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ISBN 978-1-470-17454-5
425 Seiten

Wang Li Ping, auch bekannt als der „Meister der Drachentorschule“ (auf Chinesisch Longmen Pai), ist den meisten Interessierten wohl bekannt durch den Bericht über sein Leben unter dem Titel „Der Meister der Drachentorschule,“ in dem seine Unterricht durch drei Daoistische Großmeister beschrieben wird – eine Unterricht, der so anstrengend und teils auch so grausam gewesen zu sein scheint, dass er sich bisher noch nicht berei gefunden hat, einen Traditionsfolger auszubilden, den er wohl ab Kindheitsalter in ähnlicher Art und Weise unterrichten müsste. Stattdessen hat er eine kleine Gruppe sehr gut ausgebildeter Schülerinnen und Schüler, die seine Lehren auch im Ausland unterrichten.

Am Ende seiner sehr versteckt ablaufenden Ausbildung wurde Wang Li Ping von seinen Lehrern aufgefordert, das Gelernte so weit wie möglich in der Welt zu verbreiten, denn seine Lehrer gingen davon aus, dass dies die Welt insgesamt besser machen würde. Ein Ethos, den man auf Seminaren und Retreats Wangs und seiner Schülerinnen und Schüler eher en passant vermittelt bekommt. Denn Daoistische Praxis ist natürlich zunächst einmal – und für die Meisten – eine Form der Selbstkultivierung.

Mit diesem Buch liegt erstmals eine Übersetzung von Wang Li Pings „Curriculum“ vor, wobei diese Übersetzung bewusst einige Verkomplizierungen enthält um das Nachdenken und Hinterfragen der Leserinnen und Leser zu befördern. Hinzu kommt, dass selbst bei Namensgebungen nicht immer Einigkeit unter Chinesen herrscht, weswegen Wang Li Pings Name in mindestens zwei Schreibweisen zu finden ist. So sind die Übersetzungen ins Englische selbst nicht unbedingt beim ersten Lesen zugänglich – und stellenweise wahrscheinlich auch noch nicht beim zehnten – aber das ist wohl tatsächlich beabsichtigt.

Nach einer einleitenden Erklärung durch eine Reihe von Vorworten besteht die erste Hälfte des Buchs aus einem chronologischen Lehrgang der Mediationstradition der Longmen Pai vom grundlegenden Atmen, über die umgekehrte daoistische Atmung, Meditation in Sitzen, Liegen, Stehen oder Laufen, Meditation mit Bezug auf verschiedene Bäume und auf verschiedene Sternbilder, wobei dann auch Gruppenmediationen mit einbezogen werden.

Die Einzelanleitungen sind sehr detailliert und wiederholen bestimmte Passagen beständig, so dass sie von einem Unterrichtenden bei der Arbeit direkt vorgelesen werden können – und sich dem Selbststudierenden klar einprägen. Außerdem wird – mit gutem Grund – an verschiedenen Stellen, wie etwa bei der Spiegelmediation – darauf hingewiesen, dass psychisch vorbelastete Personen diese Praktiken nur in Begleitung eines sehr erfahrenen Praktizierenden üben sollten, da sie sonst tatsächlich schädlich sein können. Im Zusammenhang mit den Praktiken werden auch die jeweilig relevanten Aspekte der daoistischen Philosophie und des daoistischen Weltbilds vermittelt, so dass dieser erste Teil des Buchs auch als eine allgemeine Einführung in den Daoismus gesehen werden kann.

Die zweite Hälfte des Buchs beinhaltet einige klassische daoistische Schriften, wie etwa das Geheimnis der Goldenen Blüte in einer aktualisierten Übersetzung. Dabei ist zu sagen, dass es dazu auch aus dem amerikanischen Raum mittlerweile etwas zugänglichere Bearbeitungen gibt, die sich kritisch mit den Übertragungen der Reich-Übersetzungen beschäftigt haben. Daneben gibt es in Sinne eines Schüler-Lehrer-Dialogs das Zhong Lu Chuan Dao Ji, das in etwas salbungsvolleren Worten – und mit deutlich mehr Details – die Elemente des daoistischen Weltbilds erläutert, und schließlich das Wu Pian Ling Wen (Die Fünf-Seelen-Artikel), in dem die Wege der Seele durch die Selbstkultivierung noch einmal in anderen Worten beschrieben werden.

Die beiden letztgenannten Texte sind sonst dem breiten Publikum nicht unbedingt zugänglich, weswegen sich die Anschaffung dieses Buchs eigentlich schon deswegen lohnt. Die erste Hälfte des Buchs mit ihren größtenteils sehr klaren Anleitungen ist aber für mich die Hauptattraktion.

K.-G. Beck-Ewerhardy
Eigenzitat aus amazon.de