Schon länger mache mir jetzt schon Gedanken über das Thema, viele Themen hier im Board bringen mich wieder auf den Trichter und nun hat mich eine heutige Situation doch dazu bewegt, einfach mal in die Runde zu fragen und mich über ein Thema zu erkundigen, bei dem ich persönlich immer nur die „Muster-Antworten“ bekomme, die jedoch nicht wirklich zur Realität passen und erhoffe mir hier, was im Internet nicht wirklich häufig ist: Offenheit, Reflektion und das Teilen von eigenen Erfahrungen.
Folgende Situation, die mich doch ziemlich nachdenklich gestimmt und den Ausschlag gegeben hat:
Da steht also ein Wettkämpfer (Boxer, momentan mittelmäßiger und frisch geborener B-Klasse Kämpfer) eines befreundeten Teams, bei dem man gerade mal mit trainiert hat, dem (Kämpfer) man davor noch (auf seinen Wunsch) Tipps gegeben, Pratzen gehalten und ihn gecoacht hat und wollte das im Sparring untermalen, ihm ein paar seiner Lücken praktisch aufzeigen und mal schauen, was hinter den Äußerungen, dass er der beste Kämpfer sei und noch jedem bekannt werden würde, tatsächlich steckt. Hätte eigentlich überhaupt kein Problem sein dürfen; eigentlich.
Sagen wir einfach: Das Ergebnis war ein netter Realitätscheck bzw. Test des aktuellen Stands und es lief nicht ‚ganz‘ wie erwartet. Ich sitz also hier mit zwei Tampons in der Nase und einem Kühleisen unter dem Auge, während ich mit der anderen Hand auf dem Tablet schreibe, bevor ich mich morgen kaum noch bewegen kann, weil sich die Körpertreffer bemerkbar machen oder ich merke, dass mich lediglich die Kopftreffer dazu bewegt haben, den Text zu schreiben . Gleichzeitig war das Ergebnis noch, dass er sich danach in der Umkleide hat feiern lassen, dass er das ausgerechnet bei mir geschafft hat und mir ganz schön Widerstand geboten habe - was auch stimmt . Schlussendlich hat es mich maximale Konzentration und vollen Einsatz (inkl. harten Treffern seinerseits usw.) gekostet, um nur annähernd die Lücken aufzuzeigen, die ich ihm zeigen wollte und seiner Meinung nach nicht vorhanden waren...
Deshalb mal die Frage an die älteren von euch, die von euch, die ihre aktive Wettkampfkarriere beendet haben, ihren „Höhepunkt“ deutlich überschritten haben oder auch die, die verletzungsbedingt leider zwangsläufig zurückschalten mussten und insbesondere die Jungs und Mädels aus dem schlagenden Vollkontakt (MMA, Boxen, KB, MT,...) - natürlich auch gerne an den Rest und auch „Gedankenspielchen“, wenn ihr noch voll in der Blüte seid, sind erwünscht:
Wie geht ihr damit um? Welchen Sport betreibt ihr und wie handhabt ihr das mit den Trainingspartnern oder eurem „Ruf“ und dem natürlich überhaupt nicht vorhandenen Ego ?
Das Blöde am MT oder Boxen: Es ist nicht nur blöd für’s Ego, es tut auch noch weh . Jetzt hat man noch das Problem, dass die Jungs in den befreundeten Teams bzw. zumindest die Trainer und so mancher Wettkämpfer mich kennen und ein gewisses Bild von meinen Leistungen und dem „Können“ haben. Blöd ist momentan nur, dass aufgrund lange andauernden verletzungs- und stressbedingten Umständen - weitere Ausreden hier einfügen - und auch einfach dem dementsprechend weit geringeren Trainingspensum die Erwartung ‚etwas‘ von der Realität abweicht und die Bitte um Schonung oder ein spielerisches Sparring bestenfalls dafür sorgt, dass die wettkampforientierten Jungs, an denen mein Herz hängt (und ich mich zugegebenermaßen nie für reine Freizeitgruppen und halbherzig trainierende Hobbysportler erwärmen konnte - wobei ich es immer noch als (sehr) guten Grund betrachte, den Sport auszuüben und die Menschen auch als Person teilweise sehr mag; ist halt nichts für mich - bzw. nur für einzelne Personen daraus) davon ausgehen, dass man mir sein Potential nur noch mit 98% beweisen muss oder man auf die eigenen Treffer nicht mehr ganz so stolz sein soll...
