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Thema: Shōtōkan-Ryū 1947 in „Life“

  1. #31
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    Hallo,

    erstmal Danke für’s Lesen meines neuen Buchs und dann natürlich für die Nachfrage!

    Y. Funakoshis (1906–1945) Ratschlag finde ich tatsächlich wichtig, und zwar aus drei Perspektiven. Um Missverständnisse zu vermeiden, möchte ich voranstellen, dass der Adept den Kern des Karate bereits kennt und einigermaßen verkörpert. Andernfalls kann dieser Ratschlag „Chaos“ verursachen. Die erste Perspektive ist kampftechnischer und –taktischer Natur. Wenn ich als Karate-Anhänger z. B. „nur“ Karate „kenne“, nicht aber das Bajonett (Jūken), dann könnte es schnell Probleme geben, wenn ich von einem Bajonettträger angegriffen werde. Folglich versuchte Yoshitaka sein Karate (im Übungsumfeld) gegen solche Stichbewegungen einzusetzen.

    Ein Karate-Adept sollte zweitens ab einem bestimmten Punkt keine Probleme mehr damit haben, eine Waffe aus einer anderen Kampfkunst in die Hände zu nehmen und mit seiner „Karate-Körpermechanik und –Taktik“ einzusetzen. D. h. er sollte z. B. ein Bajonett nehmen und auf der Grundlage seines Karate einsetzen können.

    Die dritte Perspektive betrifft das Lernen und Lehren. Wie bei jeder Kunst kann ich als Übender (oder Lehrender) hin und wieder gegen eine Wand laufen, d. h. an einem Punkt nicht weiterkommen, obwohl vom Kern her klar ist, was ich lernen/umsetzen (oder lehren) möchte. In dem Fall kann es hilfreich sein, das Training einer anderen Kampfkunst (oder einer Sportart) zu beobachten, um deren Methodik oder Trainingsabläufe kennenzulernen. Möglicherweise helfen sie mir, ein bestimmtes Übungsziel in meinem Karate mit einem anderen Mittel zu erreichen. Nochmal: der Kern bleibt derselbe, aber je nach Person (oder Kultur) können sich bestimmte Äußerlichkeiten der Methodik u. Ä. ändern.

    Grüße,

    Henning Wittwer

  2. #32
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    Hier sieht man doch schön das Problem des Karate:

    Abgrenzung

    Ist das Gleiche in den chinesischen Stilen. Denken in „Richtungen“, „Stilen“ etc.

    Kämpfen ist Kämpfen. War früher so, ist heute so.

    Es sind immer die Menschen die Kämpfen. Früher war es evtl. spannend aus welcher Region jemand kam, da dort die Leute von jemandem mit großem Wissen gelernt haben (durch „Studentenaustauch“, Gesandte, Aufenthalte in China etc.). Dieses Wissen hatte sich halt in dieser Region durchgesetzt. Man kann sagen deren Gym war so gut dass es alles andere dort ersetzte.
    Dann gab es größere Regionen wo sich halt zwei oder drei gute Kampfkünstlern einen Namen gemacht haben und Leute unterrichteten.
    Die einen hatten halt mehr Einfluss aus Nordchina, die anderen aus Südchina, wieder andere aus Japan, teils überlappten sich die Einflüsse. Die einen kannten die „einheimischen“ Kampfkünste besser, andere lernten im Ausland etc.

    Immer waren es jedoch MENSCHEN niemals „Stile“.

    Jemand, der keine Ahnung vom Kämpfen hat tut gut daran sich die Grundlagen von jemandem zeigen zu lassen, der diesbezüglich Ahnung hat.
    Wenn er einen REALISTISCHEN Blick auf das Kämpfen bekommen hat tut er gut daran sich verschiedene Niveaus anderer Kämpfer anzuschauen. Wenn er sehr viel Glück hat ist sein erster Lehrer schon jemand recht hohes in der Nahrungskette, kann aber auch sein dass der Lehrer bestenfalls nur Durchschnitt ist.
    Wie soll er das jetzt rauskriegen? Indem er sich andere Lehrer anschaut und ein Gefühl für den Maßstab bekommt.
    Wenn der Lehrer schlau ist und seinen Platz in der Nahrungskette kennt, dann wird er den Schüler ermutigen jemand besseres als ihn zu finden und von dem zu lernen (und im Idealfall seinen Lehrer an dem Wissen teilhaben zu lassen, weil er evtl. nicht aus seiner Region wegkommt).
    Damit der Schüler aber etwas beurteilen kann muss er zumindest die Grundlagen kennen, deswegen macht Crosstraining am Anfang keinen Sinn. Hat er die Grundlagen und mein von seinem Lehrer nix mehr lernen zu können (oder der Lehrer sagt ihm das) dann MUSS er sich einen anderen (besseren) Lehrer suchen.

    Es geht hier wieder um den MENSCHEN nicht um den Stil!

