.
    Es gibt da ja das berühmte Rattenexperiment, wo man den Nagern Elektroden in's "Belohnungzentrum" im Gehirn pflanzte, das für die psychische Wirkung der oben genannten Dinge als zentral galt, und denen einen Hebel zur Verfügung stelle, mit denen sie dieses Zentrum stimulieren konnten.






    Just over fifty years ago, psychologists James Olds and Peter Milner, working at McGill University in Canada, carried out their pioneering experiments which discovered that rats would repeatedly press levers to receive tiny jolts of current injected through electrodes implanted deep within their brains (Olds and Milner, 1954). Especially when this brain stimulation was targeted at certain areas of the brain in the region of the septum and nucleus accumbens, the rats would repeatedly press the lever -- even up to 2000 times per hour (Olds, 1956).

    The Functional Neuroanatomy of Pleasure and Happiness



    angeblich sollen die über das dauernde Hebeldrücken beinahe verhungert sein.
    Wenn man von einer mentalen Verursachung ausgeht, dann war ihnen das durch das Hebeldrücken ausgelöste Gefühl wichtiger als das Überleben.
    Da hat man dann wohl gemeint, die Ratten drücken den Hebel so oft, weil die Spaß empfinden (also mentale Verursachung).

    These powerful findings seemed to suggest that Olds and Milner had discovered the pleasure Center in the brain. Research in the next two decades established that dopamine is one of the main chemicals aiding neural signaling in these regions, and for many years dopamine was suggested to be the brain’s “pleasure chemical.” The results seemed to promise an easy fix to the unhappiness and suffering which is the traveling companion of far too many people. They certainly emboldened writers to envisage brave new worlds where drugs and electrical stimulation could induce bliss for the masses.


    Allerdings:

    Subsequent human experiments suggest otherwise. Around the same time in the 1950s and 1960s, American psychiatrist Robert Heath at Tulane University took it upon himself to further these findings in some ethically questionable experiments on mentally ill human patients (Baumeister, 2000). Infamously, in one case he even implanted electrodes to try to cure homosexuality (Heath, 1972). This line of research was eventually stopped. Most substantively, however, the pleasure electrodes may never have lived up to their name. Although the researchers also found compulsive lever pressing in some patients, it was never clear from these patients’ subjective reports that the electrodes did indeed cause real pleasure. Some researchers today suggest that the electrodes never caused intense pleasure or ‘liking’ after all, but only a form of ‘wanting’ or motivation to obtain the stimulation (see discussion in Green et al., 2010; Smith et al., 2010).


    Also Menschen, die im Gegensatz zu Ratten ja von ihren inneren Zustände berichten können, empfanden eher ein "Wollen" und eine "Motivation", als Vergnügen.
    Eine Wahrnehmung des "Wollens" kann ja nun wieder als mentale Begleiterscheinung, bzw. das Gewahrwerden eines physischen Zustands interpretiert werden, ohne dass eine mentale Verursachung angenommen werden muss.
    Da wäre dann nicht der mentale Zustand "Glück" der Auslöser den Hebel zu drücken.
    Durch die Elektroden im Gehirn wird der Wille verursacht, den Hebel zu drücken und das wird von dem Gefühl eines "Wollens" begleitet.

    Die Zitate stammen aus einem Review aus dem Jahr 2010, das zeigt, dass die neuroanatomischen Grundlangen der Empfindungen von "Freude" und "Glück" recht komplex sind und in dem diese unterschieden werden, von Empfindungen des "Mögens" und des "Wollens".
    Das hängt zwar teilweise zusammen aber man kann auch Dinge wollen, die man nicht mag und die einem auch keine Freude bereiten.

    In addition, as mentioned above, pleasure is translated into motivational processes in part by activating a second component of reward termed ‘wanting’ or incentive salience, which makes stimuli attractive when attributed to them by mesolimbic brain systems (Berridge and Robinson, 2003). Incentive salience depends in particular on mesolimbic dopamine neurotransmission (though other neurotransmitters and structures also are involved).

