Ich bin nun schon seit fast 15 Jahren dabei und mittlerweile Träger des 2. DAN Shotokan.
Es hält mich körperlich fit, ich habe gelernt wie man technisch sauber und hart zuschlägt und zutritt und man kann es (im Gegensatz zu Vollkontakt-Kampfsportarten) bis ins hohe Alter trainieren ohne zu sehr zu verschleißen.
In der einen oder anderen Auseinandersetzung auf der Straße hat mir das Training auch geholfen, es gab also in dem Sinne kein ''böses Erwachen''!

Trotzdem frage ich mich immer wieder, wozu ich überhaupt noch Karate trainiere.

Auf Wikipedia steht nun über Itosu Ankō, den Meister von Funakoshi folgendes:

Itosu Ankō reformierte das Karate Okinawas und machte aus der einstigen geheimen Kampfkunst ein System, das zum Zwecke der körperlichen Ertüchtigung und geistigen Erziehung gelehrt werden konnte.
Dazu entwickelte er viele der heutigen Standard-Katas, beziehungsweise überarbeitete die alten Formen und „entschärfte“ dabei die enthaltenen Techniken, um das Karate einer breiten Masse zugänglich machen zu können.
Nur wenige der engsten Schüler (Uchi-Deshi) bekamen, nach vielen Jahren intensiven und ernsthaften Übens, die Geheimnisse verraten, die in den ursprünglichen Ausführungen der Katas enthalten waren.
Während der Soto-Deshi die technischen Aspekte einer Kampfkunst lernte, wurde der Uchi-Deshi eingeweiht in die „inneren“ Dinge. Ihm wurden die wahren Hintergründe der Kampfkunst und die verborgenen Elemente einer Kata durch den Meister gezeigt.

Jetzt stellt sich natürlich die Frage, was es überhaupt noch für einen Sinn macht, Katas zu üben, die entschärft und abgeändert und somit ihrem ursprünglichen Inhalt beraubt wurden.

Wozu 20 Jahre eine Unsu laufen, die die ursprünglichen Techniken gar nicht mehr enthält?
Wozu krampfhaft versuchen, sich aus einer beschnittenen Unsu Anwendungen herbei zu fantasieren?
Wozu noch an dem Glauben festhalten, da draußen gäbe es noch Meister die die alten Anwendungen kennen und können, wenn selbst der Meister von Funakoshi es seinen Schülern nicht mehr gezeigt hat?
Und selbst wenn es Sie gäbe, was bringt es mir denn, wenn ich Sie nie treffe?

Macht das ganze System Karate überhaupt noch einen Sinn, wenn jeder x-beliebige 16-jährige Amateur Boxer, einem 5 DAN die Fresse poliert?

Nach meinem Verständnis ist der Sinn einer Kata, sie in einer Auseinandersetzung anwenden zu können. Also übe ich im Idealfall die Anwendungen der Unsu so lange, bis ich in einer Kneipenschlägerei reflexartig mit Techniken aus der Unsu reagiere und damit meine Gegner zerlege.

Es gibt ja noch Leute wie Iain Abernethy, die realistische Anwendungen unterrichten und denen ich durchaus zutraue, im Ernstfall die Fäuste fliegen lassen zu können.
Aber auch hier frage ich mich, was es bringen soll, in beschnitten Katas nach Anwendungen zu suchen, die so vielleicht nie da waren.

Warum nicht gleich ins Krav Maga gehen oder in den Boxring?