Problematisch wird langsam, dass mir immer mehr Jungs echt gefährlich werden, die ich eigentlich spielerisch dominiert habe und auch müsste (und ich nie so gut war, dass ich das auch noch nach deutlichem Abbau könnte)... (Sagen zumindest das Ego und die Erwartungen Dritter .) Die wiederum wollen sich (und mir) etwas beweisen oder fahren gleich einen derartigen Schongang, dass ich mich frage, ob ich wirklich so extrem viel schlechter geworden und eigentlich bereits tot bin... Man möchte halt doch auch nichts geschenkt bekommen und seit ich lockeres, technisches Sparring (schon länger) klar bevorzuge (und eigentlich auch keine Lust mehr auf unnötiges, hartes (oder unnötig hartes) Sparring habe ), merke ich auch da, wie die Kämpfer etwas beweisen wollen und nur wenige damit wirklich etwas anfangen können und sich auch daran halten... (Abgesehen davon steht halt auch mal normales oder hartes Sparring auf dem Plan .) Andererseits möchte man natürlich auch nichts geschenkt bekommen oder die Leistung der anderen Seite schmälern... Wenn sie einen dann noch davor ausdrücklich darum gebeten haben, Tipps zu bekommen, an den Pratzen arbeiten zu dürfen und man das eigentlich nur noch im Sparring untermauern wollte, hinterlässt das einen ziemlich blöden Beigeschmack und ich habe auch schon mitbekommen, dass man dann gleich an den Tipps gezweifelt hat. Aufs Sparring verzichten, ist allerdings auch keine Lösung und dadurch wird man auch nur noch schlechter...
Es gibt also im Prinzip (ziemlich vereinfacht) zwei Fraktionen: Die Jungs, die einen „noch“ kennen und ein Bild haben, sich gegen, bei oder für einen beweisen wollen oder sich manchmal sogar etwas darauf einbilden und die Leute, die einen nicht kennen und bei denen es dann im Gegenzug teilweise ziemlich schwer (und auch echt nervig) wird, wenn man ihnen was erklären muss/soll oder ihnen erklärt, dass man ihre Kritik verstanden hat und sie auch bekannt ist, es der Gesprächspartner nur nicht abkauft und einen für den letzten Anfänger hält...
Ein befreundeter Trainer hat mal nett formuliert, warum seiner Meinung nach so viele Leute mit dem (VK) KS nach wenigen Jahren wieder aufhören: Jeder möchte besser werden und besser kämpfen können, nur für den Spaß tut der Sport zu sehr weh, wenn man immer nur einsteckt, ohne selbst auszuteilen. Habe ich bis jetzt eigentlich (für mich) anders gesehen, doch sollte es auch nach „einigen“ trainingsintensiven Jahren immer noch so sein und ich mich selbst getäuscht haben?
(Interessanterweise habe ich Ähnliches im BJJ gehört, wobei ich dort (persönlich) ganz andere Erfahrungen gemacht habe und auch mit dem „Aufgeben“ oder „dominiert Werden“ keinerlei Probleme habe, da ich dort wirklich ein blutiger Anfänger bin, noch lange sein werde, keinem Ruf gerecht werden muss/sollte/will und es auch ein ganz anderes Gefühl ist, ob jemand einen am Boden dominiert oder ob man gerade in feinster Manier zusammengeschlagen wird . Doch das nur als Randbemerkung.)
Ich zerbreche mir schon länger den Kopf, welchen Weg ich wohl irgendwann mal gehen will - offen gesprochen wäre es (für mich persönlich) wohl sogar der „leichteste“ Weg, einen Grund zu haben, nichtmehr trainieren zu können - wobei ich darauf wirklich gerne verzichten kann und hoffe, dass es nicht/nie so weit kommt.
In einem Freizeitverein fühle ich mich nicht wohl und mir ist der Sport viel zu wichtig, so dass es mich bereits bei manchen Vollblutwettkämpfern „gestört“ hat, wie sie damit umgegangen sind - andererseits langweile ich mich auch in den meisten Hobby- und Freizeitvereinen, versuche immer das momentan Bestmögliche aus mir herauszuholen und das macht in den Gruppen nicht immer wirklich Spaß. In wettkampforientierten Vereinen muss ich mir nicht einreden, noch mit den aktuellen Wettkämpfern mithalten zu können und kann auch das Trainingspensum nicht fahren. Kennt man mich (zumindest Trainer und Wettkämpfer), habe ich gerne das Gefühl, zu enttäuschen und erfülle die Erwartungen an mich (als aktiver Kämpfer) nicht mehr wirklich. Kennt man mich nicht und verschweige ich meine Erfahrung - wobei mir das vermutlich momentan eh keiner abkaufen würde -, nervt es mich zunehmend, nicht für vollgenommen und von Leuten von oben herab behandelt zu werden, die ich auch momentan noch spielerisch in die Tasche stecke - ob das in ein paar Jahren wohl immer noch so aussieht... - (und störe mich zunehmend (noch intensiver als seit Beginn meines Trainings) an den generellen „Hierarchien“ und dem Alphamännchengehabe)... Im MT komme ich mit meinen Stärken noch ganz gut über die Runden, andererseits merke ich es auch dort deutlich und wenn es an die von mir nicht geliebten Einzeldisziplin geht, kann man da auch nicht viel kompensieren. Gleichzeitig bringt einem Wissen alleine auch nichts und das man es mal konnte, ebenso wenig.
