Hallo Leute.

Ich hab einen kleinene Artikel geschrieben, angeregt von einer Fortbildung, die ich letztes Wochenende für Krav Maga TRainer gegeben habe.

Ich würde gerne den Artikel diskutieren; Fragen, ob er verständlich ist, Ihr anderer Meinung seid oder wie Eure Erfahrungen damit sind


https://www.kravmaga-trainerausbildu...realistisch-1/


Niemand ist davor gefeit; auch uns in Lübeck und Lüneburg ist es sicher schon mal passiert (gerade früher) und im Krav Maga und anderen SV Systemen sehe ich das sehr oft:

ℹ️TRAININGSNARBEN.

Ein sehr wichtiger Begriff für mich als Trainer ist der der ‚Trainingsnarbe‘. Damit sind keine Spuren von Verletzungen im Training gemeint. Es beschreibt, dass Deine Schüler Techniken oder Ausführungen von Techniken für sich mit „es funktioniert“ abhaken, obwohl diese in Wirklichkeit in einer echten Selbstverteidigungssituation ihre Gesundheit oder ihr Leben gefährden (oder umgekehrt).



➡️Es gibt taktische und technische Trainingsnarben.

1️⃣Taktische Trainingsnarben können zum Beispiel im Kampfsport entstehen. Ein Beispiel dafür wäre das vorherrschende Trainingsziel, einen Kampf bis zum Ende zu bestreiten und zu Gewinnen. Dadurch wird die Option einer zwischenzeitlichen Flucht nicht in ein Training integriert; ist ja auch logisch und wäre Zeitverschwendung im sportlichen Kontext. Aber für die Selbstverteidigung ist es ein wichtiger Faktor. Der Mensch ist ein Gewohnheitstier und je mehr gerade um ihn herum vorgeht, desto mehr verlässt sich unser Gehirn auf antrainierte bzw. angewöhnte Verhaltensweisen. Wer nie geübt hat, auch mal mitten im Kampf bei entstehender Gelegenheit wegzulaufen, wird unter Stress auch nicht rechtzeitig auf die Idee kommen. Jetzt beim Lesen und sitzend auf dem Sofa kommt einem die Überlegung ja eigentlich leicht vor; aber wir alle würden uns immer wieder wundern, wie anders sich unser Gehirn verhält, wenn es nur genügend Stressoren wahrnimmt.

2️⃣Technische Trainingsnarben entstehen zum einen bei der Auswahl und zum anderen bei der Ausführung von Techniken.
In beiden Fällen ist die Ursache, dass der Partner im Training (zwangsläufig!) Techniken durchgehen lässt und nachgibt / mitgeht / sich treffen lässt / nicht zurücktrifft – obwohl er in einer echten Kampfsituation:
Gegenhalten könnte / sich schützt / kontert.
WENN Bewegungen erlernt werden, muss(!) der Partner erst mal mitgehen und darf nicht(!) sofort kontern oder zurückschlagen. Sonst entstehen ebenfalls Trainingsnarben („Die Technik funktioniert ja nicht“ denkt der Schüler, wobei es in Wirklichkeit nur daran liegt, dass er das Bewegungsbild einfach noch überhaupt nicht korrekt verstanden hat oder ausführen kann). Er muss auch mal stillhalten, damit der andere Schüler langsam die Technik ausprobieren und einüben kann.
Das ist die Stelle, an der ein erfahrener Trainer oder ein sehr gut abgestimmtes Trainings- und Sparringdesign helfen kann. Ein erfahrener Trainer muss dem Schüler sagen, dass er an dieser oder jener Stelle eine zu große Deckungslücke entstehen lässt, wenn er die Technik so ausführt.

❗️Der Trainer kann dem Schüler aufzeigen, dass bei realistischer Geschwindigkeit und Timing in einer schlechten Position ein Gegner exakt die gleiche Chance haben könnte, einen Treffer zu landen, während der Schüler das nicht bemerkt – denn der Trainingspartner agiert langsamer oder hält still.
Gerade im Stand Up, also im Bereich der Schlagtechniken ist das ein großes Problem. Bei voller Geschwindigkeit geht es um Sekundenbruchteile. Kleinigkeiten im Winkel, Druck, Blockieren, Positionieren usw. können einen großen Unterschied machen. Das merkt ein Schüler aber nicht unbedingt im Training.

🥊Wenn man nun aber Sparring mit voller Geschwindigkeit macht, wird der Schüler in der Regel nicht feststellen können, WARUM die Technik ‚auf einmal‘ nicht mehr funktioniert. Dafür sind die Abläufe viel zu schnell, zu dynamisch, zu chaotisch und zu stressig. Er wird unter Umständen nicht merken und verstehen, dass er z.B. enger an der Schulter und mit etwas mehr Vordruck hätte arbeiten müssen, um den entscheidenden Vorteil von einigen Zehntelsekunden zu haben. Er wird unter Umständen nur merken, dass es nicht klappt und im schlechtesten Fall je nach Persönlichkeit eine von zwei falschen❗️ Schlussfolgerungen treffen:

1️⃣Ich bin zu langsam / blöd / untalentiert
oder
2️⃣Die Technik funktioniert nicht

Ein guter Trainer hat meiner Meinung nach einen sehr, sehr wichtigen Satz oft auf den Lippen:
„Probieren wir es aus!“
und eine sehr, sehr wichtige Fähigkeit im Repertoire:
Übungen zu Designen, bei denen man funktionell, kontrolliert, sicher und fokussiert Techniken oder auch nur einzelne Elemente von Techniken abklopfen und testen kann.

💪Wildes Sparring ist in der Tat nicht immer die Antwort auf alles, weil manchmal die Reflektion und Auswertung einzelner Elemente nicht stattfindet. Aber immer nur stillhaltende Partner zu haben, die so tun als würde sie ein Gegenschlag mehr oder weniger einfrieren lassen ist der sichere Weg, gefährliche Trainingsnarben zu entwickeln.

⬆️Das Beste ist ein Trainer, der sich dessen bewusst ist und mit Erfahrung, funktionellem Training, SINVOLLEM(!!) Sparring und der ständigen Bereitschaft, sich, seine Techniken und seine Methoden zu hinterfragen und zu testen.