Hallo Sven,

der Grundbegriff „Kiai“, den Du oben im Zusammenhang mit Prüfungen aufbrachtest, kann/könnte ganz gut zumindest einheitlich in so etwas wie einer „Prüfungsordnung“ erklärt werden, um dementsprechend von Anwendern der Ordnung einigermaßen einheitlich verstanden und dann im Training usw. umgesetzt werden.

Tatsächlich – und nun gehe ich kurz auf Deinen Widerspruch bezüglich Interesse an historischen Informationen/Quellen zum Karate oder den Lehrmeinungen japanischer Lehrmeister ein – erklärten z. B. T. Kase (1929–2004) und H. Nishiyama (1928–2008) u. a. auf Lehrgängen in Deutschland miteinander vergleichbare Kiai-Konzepte und vermittelten dazu jeweils eigene, entsprechende Übungsformen. Beide waren Vertreter der Shōtōkan-Strömung. G. Funakoshi (1868–1957) hielt ebenfalls eindeutige Ausführungen zum Konzept des Kiai fest, die im Kern dem entsprechenden Unterricht von T. Kase und H. Nishiyama entsprachen. Ihre Erklärungen haben nichts mit negativ konnotierter „Esoterik“ zu tun, auch wenn für deren Verständnis etwas größere gedankliche und körperliche Anstrengungen vonnöten sind.

Genau deswegen stolperte ich über Deine Aussage zum Kiai, da sie sich schlicht wie das Gegenteil dessen liest, was im herkömmlichen Karate-Dō Shōtōkan-Ryū (vertreten durch T. Kase, H. Nishiyama und den Gründer/Kompilator G. Funakoshi) unter „Kiai“ verstanden und gelehrt wird. Obendrein verstümmelt ein „Weglassen“ des Kiai (im Verständnis des herkömmlichen Shōtōkan-Ryū) in der Prüfung oder im Training dieses Karate, dem dadurch eines seiner wesentlichsten (technischen) Inhalte genommen wird.

Aber ich werde nicht länger darauf Herumreiten …

Grüße,

Henning Wittwer