Die waffenlose Verteidigung ist sicherlich zeitgemäß, für die allermeisten Menschen ist dies ja der Alltagszustand, in dem man sich durch unser Land bewegt. Sicherlich schadet es nicht, sich auch hinsichtlich der Gefahren und des Umgangs mit gängigen Hieb- und Stichwaffen auseinanderzusetzen.
Was die Techniken angeht: ich trainiere seit 20 Jahren im Ju-Jutsu mit und die Problematiken, die immer wieder zu den gleichen negativen Blickwinkeln führen, sind mir bestens bekannt. Wie bei jeder Kritik, die in einer gewissen Menge und nachhaltig erfolgt, sollte man sich dieser stellen. Man kann sich natürlich auch verschließen, das Resultat sieht man tatsächlich in diversen Trainings. Ich habe schon in der Trainerdiskussion im Parallelthread erwähnt, dass ein gutes Training in aller Regel eine Trainerfrage ist. Beim JJ kommt hinzu, dass man sich sehr vielen Bereichen bedient und das Konzept daher dazu verleitet, sich sehr schnell ein halbgares Repertoire unter halbgaren Trainingsbedingungen anzueignen. Das ist sicher eine Schwäche. Auch im JJ gibt es sehr gute Trainingsbedingungen und sehr gute Referenten. Man muss hier für sich selbst entscheiden, ob man bei seinem Heimatverein bleiben, oder über den Tellerrand sehen möchte (letzteres machen idR alle die, die sich über Jahre weiterentwickeln möchten, das ist denke ich aber nicht nur im JJ der Fall). Für Anfänger gibt es sicherlich bessere Alternativen als JJ, wenn man sich denn zielgerichtet in dem Bereich der SV bewegen möchte.
Zum Thema bewaffnete SV: Damiano z.B. schreibt, dass waffenlose SV nur als Ergänzung zur bewaffneten SV Sinn ergibt. Wie einleitend erwähnt, sehe ich das anders. SV ist so vielseitig und die meisten Menschen bewegen sich immer noch überwiegend ohne Waffen. Ich wäre sehr glücklich, wenn dies auch so bleibt.
Zum Thema Messer und SV auch meine Meinung, die ich schon öfters vertreten habe:
Ich halte ein Messer für eine absolut gefährliche Waffe. Als Angriffswerkzeug. Bei einer Verteidigungshandlung sehe ich ein sehr großes Problem, nämlich die Mannstoppwirkung. Der Angriff sollte möglichst schnell und sicher beendet werden. Wenn ich den Angriff schnell beenden möchte, geht das in aller Regel nur über lebensgefährliche Verletzungen. Also bewusste Tötungsabsicht des Angreifers. Es gibt sehr viele Beispiele von Angreifern und Opfern, die trotz diverser Stichverletzungen nicht kampfunfähig waren. Selbst im Schusswaffenbereich gibt es diese Beispiele: Menschen, die 5, 6 Treffer kassiert haben und trotzdem weitermachen. Sicherlich ist auch dann irgendwann Ende, aber im Sinne einer SV -hier geht es um ein schnelles Beenden einer Angriffsituation- ist das suboptimal.
Wenn ich ein Messer mitführe und dies auch nutzen möchte, muss ich bereit sein, schnell wirkende Techniken anzuwenden, die idR eben tödlichen Ausgang mit sich bringen. Und dies auch gezielt trainieren. Denn das ist gar nicht so einfach. Mal vom psychologischen Problem ganz abgesehen.
Das ganze führt dann zu einer einfachen Erkenntnis: Messer eskaliert immer. D.h., wenn ich mein Messer ziehe, dann gehe ich "all in", es sollte jedem bewusst sein, dass dies auch der Aggressor so bewertet. Wenn es zum Kampf kommt, dann auf dem intensivsten Level, also auf Leben und Tod.
Das alles führte mich vor vielen Jahren schon zu dem Entschluss, dass ein Messer als SV-Waffe (im Sinne von bewusst hierfür führen und natürlich nicht, ein Messer als Werkzeug bei sich zu haben) für mich keine erste Wahl ist. Und wer sich mit den o.g. Überlegungen wirklich ernsthaft auseinandersetzt, kommt idR auf ein ähnliches Ergebnis. Mag Personen geben, das ganze anders werten, nach dem Motto "wer mich angreift, muss mit allem rechnen". Man muss sich einmal bewusst machen, dass das bedeutet, u.U. einen anderen Menschen zu töten. Alles klar. Ist einfach gesagt. Ich wünsche jedem, dass er nie in die Situation gerät, diesen Worten Taten folgen zu lassen.
Vielleicht sehe ich das mit meinen 40 Jahren ja zu blauäugig: für mich ist eine SV-Situation idR keine Frage von Leben und Tod. Das sind Extremfälle. Und für mich kann man sehr viele Situationen mit einem vernünftigen/vorausschauenden Verhalten im Vorfeld entschärfen. Und für die kleine Schnittmenge, die dann noch bleibt, fühle ich mich einigermaßen gut aufgestellt. Ohne Messer.
Ich will die Thematik nicht vertiefen, aber gerade im Bereich SV ist eine Diskussion um ein Messer natürlich zentraler Themenbereich.
It 's not who I'm underneath but what I do that defines me. Bruce Wayne
Dabei würdest Du sogar beim Schattenboxen verlieren. Kannix