    Importantly, incentive salience is not hedonic impact or pleasure ‘liking’ (Berridge, 2007). This is why an individual can ‘want’ a reward without necessarily ‘liking’ the same reward. Irrational ‘wanting’ without liking can occur especially in addiction via incentive-sensitization of the mesolimbic dopamine system and connected structures. At extreme, the addict may come to ‘want’ what is neither ‘liked’ nor expected to be liked, a dissociation possible because ‘wanting’ mechanisms are largely subcortical and separable from cortically-mediated declarative expectation and conscious planning. This is a reason why addicts may compulsively ‘want’ to take drugs even if, at a more cognitive and conscious level, they do not want to do so.
    Geändert von Pansapiens (15-04-2018 um 13:51 Uhr)

  10. #40
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    Standard

    Ein schönes Thema!
    Spannend finde ich die Tatsache dass sich die Leute schon vor Jahrhunderten eben diese Fragen gestellt haben, ganz ohne neuroanatomische Zusammenhänge.

    Wenn man sich die fünf Skandhas im Buddhismus anschaut (und die ganzen „Unterzustände“ mal wegläßt) dann kommt man zu genau dien Fragen, die man sich in der modernen Neurobiologie auch stellt.

    Ein äußerer Reiz (Form) erzeugt eine Aktivierung von Rezeptoren, die ein Aktionspotential auslösen (Empfindung). Diese Empfindung wird in verschiedenen Regionen unseres Gehirns abgeglichen und als Wärme, Kälte, Schmerz etc. eingeordnet (Wahrnehmung).
    Jetzt wird es spannend, denn ab diesem Punkt passieren noch unbewußte Vorgänge. Die Wahrnehmungen werden von vielen Hirnarealen auf Grund von vorher abgespeichert es Erregungsmustern bewertet und sortiert (Erinnerung, Gedächtnis) und führen zu unbewußten Aktivierungen verschiedener Handlungsmuster. Ich ziehe unbewußt meine Hand weg, will noch ein Stück Schokolade, bekomme Angst etc. (Wollen, Verlangen etc.).

    Diese unbewußten Vorgänge gelangen letztendlich zu meinem Bewußtsein (Selbst) und sorgen dafür dass „Ich“ bestimmte Dinge tue.
    Wie man sieht ist „Ich“ aber eigentlich nicht existent. Es resultiert aus Reiz, Aktionspotential, Bewertung, Abgleich und dadurch resultierende Aktivierung von kombinierten Erregungsmustern und letztendlich „Bewußtwerdung“ in unserem Selbst.
    Form, Empfindung, Wahrnehmung, Erinnerung und Wollen, Selbst.

    Im nächsten Schritt kann man dann hingehen und sagen „Wenn das Selbst nur eine Summe von verschiedenen Teilen ist, woraus besteht das Selbst?“
    Das ist die entscheidende Frage.

    Der Unterschied zwischen Wissenschaft und Spiritualität ist jetzt nur dass das Eine nüchtern darauf schaut und keine Folgen für die einzelne Person selbst und das Verhältnis dieser Person zu anderen definiert, während Spiritualität versucht aus dieser Frage Empfehlungen für den Umgang mit sich selbst und anderen zu geben.

    Beide sind sich einig dass es Hinter dem „Selbst“ etwas geben muss. Ob ich das jetzt Leere, Buddhanatur, Tao, Gott nenne oder sage den Aktionspotentialen liegen letztendlich Quantenphänomene zu Grunde die in einem multidimensionalen Universum stattfinden und die wir (noch) nicht erschöpfend beschreiben können.

    Eine wissenschaftliche Betrachtung wäre dann für mich genauso ein „Glauben“ wenn daraus Konsequenzen für den Umgang mit Sich und Anderen entsteht und es den Menschen letztendlich helfen soll hier und jetzt glücklicher zu sein.

    Unser Ich existiert letztendlich nicht, darin sind sich Neurobiologie und spirituelle Traditionen einig. Es ist eine Projektion (oder immanente Folge) unserer neuronalen Struktur des Gehirns. Vokabeln sind austauschbar.

    Wichtig ist die Bewußtwerdung dieser Erkenntnis und wie dieses Wissen unser Handeln und Fühlen (bzw. das Bewerten von Fühlen) beeinflusst.
    Geändert von kanken (15-04-2018 um 14:33 Uhr)

  11. #41
    Gast Gast

    Standard

    Definitiv ein spannendes Thema.

    Für mich umfasst es die Themenkreise "mentale und physische Phänomene/Philosophie des Geistes einschließlich mentaler Verursachung und mentaler Repräsentation", "Kausalität", "Freiheit/Determinismus (inklusive der theologischen Parallele Allwissenheit Gottes/Vorbestimmung)", "Person und Personalität" sowie "Künstliche Intelligenz".

