Hallo zusammen,

ausgelöst durch einige Diskussionen im „IMA-Forum“ der letzten paar Tage schwirrt mir eine Fragestellung im Kopf rum.
Die folgt weiter unten. Der erste Teil sind eigentlich nur Splitter die mir zum Thema durch den Kopf gingen. Ich versuche mit dem einleitenden Teil auch Ordnung in meine Gedanken zu bringen.

Disclaimer:
Nichts von dem was ich hier schreibe hat irgendeinen Anspruch auf absolute Wahrheit – Es sind nur Gedanken und persönliche Rückschlüsse. Also zutiefst subjektive Ansichten.
Das kann man zumeist auch ganz anders sehen und bestimmt auch sinnvoll begründen.

Was ich zum Thema „IMA“ von mir gebe bezieht sich ausschließlich auf die Art „Yang-Family-TaiJi“, welches ich in der Schule, in der ich lerne, kennengelernt habe. Ansonsten werde ich das entsprechend kennzeichnen.

Meine Gedankensplitter werde ich nicht verteidigen bzw. diskutieren, weil ich von deren „Richtigkeit“ nicht unbedingt überzeugt bin. Sie sind nur Meinungen. Das ist für mich genau so diskussionsunwürdig wie persönliche religiöse Ansichten.

Ich werde mich in der Folge also relativ wenig einbringen. Soll heißen mich interessieren vor allem Ansichten und Meinungen, nicht was richtig oder falsch sei.

Ich mag die „IMA“- / „EMA“- Unterteilung gar nicht. Aber sie ist zumindest aus meiner Sicht, zur Zeit eine sprachliche Konvention. Sie zu benutzen vereinfacht also, aus meiner Sicht, die Kommunikation.

Da ich ein „Fan“ des „common sense“ bin, suche ich andere Sichtweisen, um meine eigenen zu relativieren oder zu festigen.

Gedankensplitter:
Persönlich denke ich, dass die Kampfkünste, ebenso wie vieles andere Änderungen und evolutionären Prozessen unterliegt.
Für mich stellt sich das in kurz, in etwa so dar:

Vor langer langer Zeit, also nicht in der Antike sondern zu der Zeit als wir noch als kleine Horden von 20-40 Individuen durch die Gegend zogen, nutzten wir Waffen in erster Linie für die Jagd.
Die welche auf Jagd spezialisiert waren, sind aus meiner Sicht die gleichen, welche die eigene Gruppe im Kampf gegen andere Gruppen verteidigt, bzw. für diese „Krieg“ (Jagd auf andere Menschen) geführt haben.

Im Laufe der Zeit wurden die Gruppen eventuell größer, wir wurden sesshafter, konnten uns stärker spezialisieren und haben neben Jägern, Bauern, Handwerkern und Künstlern auch Krieger hervorgebracht (z.B. um Land oder Ernten zu schützen). Diese Gruppe hatte, von der Gesellschaft getragen, mehr Zeit sich mit dem Training für den Krieg zu beschäftigen [es ist also schon viel Zeit vergangen. Ich sage mal ganz unexakt, dass es schon befestigt / gesicherte Dörfer (je nach Sichtweise Städte) und Landwirtschaft gab].
Diese Menschen dürften neben ihren sonstigen Aufgaben schon einige Zeit mit spezifischem Training verbracht haben.
Vermutlich haben sich diese Leute auch Gedanken darüber gemacht, welche Möglichkeiten sie haben, falls Ihnen aus welchen Gründen auch immer, keine Waffen zur Verfügung stehen.
Meine persönliche Ansicht dazu ist, dass sie versucht haben die Bewegungen und Strategien (besser Taktiken) der Waffen auf „unbewaffnet“ zu übertragen.
Ihre hauptsächliche „Trainingszeit“ dürfte dennoch im Waffentraining gelegen haben.

Gedankensprung:
Ringen ist aus meiner Sicht in zwei Hälften gespalten.
Die älteste Form dürfte, mMn. im Ringen innerhalb der eigenen Gruppe gelegen haben. „Schlägereien“ oder Waffeneinsatz innerhalb dieser Gruppen hätten zu Verletzungen geführt, welche die kleine Gruppe (20-40 Individuen) zu stark belastet hätten. Jedes Individuum war für die Gruppe wichtig und hätte sonst gepflegt werden müssen. Man hätte dem Beutewild nicht mehr so leicht folgen können u.s.w..

Die jüngere Form ist die eher „kriegerische“, das Ringen um die Waffe. Noch später (Antike) das „sportliche Ringen“ in einer stärker spezialisierten Gesellschaft. (Das ist dann schon sehr böse abgegangen inkl. Verletzungen welche für das Individuum verheerend sein konnten. - Jedoch nicht mehr für die Gesellschaft).