    Wo hier jetzt Ego, Geld und Ignoranz überall reingrätschen können kann sich jeder ja gerne selber überlegen...

    Ich gebe mal ein Beispiel wie es mir in unserer authentischen Karatelinie (Itosu/Higashionna-Toyama-Hanaue) beigebracht wurde:

    Bis zum Abschluss des Grundverständnisses (Schwarzgurt), was, je nach Trainingsfleiß, 4-12 Jahre dauern kann, trainiert man unter jemandem der die Erlaubnis zu lehren bekommen hat.
    Nach dem „Abschluss“ der Grundschule SOLL man sich andere Lehrer angucken und sich in der Nahrungskette „einsortieren“. Wenn man jemanden besseres als den eigenen Lehrer findet, und derjenige einen unterrichten würde, soll man von dem lernen und das Wissen in die eigene Gruppe zurückbringen.

    Toyama selbst hat immer betont dass es keine „Stile“ gibt (auch wenn er hinterher aus politischen Gründen, Ego und so, in Verbänden aktiv war). Er war auch der Meinung dass man die richtig guten Leute nur in China findet (muss man hier nicht diskutieren, war seine Meinung). Er ist nicht ohne Grund nach Taiwan.

    Ein Qualitätsmerkmal war für ihn dass sich derjenige wie Strom anfühlen solle, es muss einen „steif“ machen.

    Die Leute soll man suchen und versuchen von Ihnen zu lernen (was früher wohl nicht so einfach war, weder sie zu finden, noch ihr Schüler zu werden).

    Denken in Stilrichtungen, Abgrenzungen, „Meisterverehrung“ widerspricht ALLEM was ich als Kern der okinawanische Kampfkunst gelernt habe! Sobald jemand „Stil“ sagt ist er, in meinen Augen, nicht mehr traditionell.
    Stile bringen keine Qualität hervor, Lehrer tun es (wenn der Lehrer gut genug ist und der Schüler fleißig genug).

    Geschichtswissen ist spannend und gut, aber frühere Lehrer sind tot und es gilt nur dass, was die Leute heute PRAKTISCH können.
    Jeder tut gut daran sich einen guten Überblick zu verschaffen was „gut“ sein kann. Dazu muss man sich in der GESAMTEN Kampfkunstszene umgucken, nicht in seinem kleinen Kämmerchen was von Stildenken und Graduierungen begrenzt wird.
    Kann sein dass man auf einmal nach 20 Jahren feststellt dass die eigene Graduierung ein Furz ist gegen dass was jemand anderes kann. „Anfängergeist“ bedeutet sich über diese Erkenntnis zu freuen, den Gürtel an den Nagel zu hängen und die Reise erneut zu beginnnen...

    Man sollte sich nicht künstlich hinhalten lassen! Es geht nicht darum viel zu können, es geht darum etwas zu VERSTEHEN. Das Verständnis der Prinzipien ist wichtig und diese Prinzipien sind überall gleich.

    Kampf ist Kampf und der menschliche Körper bewegt sich nun einmal überall gleich.

    Es geht um Bewegungsqualität und Bewegunsgverständnis, gepaart mit dem passenden Mindset für einen Kampf auf Leben und Tod (zumindest wenn man von KAMPFkunst ausgeht).

    Jeder kann sich ja mal selber fragen ob sein Lehrer ihn mit Erreichen des Schwarzgurtes ermuntert hat seinen Platz in der „Nahrungskette“ zu suchen oder ob er seine Schüler ermutigen würde dies zu tun.

    Das fängt zum Beispiel damit an die eigenen Schüler gegen Leute aus anderen Kampfkünsten, die das Dojo besuchen, zu stellen, bzw. sie sich um den Besuch kümmern zu lassen.
    In den Koryu ist es üblich gewesen die Schüler Kämpfe gegen andere Kenshi austragen zu lassen, genauso kenne ich es auch aus dem Karate:
    Das erste „Crossparring“ hatte ich in meiner Braungurtprüfung, wo derjenige extra von meinem Lehrer dafür eingeladen wurde, bevor er zwei Wochen später zur Kumiteweltmeisterschaft nach Okinawa fuhr. Ab da habe ich jeden Besuch vor die Fäuste bekommen, der zu Besuch ins Dojo kam. Alles auf freundschaftlicher Basis, da diejenigen natürlich auch wissen wollten wo sie stehen.

    Der freundschaftliche, kämpferische, Austausch mit anderen Kampfkünstlern sollte etwas ganz natürliches sein und nichts was man fürchtet. Klar gibt das mal blaue Flecken oder Verstauchungen (evtl. auch mal aus Versehen nen Nasenbruch), aber wenn man danach ein Bier trinken geht und gemeinsam lacht ist doch alles gut. Man macht schließlich Kampfkunst und nicht Ringelpietz mit anfassen.

