Royal Armouries (gebunden/2018)
ISBN 978-0-948092855
176 Seiten

MS I.33 gilt zur Zeit als das älteste europäische Manuskript zur Fechtkunst, wobei hierbei ausschließlich der Kampf mit Schwert und Buckler thematisiert wird. Im größten Teil des Manuskripts, das in Mittellatein geschrieben ist, stehen sich ein Priester und sein Schüler gegenüber, die die verschiedenen Hutten (Stände) und sich daraus entwickelnden Angriffe und Konter demonstrieren. In den letzten Illustrationen wird der Schüler allerdings durch eine junge Frau mit dem Namen Walpurga ersetzt, was zeigt, dass zumindest im Umkreis des oder der Verfasser dieses Schriftstücks kämpferische Frauen befunden haben – oder die wohl gelehrten Herren sich kämpferische Frauen vorstellen konnten. Oder die zölibatär lebenden Herren haben sich einfach einen kleinen Scherz erlaubt.

Jeffrey L. Forgeng hat die erste Übersetzung von MS I.33 ins Englische bereits um 1992 vorgenom-men, eine Arbeit, die dann 2003 zur ersten Veröffentlichung geführt hat, zu der es 2013 dann eine leicht revidierte Ausgabe gegeben hat. Die vorliegende Ausgabe ist nochmals komplett überarbeitet und enthält neben dem abgedruckten lateinischen Text aus dem Anfang des 14. Jahrhunderts (so zumindest die bei Drucklegung aktuelle Datierung) und deren Übersetzung auch eine ausgiebige Quellenkritik, die den aktuellen Forschungsstand in Hinblick auf die Geschichte des Manuskripts, die verwendeten Waffen, den Aufbau des Texts, seine Schreiber und Illustratoren, die Idee und Funktion von Fechtbüchern an sich, die Paginierung und den Möglichkeiten der Interpretation auf Grund der Besonderheiten der mittelalterlichen Bildsprache beinhaltet.

Diese Ausführung sind zum Teil ziemlich detailliert, lohnen aber die Lektüre, da sie das Verständnis der Illustrationsabbildungen und der dazugehörigen Texte – und auch der angenommenen Lücken darin – wesentlich erleichtert. Außerdem kann man so die im Laufe der Jahrhundert hinzugekommenen Anmerkungen auf dem Pergament besser zuordnen. Bei der Lektüre – und insbesondere bei der Betrachtung der Illustrationen – lohnt es sich außerdem, einen Buckler und ein Schwert in Reichweite zu halten, denn Einiges lässt sich besser nachvollziehen (oder überhaupt glauben), wenn man es selbst versucht. Wobei das Buch eigentlich nicht wirklich als ein Lehrbuch – schon gar nicht für Anfänger – gedacht zu sein scheint, was Forgeng auch in seiner Einleitung bereits darstellt.

Handwerklich ist das Buch auch eine große Freude. Die Faksimile-Drucke der Originalillustrationen wirken überaus authentisch, insbesondere auf dem qualitativ hochwertigem Papier und in der Größe, die genau der der Vorlage entspricht (23x30cm). Das Buch ist klassisch gebunden mit einem königsblauen Lesebändchen und einem mit Illustrationen versehenen Einband, den dazu noch eine pfiffig gestaltete Schutzhülle in blau umschließt. Herausgegeben wurde dieses (nicht so) kleine Kunstwerk von den Royal Armouries, in deren Besitz sich das Manuskript befindet, das zuletzt in der Wallace Collection ausgestellt wurde. Nicht nur für Fechtbuchsammler ein schöner Beitrag.

K.-G. Beck-Ewerhardy

Eigenzitat aus amazon.de