Salto rückwärts:
Aus dem Zusammenfließen dieser Komponenten haben sich dann, aus meiner Sicht die ersten „Stile“ gebildet, die sich vor allem in den letzten 150-200 Jahren immer weiter spezialisiert haben.
Viele davon vor allem bei den „EMA's“ mit einer Spezialisierung auf den unbewaffneten Nah-kampf.
In letzter Zeit kommt noch der MMA-Bereich hinzu in welchem sich zuerst verschiedene Stile (z.B. UFC) gemessen haben.
Im Laufe der letzten 2 Jahrzehnte haben sich hier durch Selektion technische „Sets“ herausgebildet, welche für denn unbewaffneten Zweikampf besonders sinnvoll sind.
Aus meiner Sicht bekommt jemand der für MMA-Wettkampf trainiert die SV-Fähigkeit nebenbei.
Er muss also aus meiner Sicht kaum oder keine Änderung für die zivile SV vornehmen.

Womit wir zu meinen mich umtreibenden Fragestellungen kommen:

Ich sehe derzeit eine Tendenz (im Y-FTJ) zur Gesundheitspflege und Selbstkultivierung, die für mich so weit weg von KK oder KS ist, dass ich sie in dem Bereich praktisch nicht mehr sehen kann.

Ich lese und höre da zum Teil ganz tolle Theorien, die darauf schließen lassen, dass jene Leute nie etwas mit Kampf zu tun hatten und das auch gar nicht wollen.

Ähnlich wie ein Nerd, der zwar berechnen kann welcher Reibungskoeffizient mit wieviel eingesetzter Kraft, bei welcher Windrichtung und Stärke, den Ball unhaltbar in die linke Ecke des Tores bringt, aber auch bei drei Versuchen nicht einmal, den Ball auch nur trifft.
(Disclaimer: Anwesende und Mitlesende natürlich ausgeschlossen. Ernsthaft, ich weiß es gibt noch welche die sind Topkämpfer, SV-Spezialisten, Ausbilder von Spezialeinheiten und so weiter. - Nur halt verschwindend wenige)

Bedeutet dies, dass die Stile welche diesen Weg gehen sterben - oder ist das nur ein folgerichtige Entwicklung?
Ich meine wie viele Menschen betreiben diesen Weg der „ Gesundheitspflege und Selbstkultivierung“? Geschätzt geht das wohl in die Millionen. Aus evolutionärer Sicht (möglichst starke Vervielfältigung und Verbreitung einer Art) absolut erfolgreich oder?

Aus KK/KS-Sicht natürlich absolut verheerend. Aber was wäre die Alternative? In letzter Zeit wurde ganz häufig angeführt die tCMA wären nun mal Waffensysteme und deshalb im unbewaffneten Zweikampf den darauf spezialisierten Kämpfern und Stilen unterlegen.
Macht Sinn in meinen Augen.
Das Gegenargument ist, das dies völlig veraltet, und deswegen „sinnfrei“ sei. Wir können nicht mehr mit Speer / Säbel u.s.w. durch die Gegend rennen [Ähm, ich mach in erster Linie Kali, da ist das dank Panantukan, Sikaran („Prügeln/Kickboxen“) u.s.w. nicht so tragisch, aber auch da ist man in dem, auf was man sich spezialisiert besser als in den generalisierten Bereichen].

Müsste also der Waffenbereich aufgegeben werden um im unbewaffneten Zweikampf „konkurrenzfähig“ zu sein?
Zerstört das den Charakter der Kunst? Oder stört das „nur“ die Traditionspflege? Wie wichtig ist die Traditionspflege einer eigentlich „fremden“ Kultur?

Was glaubt ihr also, wie geht das weiter? Ist eigentlich alles Tutti? Oder ganz schlimm? Oder irgendwo dazwischen?

Ich mach dann mal den Anfang mit den Meinungen:

Aus meiner Sicht ist alles in Ordnung. Gesundheits- und Lebenspflege mit Y-FTJ. Für den Rest gibt es andere, spezialisierte Systeme. Die sich aus meiner Sicht auch selten miteinander beißen.

Waffentraining hat für mich andere Aspekte. Für mich ist die Waffe eher ein Trainingstool, um bestimmte Attribute (Kraft / Ausdauer / Reaktion / Timing / Aufmerksamkeit u.s.w.) herauszuarbeiten – Das geht auch anders, aber mir macht es so mehr Spaß. - Mit 50 hat man aber auch auf VK-WK keine Lust, dafür hat man ohne Wettkampfvorbereitung mehr Zeit für sowas oder auch eben für „Traditionspflege“.

Liebe Grüße
DatOlli