Ich gebe auch offen zu, dass es sicherlich auch ein kleines Ego-Ding ist. Auch wenn es nie das Training oder meine Kontrolle über mich bzw. die Situation beeinflusst hat (etc.), kann ich noch heute jede Person aufzählen, die mir in den letzen Jahren wirklich zugesetzt hat... Ich musste/durfte bei einem ehemaligen Trainer von mir mitbekommen, wie er zum „Maulhelden“ degradiert wurde, weil er im Sparring nicht liefern konnte und das obwohl er eine sehr erfolgreiche Karriere hinter sich hatte (im Gegensatz zu mir ) oder sogar beim Training für einen Anfänger gehalten - und als solcher behandelt - wurde. Mir sind auch die Worte meines Cheftrainers (sehr) im Gedächtnis geblieben, als er nach einer der Sparringseinheiten, bei denen er mitgemacht hat, eine ziemlich klare Ansage gebracht und mal nachgefragt hat, was sie die Leute eigentlich davon erhoffen oder sich einbilden, wenn die den deutlich älteren Trainer verpacken oder versuchen ihn zu schlagen/dominieren/besiegen.
In meinem Umfeld gibt es da vereinfacht 4 Gruppen von Männern und Frauen, die ganz unterschiedlich damit umgegangen sind.
Gruppe 1 waren häufig die mit der stärksten Verbindung zum Sport, die einen ganz klaren Cut gezogen haben, sämtliches Equipment verkauft, kein Training mehr besucht und häufig noch einmal in einem anderen Sport von 0 angefangen haben, somit auch weder sich noch andere enttäuscht haben und im neuen Sport Erwartung und Realität deckungsgleich waren.
Gruppe 2 waren die, die es bis zum bitteren Ende regelrecht erzwungen (bzw. das versucht) haben, frei nach dem Motto: Alter ist nur eine Zahl und das Können liegt im Wollen. Dass das nicht so funktioniert hat, muss ich wohl keinem erklären und dementsprechend frustriert waren sie häufig (ständig).
Gruppe 3 waren die, die den Verein oder die Gruppe gewechselt haben und ich hatte nie das Gefühl, dass sie damit sonderlich zufrieden waren. Es hat mich eher an den Berufsmusiker erinnert, der auf einmal mit den Hobbymusikern zusammenspielt und sich nur langweilt oder sogar seinen „Verfall“ ständig vor Augen geführt bekommt und sich vor den Hobbymusikern als solcher ausgibt.
Gruppe 4 waren die, die dann entweder ausschließlich andere trainiert haben - und das eigene Training an den Nagel gehängt - oder zumindest nur noch sehr selten (oder mit ausgewählten Partnern) am freien Kampf teilgenommen haben oder teilweise sogar nur noch für sich alleine trainiert haben. Das trifft auch auf die Sportler mit >40 Jahren Erfahrung in meinem Umfeld häufig zu.
Gruppe 5 vermisse ich leider (im VK) schmerzlich, das wären die Jungs, die es akzeptiert haben und fröhlich, so gut es halt ging, weitertrainiert haben, alles mitgemacht haben, was ging und auch die ganzen Treffer, Sprüche, „Wertungen“, etc. einfach abgestreift hätten, ohne sich darüber zu ärgern. (Die hab ich im VK nie kennengelernt.)
Irgendwann wird der Tag kommen, an dem ich vermutlich einen klaren Cut ziehen oder nur noch mit ausgewählten Jungs trainieren muss; doch weigere ich mich zu erklären, dass das bereits jetzt ist.
Natürlich ist jedes Training ein Training näher am allerletzten Training, doch nicht so und noch (lange) nicht jetzt . Auch bin ich noch nicht bereit, mich gänzlich dem BJJ zu verschreiben oder ständig die besondere Rücksichtnahme zu erbitten .
(Außerdem bitte ich hier darum, die Richtung ‚Trainer‘ nicht (auf mich bezogen) ein- oder anzuschlagen.)
(Ich möchte auf keinen Fall irgendwann zu den Personen gehören, die ständig irgendwelche Ausreden, Ausflüchte oder auch „zutreffende“ Rechtfertigungen und Entschuldigen von sich geben und von den guten alten Zeiten erzählen, als sie noch so viel besser waren. Ich halte auch nicht viel von Graduierungen, ist wohl blöd gelaufen, wenn man jetzt nicht mal das vorweisen kann .)
So, genug des Mimimi und ich freue mich auf jede Antwort, jeden Erfahrungsbericht - egal wie ernüchternd - und über jede Person, die sich mit dem Thema auseinandersetzt und mich daran teilhaben lässt. (Hoffentlich ist es trotz der Müdigkeit, dem Rest und der späten Stunde einigermaßen verständlich.)
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TL;DR:
{Ausrede} als Grund, warum man seinem Ruf und vergangenen Leistungen nicht gerecht wird, den allerdings doch ganz gerne (und sich erarbeitet) hat und vom letzten Vollpfosten hart auf die Schnauze bekommt, der sich was beweisen will oder wie ein blutiger Anfänger behandelt wird und das eigene (schmerzhafte ) Versagen doch nicht ganz so cool findet oder egolos annimmt, wie man gerne tut.
Wie altert man in Würde, Selbstachtung, ohne andauernden Frust und ohne den Sport, der einem sehr am Herzen liegt, zu verlieren oder muss man sich sogar davon trennen, weil die Beziehung so nicht funktionieren kann?
LG
Vom Tablet gesendet.