    Bezüglich des Nutzens alter Philosophien für die modernen Diskurse bin ich aber eher skeptisch. Evtl. zur Inspiration, ja. Aber die alten Texte an sich haben m.M.n. andere Zielsetzungen. Die buddhistischen Philosophien entlang Begrifflichkeiten der Philosophie des Geistes zu untersuchen ist allerdings etwas, was mir ein bisschen als langfristiges Projekt dabei vorschwebt. (Auch wenn ich vermute, dass sich da doch einige gravierende Schwächen dieser alten Anschauungen auftun werden.) Aber dafür brauche ich noch Zeit.

  12. #42
    Gast Gast

    Standard

    @Pansapiens
    Ohne es jetzt schon durchdacht zu haben - aber in unseren letzten beiden Beiträgen könnte es sein, dass wir den Übergang zum Funktionalismus vollzogen haben: https://de.wikipedia.org/wiki/Funkti..._(Philosophie)

  13. #43
    Registrierungsdatum
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    Standard

    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    @Pansapiens
    Ohne es jetzt schon durchdacht zu haben - aber in unseren letzten beiden Beiträgen könnte es sein, dass wir den Übergang zum Funktionalismus vollzogen haben: https://de.wikipedia.org/wiki/Funkti..._(Philosophie)
    Das wirft die Frage auf, was man unter "mentalem Zustand" versteht.
    Ich bin ja bisher, zumindest implizit, eher davon ausgegangen, dass man unter einem mentalem Zustand einen Bewusstseinsvorgang versteht.
    Wenn ich dem Link folge, finde ich:

    Das Entscheidende an dieser These ist nun, dass mit ihr auch das Verfügen über mentale Zustände unabhängig von der physischen Realisierung ist. So könnte ein Computer oder Roboter mentale Zustände haben, wenn er nur die gleichen funktionalen Zustände realisiert wie ein Lebewesen mit Bewusstsein.


    D.h. dadurch werden, wenn ich das richtig verstehe (?), meine oben dargestellten "Argumente" oder Gedanken obsolet, denn wenn "mentaler Zustand" von Bewusstsein unabhängig ist, dann ist es ja egal, ob ich die Hand aufgrund der Schmerzwahrnehmung zurückziehe oder aufgrund von physischen Vorgängen in meinem Gehirn.
    Ein funktionaler Zustand (ausgestreckter Arm) wird durch einen Input (Gewebsschädigung) in einen neuen Zustand (gebeugter Arm) überführt.

    Das scheint mir ähnlich zu der Überlegung nach der Natur von Information zu sein.
    Schließlich kann man eine Information verschiedentlich codieren und auf unterschiedlichen physischen Trägern realisieren.
    Ich kann ein Gedicht in verschiedenen Sprachen in Stein meißeln, auf ein Stück Papier schreiben, es kann digital auf einem magnetischen, optischen oder SSD-Datenträger gespeichert sein, von einem Flugzeug an den Himmel geschrieben oder in den Schnee gepinkelt.
    Es kann in meinem neuronalen Netzwerk realisiert sein und ich kann es in Form von Dichteschwankungen über die Luft von Mund zu Ohr übertragen....
    Die Information selbst wäre von der konkreten Realisierung unabhängig.
    Die Frage ist, kann das auch unabhängig von Materie realisiert sein, rein in meinem Geist?
    (wohl eher nicht, wenn meine geistigen Zustände alle mit materiellen Zuständen einhergehen)
    Allerdings ist das Gedicht ja irgendwann man im Geist eines Dichters entstanden. So wie die meisten Computerprogramme im Geist eine Programmierers entstanden sind.
    Das berührt dann die Frage nach Reduktionismus und Emergenz und auch die Probleme die manche Leute mit "zufälligem" Entstehen von Leben oder Bewusstsein haben.
    Da kann man dann noch weiter denken, und sich fragen, wie denn die Naturgesetze realisiert sind.
    Da kommen wir dann nach meinem Verständnis tatsächlich ín die Nähe von philosophischen Konzepten wie Wuji im Sinne von (noch) nicht manifestierten aber potentiellen Möglichkeiten.
    Geändert von Pansapiens (15-04-2018 um 20:41 Uhr)

  14. #44
    Gast Gast

    Standard

    Zitat Zitat von Pansapiens Beitrag anzeigen
    Das wirft die Frage auf, was man unter "mentalem Zustand" versteht.
    Ich bin ja bisher, zumindest implizit, eher davon ausgegangen, dass man unter einem mentalem Zustand einen Bewusstseinsvorgang versteht.
    Das ist ja auch naheliegend - da wir mentale Phänomene ja primär an uns selbst erfahren. (Da liegt dann auch der Bezug zum Problem des Fremdpsychischen.) Aber Bewusstsein ist ja selbst nicht geklärt - daher die Frage, ob gleiche mentale Zustände (Freude, Schmerz etc.) eben auch anders realisiert werden können. Damit ist dann auch der Übergang zur Frage der KI (inklusive Turing-Test) gemacht.