    Was ist denn Wettkampfkumite anders als genau diese Einstellung? Die besten Karateka, die ich kennenlernen durfte, waren erfolgreiche Wettkämpfer und nicht irgendwelche „Bewegungsoptimierer oder Kyushoka“, die sich nicht auf der Matte mit anderen messen.
    Braucht man dafür „Wettkampf“? Nö, solange man sich anders auf der Matte ernsthaft austauscht.

    Austausch meint da vor allem mit KÄMPFERN aus ALLEN Richtungen, egal ob Boxer, Karateka, Taekwondoin, Ringer, Grapller, BJJ‘ler, Kung-Fu‘ler etc.
    Je besser der Kämpfer mit dem man sich austauscht, desto größer der Lernerfolg!

  3. #33
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    Zitat Zitat von kanken Beitrag anzeigen
    Hier sieht man doch schön das Problem des Karate:

    Abgrenzung

    Ist das Gleiche in den chinesischen Stilen. Denken in „Richtungen“, „Stilen“ etc.

    Kämpfen ist Kämpfen. War früher so, ist heute so.

    Ahh - leider keine Zeit mehr im Moment. Aber ich hatte schon ein paar Sachen getippt als Replik auf Hennings Beitrag, mit ganz ähnlichem Grundgedanken. Daher erstmal .. ich werd heute Abend in Ruhe lesen.

  4. #34
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    @kanken:
    Toller Beitrag, danke dafür...

    Viele Grüße
    Stefan

  5. #35
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    Für die ganz Fanatischen gibt's hier übrigens einige der Motive in Posterform...

    https://www.allposters.de/-sp/Japane..._i5313582_.htm

  6. #36
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    suuper!

    "karateschüler brechen boards mit "punsch""

    davon abgesehen ist der "kage-zuki" eine leider oft vernachlässigte technik.

    es gibt ja auch die mär, daß kanazawa-sensei bei bruchtests nur die "hinteren" bretter durchbrochen hätte ..
    Geändert von Kurzer (05-10-2018 um 23:04 Uhr)

  7. #37
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    Zitat Zitat von Kurzer Beitrag anzeigen
    suuper!

    es gibt ja auch die mär, daß kanazawa-sensei bei bruchtests nur die "hinteren" bretter durchbrochen hätte ..
    Wahrscheinlich hat er nur das Ki durchgeschickt ...

  8. #38
    odayaka Gast

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    Zitat Zitat von Bücherwurm Beitrag anzeigen
    Wieso alle? Und wieso andere?

    Die Bilder drücken aus, was heutzutage immer noch in weiten Teilen unter dem Label "Shotokan" geübt wird. Wir sind die Härtesten! Und das ist nicht abhängig von der Übertratagungslinie, die Henning anspricht. Start - Höchstgeschwindigkeit -Stop - das kann eigentlich nicht gesund sein, auch wenn der DKV jetzt da irgendsone Plakette bekommen hat.
    OK, verstehe, worauf dies hinaus wollte. Danke!

    @Henning: Danke für die Infos!

  9. #39
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    Zitat Zitat von odayaka Beitrag anzeigen
    OK, verstehe, worauf dies hinaus wollte. Danke!
    Ach, dafür nicht. Vielleicht muß ich das nochmal einschränken. Es geht (wahrscheinlich) um die Mehrheit, die wettkampf - oder breitensportlich geprägt ist. Es gibt mit Sicherheit auch eine Reihe, die aufgrund unterschiedlichster Einflüsse nicht (mehr) das Hau-ruck-Karate üben. Kann durchaus sein, dass Hennings Richtung zu dieser Minderheit zählt.

    Trotz Verallgemeinerung darf man eben nicht alle über einen Kamm scheren.

  10. #40
    Mardl Gast

    Standard

    Zitat Zitat von odayaka Beitrag anzeigen
    Vielen Dank für die Tipps!
    Was haben alle gegen Shotokan?
    Ist da ein neuer Trend entstanden,
    den ich verpasst habe?!?
    Andere Stile Bashing etc.?
    Na, mal nicht gleich das Kind mit dem Bade auskippen. Ich betreibe selbst "Shotokan", aber dennoch sollte man sich auch kritisch mit dem was man da betreibt, bzw. vorgesetzt bekommt auseinandersetzen. Wie Chrisdz es schon sagte: wer waren eigentlich die Leute die Shotokan nach D brachten? Wo lagen ihre Stärken und Schwächen? Was haben die deutschen Karateka der ersten Stunde überhaupt von dem verstanden, was ihnen da erklärt wurde? Was hat das Ganze überhaupt noch mit dem Karate zu tun das auf Okinawa betrieben wurde oder von G.F. nach Japan gebracht wurde? Wie "realistisch" ist das ganze was wir da tun eigentlich - oder lernen wir vielleicht gar nur einen technischen Lehrstil und nichts zum kämpfen...

    Das hat nichts mit Bashing zu tun, eher mit Selbstreflexion.

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