Verzeiht bitte meine etwas verspätete Antwort. Ich bin momentan etwas eingespannt wegen diversen arbeitsbezogenen Projekten.
Dragodan und FireFlea, ja ich kommuniziere ganz genauso in Japan. Mit absolut jedem. Keine Ausnahme. Weshalb auch nicht? Ich und meine Ryūha haben es absolut nicht nötig uns mit irgendjemandem anzubiedern. Das hatten wir früher nicht und haben es auch heutzutage nicht nötig.
Und Yamamoto-Sensei von der Hyōhō Taisha-Ryū ist da absolut keine Ausnahme. Wir haben uns über dieses Thema mehr als ausführlich während meines 5 tägigen Aufenthalts in seinem Dōjō in Kumamoto Anfang dieses Monates ausgetauscht. Seine Schule betreibt kein Gekiken, aber Randori (Freikampftraining) mit Fukuro-Shinai in den höheren Riegen. Yamamoto-Sensei ist ein guter Freund von mir und war auch einer der beiden Tachiainin (Sekundanten) welche ich für mein Taryū-Jiai mit dem Sōke einer anderen Ryūha in Japan benannt hatte. Der andere war Kato-Sensei von der Tennen Rishin-Ryū. Ich bin gut mit beiden befreundet und tausche mich regelmäßig mit ihnen aus. Technisch wie Philosophisch.
Jetzt nochmal zu Gekiken. Gekiken ist nur eine Form des Freikampfes. Es gibt mehrere verschiede Formen des Freikampfes in verschieden Koryū. Die einen nennen es Gekiken, die anderen Randori, Shiai-Geiko oder Jigeiko. Diese Freikampftrainings mögen alle unterschiedlich strukturiert sein und ausgeführt werden, jedoch haben sie alle eine Sache gemein, es handelt sich um eine Form des Freikampftrainings. Schulen, welche dies nicht haben, wie beispielsweise die Tenshin Shoden Katori Shinto-Ryu haben allerdings ihre Kenshi in Taryū-Jiai Duelle oder auf das Schlachtfeld geschickt um praktische Erfahrung zu sammeln. Das bedeutet, dass solche Schulen keine Kahō-Kenpō Ryūha waren.
Warum ich Dragodan/Micha nach den für Ihre Fechtkunst berühmten Kenshi seiner Ryūha aus allen Zeitaltern gefragt habe? Er hat mit seiner Antwort wunderbar meine Aussage bestätigt und feundlicherweise viele Beispiele genannt. Nehmen wir Kamiizumi Nobutsuna als eines der bekanntesten Beispiele welche er nannte. Er war ein Menkyo-Kaiden der Shinto-Ryu (wenn man den Quellen Glauben schenken darf) und hat sich in vielen Übungsduellen, Duellen auf Leben und Tod, sowie in Schlachten behauptet. Da die Übungsduelle und Taryū-Jiai mit Bokutō meist zu gefährlich waren und starke Verletzungen als Folge hatten, erfand er das Fukuro-Shinai um die Gefahr zu mindern und führte diese Übungsduelle als reguläre Praxis für seine Schüler ein. Er, ein Kenshi der Tenshin Shoden Katori Shinto-Ryu, duellierte sich und Kämpfte, und das belegter Maßen nicht immer auf Leben und Tod. Einige seiner berühmtesten Schüler welche unter ihm seine später neugegründete Shinkage-Ryu erlernen sollten, waren ehemalige Herausforderer, welche er in nicht tödlichen Duellen besiegte. Taryū-Jiai war für die Kenshi der Shinto-Ryu welche Dragodan/Micha freundlicherweise aufgezählt hat belegter Weise eine gängige Praxis. Und da sie erfolgreich kämpften, sowie immer neue talentierte Schüler fand, galt die Schule damals auch nicht als Kahō-Kenpō, obwohl sie höchstwahrscheinlich (laut den Büchern wie "Warrior Tradition" ohne Quellenanhang von Otake Risuke) kein Shiai-Geiko im Curriculum hatte.
Fazit, eine Ryūha muss nicht unbedingt den Freikampf (wie auch immer man diesen bezeichnen möchte) mit im Curriculum haben um nicht als Kahō-Kenpō zu gelten. Sie muss einzig und alleine kämpfen, wenn sie herausgefordert wird, also offen gegenüber Herausforderungen zum Taryū-Jiai sein und sollte sich dort anständig fechten können. Das ist was wir immer und überall gestated haben. Nur leider sieht das in Japan heutzutage in den meisten Ryūha etwas anders aus.
Eine Neo-Koryū hingegen ist eine Ryūha, welche nicht mal mehr ansatzweise das ist, was sie selbst während den feudalen Japanischen Zeitaltern war und welche ihre Essenz und ihren Sinn neuinterpretiert hat. Das ist es was Neologismus bedeutet. Neo-Koryū ist keine Beleidigung, sondern eine schlichte historische Tatsache. Und jede Schule die sich angegriffen fühlt, zieht sich den Schuh selbst an. Wir haben nicht ein einziges Mal eine Schule beim Namen genannt und als Neo-Koryū bezeichnet. Das tun deren Anhänger schon selbst. Sie merken ja immerhin, wenn die eigene Schulgeschichte mit dem was heutzutage so gemacht und von ihren Lehrern gestated wird, nicht übereinstimmt.
Da Dragodan/Micha sich auf Ittō-Ryū als Beispiel bezogen hat. Ein wunderbares Beispiel einer Schule welche seit der Gründung aktiv Freikampftraining als über 50% ihres regulären Unterrichtsplans hatte. Anfangs mit Bokuto und Fukuro-Shinai, später mit Yotsuwari-Shinai in Bogu.
Die Ono-ha Ittō-Ryu der späten Edo-periode hatte nachweislich viele gute und erfolgreiche Kenshi in Taryū-Jiai, dank des Shiai-Geikos im Curriculum. Was diverse Lehrer der Schule heutzutage machen und ob die Schule eine Neo-Koryu ist? Vergleicht die Vergangenheit der Schule mit der Gegenwart und jeder der den Begriff Neologismus versteht, hat seine Antwort….