    Ich zitiere mal Dieter Teuchert, "Einführung in die Philosophie des Geistes", S.92 (2006):
    - Der cartesianische Dualist behauptet: Mentale Zustände sind die Zustände einer immateriellen Substanz.
    - Der Behaviorist behauptet: Mentale Zustände sind durch sensorische Inputs bewirkte Zustände eines Organismus und/oder seine Verhaltensdispositionen.
    - Der physikalische Identitätstheoretiker behauptet: Mentale Zustände sind die Zustände des Gehirns (oder des ZNS).
    - Der Funktionalist behauptet: Mentale Zustände sind funktionale d.h. durch kausale Rollen spezifizierte Zustände.

  15. #45
    Registrierungsdatum
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    Beiträge
    4.833

    Standard

    Zitat Zitat von Julian Braun Beitrag anzeigen
    Das ist ja auch naheliegend - da wir mentale Phänomene ja primär an uns selbst erfahren. (Da liegt dann auch der Bezug zum Problem des Fremdpsychischen.) Aber Bewusstsein ist ja selbst nicht geklärt - daher die Frage, ob gleiche mentale Zustände (Freude, Schmerz etc.) eben auch anders realisiert werden können. Damit ist dann auch der Übergang zur Frage der KI (inklusive Turing-Test) gemacht.

    Ich zitiere mal Dieter Teuchert, "Einführung in die Philosophie des Geistes", S.92 (2006):
    [...]
    - Der Behaviorist behauptet: Mentale Zustände sind durch sensorische Inputs bewirkte Zustände eines Organismus und/oder seine Verhaltensdispositionen.
    [.....]
    - Der Funktionalist behauptet: Mentale Zustände sind funktionale d.h. durch kausale Rollen spezifizierte Zustände.
    Da verstehe ich den Unterschied zwischen Behavoristen und Funktionalisten nicht ganz?
    Bei dem einen zeigen sich die mentalen Zustände im Verhalten, beim anderen an der Reaktion auf Inputs?
    Oder besteht der Unterschied darin, dass Funktionalismus weiter gefasst ist und sich nicht nur auf einen Organismus bezieht?
    Auf jeden Fall scheint mir dabei das "Körper-Geist-Problem" dadurch gelöst zu werden, dass man "mentale Zustände" rein materiell definiert.
    Freude und Schmerz sind IMO eher subjektive Erlebnisgehalte die man von außen nur durch Analogieschlüsse vermuten kann, im Gegensatz zu "Vermeiden" und "Anstreben".
    Vergleiche die Auster oder auch:

    Die Freude der Fische

    Dschuang Dsi ging einst mit Hui Dsi spazieren am Ufer eines Flusses.
    Dschuang Dsi sprach: »Wie lustig die Forellen aus dem Wasser herausspringen! Das ist die Freude der Fische.«
    Hui Dsi sprach: »Ihr seid kein Fisch, wie wollt Ihr denn die Freude der Fische kennen?«
    Dschuang Dsi sprach: »Ihr seid nicht ich, wie könnt Ihr da wissen, daß ich die Freude der Fische nicht kenne?«
    Hui Dsi sprach: »Ich bin nicht Ihr, so kann ich Euch allerdings nicht erkennen. Nun seid Ihr aber sicher kein Fisch, und so ist klar, daß Ihr nicht die Freude der Fische kennt.«
    Dschuang Dsi sprach: »Bitte laßt uns zum Ausgangspunkt zurückkehren! Ihr habt gesagt: Wie könnt Ihr denn die Freude der Fische erkennen? Dabei wußtet Ihr ganz gut, daß ich sie kenne, und fragtet mich dennoch. Ich erkenne die Freude der Fische aus meiner Freude beim Wandern am Fluß.«
    Geändert von Pansapiens (16-04-2018 um 13:08 Uhr)

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